Die Schlacht um Bergkarabach zwischen Armenien und Aserbaidschan wird erbittert geführt. Auch verbal erreichte die Eskalationsspirale einen absoluten Höhepunkt, der in gleich zwei Katastrophen enden könnte. Im schlimmsten Szenario droht der Region ein Supergau.

Was derzeit im Südkaukasus passiert

Armenien und Aserbaidschan stehen im Krieg, den allerdings keine Seite jemals offiziell erklärte und den auch niemand „als Erster“ begonnen haben will.

Es sind die heftigsten Kämpfe im Südkaukasus seit dem Waffenstillstand von 1994. Damals konnten die Kampfhandlungen durch internationale Bemühungen und viel Diplomatie beendet und die Seiten zu einer Waffenruhe gebracht werden.

Was 1994 gelang, scheint im Moment in weiter Ferne zu sein, denn die Eskalationsspirale dreht sich sowohl am Boden als auch verbal immer weiter. Baku und Jerewan drohten sich gegenseitig mit Schlägen gegen strategische zivile Objekte, die zu gleich zwei Katastrophen führen könnten.

Welche Katastrophen drohen

Es sind eigentlich undenkbare Drohungen, die Armenien und Aserbaidschan ausgetauscht haben.

So hat die Regierung in Jerewan (Armenien) damit gedroht, den Mingəçevir-Stausee zu bombardieren, den größten Stausee in Aserbaidschan.

Die Drohung wird dabei an das Szenario geknüpft, dass aserbaidschanische Truppen ins armenische Kernland einfallen oder dass die Türkei direkt in den Konflikt an Seite von Aserbaidschan eintritt. Beides ist keinesfalls unmöglich.

Der Stausee ist für Aserbaidschan strategisch wichtig, da er gleich mehrere Wirtschaftszweige bedient: die Stromerzeugung, die Bewässerung und den Hochwasserschutz. Hinter dem 80-Meter hohen Staudamm werden gewaltige Wassermassen gestaut, die auf etwa 16,1 Mrd. Kubikmeter Stauinhalt, von denen 9 Mrd. Nutzraum sind, geschätzt werden.

Mingəçevir-Stausee in Aserbaidschan

Die Folgen eines Bombardements dieses Objektes liegen auf der Hand. Außer dem Wegfall der Stromversorgung würde eine Flutwelle weite Teile Aserbaidschans überrollen. Die Schätzungen sprechen von einem Viertel des aserbaidschanischen Territoriums, welches betroffen wäre.

So schlimm dieses Szenario für Aserbaidschan erscheint, so heftig wäre auch seine Antwort.

Die Regierung in Baku (Aserbaidschan) drohte ihrerseits damit, das armenische Kernkraftwerk Mezamor anzugreifen. Das AKW, das bereits zu Sowjetzeiten erbaut wurde und seitdem stark in die Jahre gekommen ist, erzeugt rund 40 % des in Armenien produzierten Stroms.

Trotz aller Sicherheitsvorkehrungen, die AKWs in aller Welt haben, ist keines davon gegen einen frontalen militärischen Angriff gerüstet. Ein Raketenbeschuss von Mezamor würde höchstwahrscheinlich zu nichts weniger als einem südkaukasischen Supergau führen.

Da die Entfernungen zwischen den Staaten in der Region eher gering sind, wäre dabei nicht nur Armenien, sondern auch Aserbaidschan selbst sowie Teile der Türkei und des Iran vom Fallout betroffen.

Eine radioaktive Verseuchung im Südkaukasus wäre die Folge.
AKW Mezamor in Armenien

Allein, dass diese Szenarien überhaupt öffentlich diskutiert werden, zeigt, wie radikal die beiden Kontrahenten zu einander stehen und wie verhärtet die Fronten sind.

Diplomatische Vermittlung scheitert

Sicherlich, die gegenseitigen Angriffe auf die beiden Objekte wären das schlimmste denkbare Szenario.

Es muss nicht so kommen. Absolut ausgeschlossen ist es aber nicht, insbesondere wenn sich eine der Seiten eindeutig auf der Verliererseite in diesem Krieg sieht und im wahrsten Sinne des Wortes nichts mehr zu verlieren hat.

Umso wichtiger wäre daher eine internationale Vermittlung, die die beiden Erzfeinde schnell an den Verhandlungstisch bringen würde. Genau das ist aber zuletzt gleich zweifach gescheitert. Eine in Moskau vermittelte Waffenruhe hielt gerade mal einen Tag. Eine zweite Feuerpause, die von den Seiten direkt verhandelt wurde, hielt gar nur wenige Stunden.

Im Moment haben beide Seiten erklärt, dass sie keine diplomatische Lösung für den Konflikt sehen. Dies würde bedeuten, dass beide Seiten bis zum Ende kämpfen wollen.

In Anbetracht der oben skizzierten Gefahren sind die Folgen für die gesamte Region kaum abzuschätzen.

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