Berlin hat gewählt. Stärkste Fraktion ist die CDU, die daraus einen Anspruch auf die Regierungsbildung ableitet, sogar einen Anspruch auf die Führung der Regierung. Ist nicht neu, wird in Deutschland ja schon immer so gemacht, Demokratie wurde schon immer in ein Korsett gepresst, was Veränderungen möglichst verhindern soll. Ich würde diesen Anspruch, den die CDU sieht, aber nur dann gelten lassen, wenn eine Regierungsbildung ohne CDU unmöglich wäre. Ist sie aber nicht!
Schwarz-Rot, Schwarz-Grün und Rot-Grün-Rot
Drei Koalitionen sind denkbar, eine davon ohne CDU. Rot-Grün-Rot wäre sogar die Option, die die meisten im AGH vertretenen Wählerstimmen auf sich vereinen kann. Eine deutliche Abwahl einer solchen Koalition sähe anders aus! Hinzu kommt, dass diese drei Parteien im selben politischen Spektrum auf Stimmenfang gehen, die CDU hingegen hat nur die AfD neben sich und die ist dann für viele Konservative eben doch unwählbar.
Rot-Grün-Rot hat politisch die meisten Schnittpunkte, woraus sich ableiten lässt, dass die Mehrheit der Wählenden sich für eben genau diese politische Ausrichtung entschieden hat und eben nicht für eine konservative Ausrichtung, die von der CDU zu erwarten ist. Oder, um es deutlicher zu machen, für das rechts-konservative Lager (CDU + AFD) haben sich 37,3 Prozent der Wählenden entschieden, nehmen wir noch die FDP hinzu, dann sind es 41,9 Prozent. Für das progressive-linke Lager (SPD+Grüne+Linke) haben sich hingegen 49 Prozent der Wählenden entschieden. Woher nimmt also die CDU die Gewissheit, dass sie den Auftrag hat, eine Regierung zu bilden und diese zu führen?
Demokratie muss sich Mehrheiten suchen!
Eine Demokratie muss sich Mehrheiten suchen, das gilt auch für die CDU. Sie darf sich gerne als Sieger feiern, muss aber anerkennen, dass es in Berlin immer noch eine Mehrheit für progressive linke Politik gibt. Wenn sie dennoch die Chance sieht, dass die Schnittmengen mit einer Partei aus dem linken Spektrum reichen, soll sie es versuchen, aber am Ende auch akzeptieren, wenn es nicht reicht und sie weiterhin nicht in der Regierung vertreten sind.
Natürlich kann auch Rot-Grün-Rot nicht einfach so weitermachen. Es muss eine neue Ausrichtung geben, wahrscheinlich eine sehr viel progressivere als bisher. Gerne auch mit dem Mut, klar zu sagen, dass bestimmte Dinge so nicht weitergehen können. Auch wenn das noch weitere Wähler*Innen abschrecken sollte, besteht so zumindest die Chance, andere Wähler*Innen wieder zurückzugewinnen. Eine lebenswerte Stadt kann zum Beispiel nicht auf Autofahrer*Innen ausgerichtet sein, das funktioniert nicht, schon gar nicht, wenn wir es mit dem Klimaschutz ernst meinen. Das muss klar kommuniziert werden, ebenso klar müssen aber auch die Alternativen aufgezeigt werden und wie sich diese positiv auch auf das eigene Leben auswirken.
Die Konsequenz der Wahl ist aber auf gar keinen Fall, dass das Bündnis aus Rot-Grün-Rot abgewählt wurde. Es braucht auch keine gute Begründung, warum ein solches Bündnis weiterhin zusammenarbeiten sollte. Die Legitimierung ist eine Mehrheit der Wählerstimmen. Da ist auch egal, dass dann eventuell die größte Fraktion in die Opposition geht! Das ist dann auch kein Wahlklau, das ist einfach nur Demokratie. Demokratie, die sich Mehrheiten sucht und nicht an irgendwelchen Bräuchen festhält, die sich die Politik – ohne Not – gegeben hat.
Gefahr oder Chance?
Natürlich kann ein Weiterführen von Rot-Grün-Rot dazu führen, dass sich die Stadt bei der nächsten Wahl in drei Jahren noch weiter nach rechts verschiebt, aber es besteht auch die Chance, sich mit besserer Politik wieder Vertrauen zu erarbeiten. Die SPD könnte diese Chance nutzen, um sich für die nächste Wahl neu aufzustellen, ein*e neue Spitzenkandidat*In zu finden und diese aufzubauen. Auch Grüne und Linke könnten hier gewinnen, wenn sie sich nicht mehr durch den konservativen Bremsklotz namens Giffey ausbremsen lassen.
Schwarz-Rot und Schwarz-Grün wären hingegen nur für die Konservativen ein Gewinn. Eventuell noch für die beiden anderen Parteien, die dann in die Opposition gehen. Aber sollte die CDU in der Zeit keinen allzu großen Mist anstellen, wäre sie wohl auch in drei Jahren wieder die stärkste Fraktion.
13,6 Prozent der Stimmen landen im Müll
Was viel problematischer ist, ist, dass wieder 13,6 Prozent der abgegebenen Stimmen nicht im AGH repräsentiert werden. Hier muss eine repräsentative Demokratie Lösungen finden. Das ist in Berlin so, das ist aber auch im Bund und in den anderen Bundesländern so. 13,6 Prozent, die einfach auf die im AGH vertretenen Parteien aufgeteilt werden. 13,6 Prozent, die einfach mit repräsentiert werden, ohne dass es eine Legitimation dafür gibt. Darüber muss sich die Politik in den nächsten Jahren Gedanken machen, nicht aber darum, ob es legitim ist, eine Regierung ohne die stärkste Fraktion zu bilden!
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