Auch wenn ich früher öfter mal die Grünen gewählt habe, so bin ich doch schon länger kein Freund mehr dieser Partei, weil sie sich eben immer mehr von ihren ökologischen und friedenspolitischen Wurzeln entfernt hat. Was zurzeit allerdings im öffentlichen Diskurs und in sozialen Medien so an Schelte auf die Partei einprasselt, ist jedoch recht irrational – und vor allem, so finde ich, reichlich von BILD und Co. induziert worden.

Ich hab zumindest den Eindruck, dass bei grundsätzlich jedem politischen Thema für unliebsame Sachen gerade die Grünen verantwortlich gemacht werden – und Der Postillon hat sogar schon zwei satirische Artikel (hier und hier) über dieses Phänomen verfasst. Dabei sollte man nicht vergessen, auch wenn die Ampel-Koalition alles andere als glücklich und bestimmt nicht progressiv agiert, dass zuvor 16 Jahre lang CDU-geführte Bundesregierungen einen Menge Bockmist gemacht und dementsprechend auch reichlich aufzuräumende Missstände hinterlassen haben. Klar, da war auch oft genug die SPD mit an der Regierung, und auf Landesebene sind die Grünen auch seit vielen Jahren immer wieder in Regierungen vertreten, aber der bundespolitische Scherbenhaufen ist nun vor allen Dingen der CDU/CSU anzulasten.

Das ist allerdings schon wieder viel zu viel Inhaltliches für die meisten, die lieber ihrem Grünen-Hass freien Lauf lassen wollen. Was man daran merkt, dass dann gern auf so extrem sachliche Dinge wie das Übergewicht von Ricarda Lang fokussiert wird. Mir ist es ja egal, wie Politiker aussehen, ich achte eher darauf, was die so von sich geben, und kritisiere sie dann gegebenenfalls dafür – aber auf diese Ebene scheinen sich viele schon nicht mehr begeben zu wollen im Zeitalter des Dissens, Mobbings und der gehässigen Oberflächlichkeit.

Und so verfangen dann auch immer wieder schöne Negativaussagen über die Grünen, oft eben von BILD lanciert, da dieses Schmierblatt ja schon seit Längerem die Grünen als Feindbild Nummer eins auserkoren hat. Man denke nur an die vollkommen dumme, aber leider sehr erfolgreiche Kampagne zum Veggie-Day, mit der die BILD massiv in den Bundestagswahlkampf eingegriffen und somit auch das Wahlergebnis beeinflusst hat. Oder die ständigen Attacken gegen Claudia Roth, die es sogar in ihren Wikipedia-Artikel geschafft haben.

So was bleibt dann eben in vielen Köpfen hängen, zumal wenn auch von rechten Politikern immer wieder auf solch niedrigem Niveau ausgekeilt wird.

So war sich ja gerade kürzlich CDU-Chef Friedrich Merz nicht zu schade, mal wieder das Klischee der Grünen-Politiker, die ja alle nur Studienabbrecher wären, zu bemühen, um dem politischen Gegner fernab von jeder Sachlichkeit (gut, kennt man von Merz nicht anders) eins auszuwischen. Und auch die AfD und ihre Jünger reiten ja gern auf dieser Behauptung herum.

Das Problem ist nur: Da ist gar nichts dran. Und das kann man sogar relativ leicht rausfinden, wenn man es denn will.

Zum Beispiel auf der Website der Bundeszentrale für politische Bildung. Tja, da sieht man sogar, dass der Anteil von Abiturienten bei den Grünen am höchsten ist von allen im Bundestag vertretenen Parteien. Und dass es dort mehr Akademiker gibt als bei der CDU. Ups …

Und dennoch hält sich so eine Falschaussage penetrant in der Öffentlichkeit, wie man beispielsweise bei einer Frage auf gutefrage.net sieht:

Darauf wird dann allerdings auch recht sachlich mit einer Richtigstellung geantwortet:

Aber von solchen Tatsachen lassen sich Grünen-Hasser, BILD-Leser und CDU-Wähler eben nicht wirklich von ihrer vorgefertigten Meinung abbringen. Selbst wenn man sie dann mit der Frage konfrontieren würde, welch großartige Berufserfahrung denn beispielsweise Leute wie Jens Spahn (CDU) oder Christian Lindner (FDP) haben, die sie für ihre exponierten Jobs bis hin zum Ministeramt qualifizieren würden …

Ein weiterer Vorwurf an die Grünen, der auch durch BILD und Co. gern vorgebracht wird, ist, dass die eine Verbotspartei wären. Dazu habe ich vor zweieinhalb Jahren ja schon mal einen Artikel geschrieben, um aufzuzeigen, dass das kompletter Unfug ist und eben vor allem auf konservativ-rechter Agitation beruht. Amüsant vor allem gerade dabei: CDU und AfD sind ja bemüht, in einigen Bundesländern verbieten zu lassen, dass öffentliche Stellen gegenderte Schreibweise benutzen. Ich bin ja nun auch kein Fan vom Gendern (s. hier), halte es persönlich dann aber doch so: Wer gendern möchte, soll das eben machen. Das bedroht und gefährdet mich ja auch nicht – und auch niemanden anderen. Dinge, denen nachgesagt wird, dass die Grünen sie verbieten wollen, sind da hingegen schon mal deutlich gefährlicher, da sie unsere Biosphäre zerstören. Und (vor allem für andere) gefährliche Sachen zu verbieten ist eigentlich eine der Grundlagen eines Rechtsstaats und eines sozialen Gemeinwesens.

Es wäre also angemessener, hier CDU und AfD als Verbotsparteien zu bezeichnen – macht nur kaum jemand … Dabei sollte es doch eigentlich hinreichend bekannt sein, dass rechte Politik schon immer in einem sehr großen Maße auf Verboten und Einschränkungen basierte, oder? Da braucht man sich ja nur mal deren extreme Ausprägungen anschauen, die nicht eben auf großzügig eingeräumten Freiheiten für alle basieren …

Bei solchen auf Falschaussagen basierender Stimmungsmache kann man dann m. E. gern auch mal von „Bashing“ oder „Hetze“ spreche. Wobei das natürlich Begriffe sind, die sonst auch immer gern AfD-Jammerlappen für sich proklamieren, wenn mal unliebsame Tatsachen über deren Parteigranden thematisiert werden.

Auf diese Weise wird nicht nur der öffentliche Diskurs verunsachlicht, sondern es geraten auch noch Dinge aus dem Blick, die es eigentlich wert wären, diskutiert und kritisiert zu werden – und die unmittelbar mit den unzutreffenden Vorwürfen zusammenhängen.

So ist es nach meinem Dafürhalten (und das sehen auch andere so, beispielsweise hier und hier) wesentlich problematischer als eventuell nicht beendete Studiengänge von Grünen-Politikern, dass der Akademikeranteil im Bundestag extrem hoch ist, sodass man schon nicht mehr von einer wirklichen Repräsentanz der Durchschnittsbevölkerung sprechen kann – was sich dann ja auch durchaus niederschlägt in abgehobener Politik, die an den Nöten von Geringverdienern und anderen armen Menschen komplett vorbeigeht.

Genauso wird durch das Geschwafel von den Grünen als Verbotspartei, die am liebsten eine Ökodiktatur errichten möchte, verschleiert, dass die Grünen schon lange keine ökologische Politik mehr machen – was man ja nicht nur in der jetzigen Bundesregierung sehen kann, sondern auch schon in etlichen Landesregierungen so feststellen musste. Die werden also mit dumpfen Schlagwörtern und Parolen für etwas kritisiert, was sie gar nicht mehr sind: eine ökologische Partei.

Und genau dafür kritisiere ich die Grünen auch seit einiger Zeit immer wieder (s. beispielsweise hier, hier, hier, hier, hier oder hier), da ich diesen Wandel der Partei ausgesprochen fatal finde in einer Zeit, in der ökologische Politik dringender notwendig wäre als jemals zuvor. Dabei sehe ich dann allerdings auch zu, sachlich zu bleiben sowie die Kritik an Aussagen und am Verhalten von Grünen-Politikern festzumachen – und nicht an irgendwelchen dummen nicht zutreffenden Klischees. Aber das wäre offensichtlich für BILD-Leser, CDU-Wähler, FDP-Freaks oder AfD-Jünger zu kompliziert, da sie selbst inhaltlich nichts Argumentatives anzubieten hätten. Also wird eben unsachlich gewettert, was das Zeug hält – und bei irgendwelchen Einfaltspinseln verfängt dass dann auch schon.

Was noch als unangenehmer Nebeneffekt hinzukommt: Durch das ständige Bashing und die Hetze gegen die Grünen sind deren Anhänger mittlerweile extrem dünnhäutig geworden, was Kritik angeht, sodass man, wenn man diese sachlich vorträgt, in ansonsten eher für AfD-Fans typischer Weise persönlich attackiert wird – wie ich letztes Jahr schon mal in einem Artikel beschrieben habe.

So wird der Diskurs in der (virtuellen) Öffentlichkeit immer biestiger und unsachlicher – und das ist eben genau das Spiel von BILD und anderen rechten Schmierblätter, die sich ohnehin nicht gern auf eine sachliche Ebene begeben, sondern lieber faktenfrei emotionalisierende Gehässigkeiten raushauen. Trotz sinkender Auflagenzahlen der Printemedien und damit auch der BILD wirkt deren Geschäftsmodell also zurzeit stärker denn je auf die öffentliche Meinungsbildung ein.

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