In einem sind sich alle Kommentierenden der Landtagswahlen von Hessen und Thüringen einig: Deutschland rutscht nach rechts. Wir versuchen uns an einer ersten Einordnung.

~

(Musik: Intro aus Accou – Sarabande BWV 1002 (Partita No.1 for violin solo in B-minor), Outro aus Accou – Bourree (I.S. Bach BWV 1002, Violin Partita No 1 in B minor))

~

Shownotes:

In Deutschland unten rechts

Die Landtagswahl in Bayern am 9. Oktober 2023 markiert eine rechtsgerichtete Verschiebung im politischen Spektrum. Die AfD verzeichnet deutliche Gewinne und erreicht 14,6 Prozent, während die Ampelparteien (Grüne, SPD, FDP) zusammen nur noch etwa 25 Prozent der Stimmen erhalten. Die CSU behält ihre dominante Position bei 37 Prozent, während die Freien Wähler ebenfalls Zuwächse verzeichnen. Die AfD betrachtet die FDP als "entsorgt". Die CSU gibt der Ampelkoalition die Schuld am Erfolg der AfD, während die Opposition die CSU für das Erstarken des rechten Randes verantwortlich macht. Die Wahlanalyse zeigt, dass die AfD Wähler von verschiedenen Parteien gewonnen hat, darunter CSU, FDP und Freie Wähler. Die Ampelparteien sind ratlos über den Trend nach rechts und diskutieren darüber, wie sie ihn stoppen können. Der politische Diskurs verkommt zunehmend zu Krawall, sowohl in der analogen als auch in der digitalen Welt. Die Unsicherheit über die Zukunft der Ampelkoalition ist spürbar, und einige CSU-Mitglieder ziehen es vor, in der Opposition zu bleiben. Die Wählerwanderung zwischen den Parteien wird detailliert analysiert. Insgesamt zeigt die Wahl, dass sich die politische Landschaft in Bayern deutlich verändert hat und neue Herausforderungen für die etablierten Parteien aufkommen. (Oliver Das Gupta, Spiegel)

Schnappt sich AfD jetzt den Westen? „Deutschland ist in einer dreifachen Spannung“ (Interview mit Marcel Lewandowsky)

Die Landtagswahlen in Hessen und Bayern haben bedeutende politische Verschiebungen gezeigt. Die AfD verzeichnete Erfolge, während die Ampelparteien (Grüne, SPD, FDP) an Zustimmung verloren. Marcel Lewandowsky, Politikwissenschaftler, analysiert, dass die Ampelregierung nun mit Problemen konfrontiert ist, insbesondere aufgrund negativer Berichterstattung und interner Konkurrenz. Er betont, dass die Unsicherheit und mangelndes Vertrauen in die Regierung zu Wahlerfolgen für Parteien führen können, die als kompetenter wahrgenommen werden. Migration war nicht das dominante Thema, sondern die wirtschaftliche Entwicklung. Nancy Faeser, Bundesinnenministerin und SPD-Spitzenkandidatin, steht nach ihrer Niederlage in Hessen im Fokus, und ihre politische Zukunft hängt von der medialen Resonanz und dem Umgang von Olaf Scholz ab. Lewandowsky schließt mit der Erkenntnis, dass Deutschland in einer dreifachen Spannung zwischen progressiven, bürgerlichen/konservativen und rechtspopulistischen/rechtsextremen Lagern verharrt, was die politische Landschaft unsicher macht. (Thomas Sabin, Focus)

Frühe Radikale

Die AfD hat eine Geschichte der Radikalisierung, die auf Gründungsmitgliedern wie Bernd Lucke, Alexander Gauland und Hans-Olaf Henkel basiert. Die Partei, 2013 als bürgerlich und konservativ gegründet, erlebte 2015 und 2017 zwei radikale Veränderungen, als sie sich von Lucke und dann von Petry trennte. Der Artikel hebt hervor, dass die Radikalität bereits in den Gründungsjahren angelegt war. Hans-Olaf Henkel, ein Schlüsselfigur, präsentiert sich als Verfechter der Freiheit, indem er persönliche Anekdoten teilt, die auf Geringschätzung für staatliche Regeln und Ehrlichkeit hindeuten. Alexander Gauland, ein intellektueller Akteur, betont die Notwendigkeit von Nationalpathos und grenzt das "Volk" gegen das "Fremde" ab. Bernd Lucke nutzte Untergangsmetaphorik und schürte Ängste, indem er die "Altparteien" als Feinde darstellte und eine alternative Bewegung vorschlug. Trotz ihrer anfänglichen bürgerlichen Fassade entwickelte sich die AfD zu einer radikalen Kraft, die von Verfassungsschutz überwacht wird. (Wibke Becker, FAZ)

„Das Gift der AfD ist in der Jugend angekommen“ (Interview mit Johannes Hillje)

Die AfD feiert sich als großer Gewinner bei den Landtagswahlen in Bayern und Hessen. AfD-Chefin Alice Weidel betont, dass ihre Rekordergebnisse ihre Politik rechtfertigen und deutet an, dass sie in Zukunft mitregieren will. Besonders bei jungen Wählern erzielt die AfD den zweiten und dritten Platz. Grüne in Bayern machen Ministerpräsident Markus Söder mitverantwortlich für den Rechtsruck und warnen davor, das Lied der Rechtspopulisten zu singen. Der Politik- und Kommunikationsberater Johannes Hillje erklärt, dass das Gift der AfD in der Jugend angekommen sei. Rechtsextreme Einstellungen nehmen bei jungen Menschen zu, was sich im Wahlverhalten widerspiegelt. Hillje kritisiert, dass demokratische Parteien TikTok der AfD überlassen und betont, dass die Union ihre Wahlstrategien auf jüngere Zielgruppen ausrichten sollte, um ihre Bedürfnisse zu berücksichtigen. (Jana Stäbener, FR)

"Da ist schon ein gewisser Rechtsruck zu verzeichnen" (Interview mit Claudia Ritzi)

Die Landtagswahlen in Hessen und Bayern markieren einen deutlichen Rechtsruck, insbesondere durch das starke Wachstum der AfD, die nun sogar in Hessen zur zweitstärksten Kraft aufsteigt. Die Ampelparteien (SPD, Grüne, FDP) verlieren hingegen an Zustimmung. Die FDP, trotz ihres Einflusses auf die Ampel, scheitert mit ihrer Strategie der Abgrenzung, was auf eine komplexe Dynamik in dem Dreierbündnis hinweist. Die AfD gewinnt im Westen an Zuspruch und wird nicht mehr nur als Ost-Phänomen betrachtet. Die Expertin Claudia Ritzi betont, dass die etablierten Parteien einen "gewissen Rechtsruck" in der Gesellschaft erfahren. Dies zeigt sich auch in der Unzufriedenheit der Bevölkerung mit der Regierung, die nicht klassisch von der CDU, sondern vermehrt von der AfD als Protest-Partei aufgegriffen wird. Die Freien Wähler legen trotz eines Skandals zu, was auf einen möglichen gesellschaftlichen Rechtsruck hindeutet. Die politische Situation für die Ampelparteien im Bund wird komplizierter, da sie trotz unterschiedlicher Ziele zusammenarbeiten müssen. Insgesamt zeigt die Wahlanalyse, dass die politische Landschaft in Deutschland im Wandel ist, mit einer Stärkung rechtspopulistischer Kräfte und einer Herausforderung für etablierte Parteien, ihre Zusammenarbeit und Positionierung zu überdenken. (Claudia Deeg, SWR1)

Ampel-Koalition spektakulär abgewählt

Die Landtagswahlen in Bayern und Hessen bedeuten ein Debakel für die Berliner Ampel-Koalition. Die FDP ist in Bayern aus dem Landesparlament geflogen und steht vor einem existenziellen Kampf. Die SPD fällt in Bayern in die Kategorie "Sonstige", und die Grünen, als stabilste Ampelpartei, verlieren in beiden Ländern an Zustimmung. Dies wird als klares Misstrauensvotum gegenüber der selbsternannten "Fortschrittskoalition" interpretiert. Die CDU, unter Boris Rhein, erlebt dagegen einen Triumph in Hessen, während Markus Söder in Bayern mit Stimmenverlusten konfrontiert ist. Die AfD erzielt solide Ergebnisse, während die Freien Wähler in Bayern zulegen, in Hessen jedoch scheitern. Das Ergebnis wird als mittleres Erdbeben betrachtet, das eine grundsätzliche Wende in der Migrationspolitik erfordert. Die Grünen, hauptverantwortlich für die selbstzerstörerische Entwicklung der Ampel, stehen vor der Herausforderung, ihre Kernklientel zu bedienen, die sich oft von pragmatischen Sozialdemokraten und FDP-Wählern unterscheidet. Die FDP, trotz guter Arbeit, wird erneut auf Landesebene abgestraft, und es wird bezweifelt, ob ein Turnaround in den nächsten zwei Jahren möglich ist. Die SPD erlebt mit Nancy Faeser einen Misserfolg in Hessen, und das Faeser-Experiment, auf ihre Prominenz zu setzen, ist grandios gescheitert. Migration wird als entscheidendes Thema identifiziert, das die Wahlen beeinflusst hat, und die Grünen erkennen die Notwendigkeit einer grundsätzlichen Wende. (Alexander Marguier, Cicero)

Warum das Regieren für die Ampel schwieriger wird

Die Landtagswahlen 2022 in Deutschland hinterließen gemischte Spuren für die Ampelparteien. Die FDP erlitt erhebliche Verluste, insbesondere in Niedersachsen, wo sie die Fünf-Prozent-Hürde nicht überwinden konnte. Diese Niederlage belastete das Arbeitsklima in der Ampelkoalition, während die SPD gemischte Ergebnisse verbuchte und die Grünen Zuwächse verzeichneten. Die CDU, die auf eine Anti-Ampel-Stimmung setzte, verlor in Niedersachsen und insgesamt an Einfluss. Die FDP betonte nach den Wahlen die Notwendigkeit einer längeren Laufzeit der Atomkraftwerke, was zu Spannungen mit den Grünen führte. FDP-Chef Christian Lindner äußerte, dass die Ampel insgesamt an Legitimation verloren habe. Die Zukunft der Koalition wird in Frage gestellt, und die CDU sucht nach Lösungen für ihre Probleme. Die Grünen reagierten kritisch auf das Vorgehen der FDP und betonten vorherige Absprachen. Die CDU sah sich nach der Niederlage in Niedersachsen selbstkritisch. Der Generalsekretär Mario Czaja räumte ein, dass es der Partei nicht gelungen sei, in verschiedenen Bereichen, wie der Energiekrise, Lösungskompetenz zu zeigen. Die CDU-Chef Friedrich Merz spielte die bundespolitische Bedeutung der Wahl herunter, während die CDU insgesamt bei den Landtagswahlen 2022 geschwächt wurde. Insgesamt wirft das Ergebnis der Wahlen Fragen zur Stabilität der Ampelkoalition auf und stellt die CDU vor Herausforderungen in Bezug auf ihre Position und Problemlösungskompetenz. Der Fokus liegt auf der Suche nach einer gemeinsamen Position zu kontroversen Themen wie der Laufzeit der Atomkraftwerke, um die Handlungsfähigkeit der Regierung sicherzustellen. (Ann-Kathrin Büüsker, Nadine Lindner, Bastian Brandau, Anita Fünffinger, Martin Teigeler, Deutschlandfunk)

Klare Botschaften für Berlin

Die Landtagswahlen in Bayern und Hessen haben klare Signale nach Berlin gesendet. Die Unzufriedenheit mit der Ampelkoalition ist deutlich spürbar, und die CDU hat wichtige Botschaften zu entschlüsseln. In Bayern kritisierte Markus Söder die Grünen scharf, betonend, dass ihr Weltbild nicht zu Bayern passe. Die FDP erlebte Demütigungen, was die Belastung der Ampelkoalition verstärkte. In Hessen profitierte CDU-Regierungschef Boris Rhein von seiner Zurückhaltung und gewann, während die SPD-Spitzenkandidatin Nancy Faeser Schwierigkeiten hatte, ihre eigenen Anhänger zu überzeugen. Die AfD wird voraussichtlich in beiden Ländern als stärkste Kraft der Opposition agieren. Die Union erkennt die Unzufriedenheit, jedoch bringt die Ampelkrise ihr bisher keine Vorteile. Es bleibt eine Herausforderung, da wichtige Themen wie Wirtschaft, Klima und Migration eine Zusammenarbeit erfordern. Die Zeitenwende erfordert klare Ziele und Erklärungen, insbesondere zu Energieverbrauch und Verhaltensänderungen. Es ist entscheidend, dass die politischen Akteure die Sorgen der Bürger verstehen und darauf eingehen, um Vertrauen zurückzugewinnen und die Herausforderungen der Zukunft gemeinsam anzugehen. (Birgit Wentzien, Deutschlandfunk)

Bayerns erfolgreichster Verlierer

Markus Söder und die CSU erlebten bei den Landtagswahlen in Bayern einen Dämpfer, trotzdem bleibt die CSU stärkste Kraft. Der Kommentar von Anna Clauß betont die mangelnde Glaubwürdigkeit von Söder als Grund für das maue Wahlergebnis. Die CSU verlor an Boden, und Söder wird als Bayerns erfolgreichster Verlierer bezeichnet. Kritik richtet sich an Söders Wahlkampfstil, der sich zu sehr auf seine Person konzentrierte und nicht auf die Partei als Ganzes. Trotzdem scheint eine Revolte in der CSU gegen Söder unwahrscheinlich. Die mangelnde Glaubwürdigkeit, seine Rastlosigkeit und der Fokus auf persönliche Popularität werden als Faktoren genannt, die Söders Image beeinträchtigten. Die CSU wird aufgefordert, die Sehnsucht nach klaren Antworten zu bedienen und die Glaubwürdigkeitslücke zu schließen. (Anna Clauß, Spiegel)

Dir gefällt, was Stefan Sasse schreibt?

Dann unterstütze Stefan Sasse jetzt direkt: