Es gibt Ereignisse im Leben, deren Vorfreude darauf sich in Grenzen halten. Ballermann Urlaub mit der eigenen Mutter zum Beispiel. Oder etwa in der Hochzeitsnacht, wo die Schwiegermutter, wegen Fehlplanung, in der Mitte liegt. Und dann auch noch freudig verkündet, nach dem Ableben des Ehemannes, zu ihnen zu ziehen. Damit wird der Schwiegervater unter Druck gesetzt, ihre Erwartung baldmöglichst zu erfüllen. Womit wir übergangslos zu dem Tabuthema schlechthin kommen, dem Tod in seiner ganzen Tragweite. Für Viele ein unangemessenes Thema, besonders beim Abendbrot, dem Familienausflug oder während sexueller Handlung, kurz vor der entscheidenden Phase, der den Höhepunkt einleitet. Nur Wenige erkennen im Tod die positiven Aspekte, den er mit sich bringt. Diese Zeilen sollen Interesse für den Tod wecken. Das schlechte Image, was ihm anhängt, einmal geradezurücken. Sehen wir doch auch einmal die Vorteile. Der Tod bietet ungeahnte Chancen. Besonders natürlich auch für die Überlebenden. Doch auch deren großer Tag wird kommen. Deshalb sollten auch jene, die ihr Ableben noch nicht im Auge haben, aufmerksam lesen, worauf sie noch etwas verzichten müssen. Denn bekanntlich ist ja die Vorfreude die größte Freude. Wiegen wir also Vorteile und Nachteile gegeneinander ab. Der einzig wirkliche Nachteil des Tot sein ist, man ist tot. Aber die überwiegenden Pluspunkte auf der Habenseite sollte man nicht außer Acht lassen. Nach dem Abwägen werden sie den Tod mit ganz anderen Augen sehen. Er ist Befreiung und Neuanfang. Wer geradezu zwanghaft am Leben hängt, hat den Sinn des Lebens nicht verstanden. Wir leben, um zu sterben. Dies zu ignorieren heißt, sich den großen Fragen unserer Zeit zu verweigern. Es ist wie mit Bundestagswahlen. Selbst wenn man sich Wahlen verschließt und verweigert, so bekommt man doch eine Regierung, die alles verspricht und später behauptet, sie hätte sich versprochen. Da liegt das Problem am System. Man kann eben eine Partei nicht, nicht wählen. Nur ganz allgemein nicht wählen geht. Es würden sicher mehr Leute wählen, könnte man einer Partei direkt mittels Kreuz signalisieren, dass man sie nicht wählt. Was dies direkt mit dem Tod zu tun hat, werden sie berechtigterweise fragen und ich muss gestehen, ich weiß es auch nicht. Es war nur so ein Gedanke, der sich unerlaubt eingeschlichen hat und in seiner Dominanz kurzzeitig die Deutungshoheit erlangt hat. Er wurde jedoch nun von mir erfolgreich zurückgedrängt und der Todesgedanke kann nun wieder sich frei entfalten und seine Blüten treiben.
Sie werden sehen, nach Beendigung der nun folgenden tödlichen Argumente, werden sie den Tod geradezu herbeisehnen. Denn sie haben ihn sich dann auch redlich verdient.
Wenn man erstmal tot ist, entfallen viele lästige Dinge des täglichen Lebens. Steuernachzahlungen, Wurzelbehandlung oder unbefriedigender Sex. Ich hatte einmal eine langfristige Eintagebekanntschaft, Restaufkommen einer Clubnacht morgens um vier. Eine Lehramtsanwärterin für Ethik und Statistik. Jeder, dem so ein Schicksalsschlag einmal beschieden wurde, weiß, wovon ich spreche. In eine Schneefräse zu geraten, ist weitaus unterhaltsamer. Da ist der Tod eine willkommene Abwechslung dagegen.
Wenn man erstmal tot ist, ist das Schlimmste vorbei und man kann wieder entspannt aufatmen. Je nach Konstitution zieht es sich jedoch vielfach hin, bis man es endlich geschafft hat. Sprechbevollmächtigte am Sarg sprechen dann gerne von „Erlösung“. Es ist wahrlich eine Befreiung. Man begibt sich in die Hände eines anderen, der dann für den Lebensunterhalt verantwortlich ist. Wen oder was man dort antrifft, ist ein gut gehütetes Geheimnis. Nicht unähnlich dem beliebten Überraschungsei. Da weiß man ja auch nicht, was man bekommt.
Ich habe mich ausgiebig mit meinem Tod beschäftigt und kann es kaum noch abwarten. Wenn es nach mir geht, möchte ich von ihm überrascht werden. Jeden morgen, wenn ich erwache, überprüfe ich, ob ich nicht vielleicht schon tot bin. Wenn ich dann feststelle, ich bin es nicht, laufe ich den ganzen Tag schlechtgelaunt herum, weil ich immer noch in der Aufnahme festhänge.
Meinen Pass und Impfnachweis habe ich stets dabei, falls er dort kontrolliert wird. Es sagt einem ja keiner, welche Unterlagen erforderlich sind, um Zugang ins Paradies zu erhalten. Vielleicht kostet es ja auch Eintritt und ich weiß nicht, welche Währung da akzeptiert wird. In meinem lebenden Umfeld wird über solche Details nicht gesprochen. Und nicht nur das, sie scheinen sich auch wenig dafür zu interessieren. Aber wenn sie eine Urlaubsreise machen, dann planen die alles ganz akribisch. Da wird nichts dem Zufall überlassen. Aber den eigenen Tod verdrängen sie, obwohl es der Höhepunkt im Leben ist. Wenn man den Rechercheuren der Bibel glauben schenken möchte, herrschen dort paradiesische Zustände. Und die müssen es schließlich wissen, denn die sind ja schon lange tot. Wäre es nicht so, dann hätten sie wohl ihr Buch überarbeitet und angepasst.
Ich jedenfalls bin bestens präpariert und vorbereitet. Eine Reisetasche mit Wechselwäsche und ein Kulturbeutel für die tägliche Hygiene, ist gepackt und in greifbarer Nähe, wenn der Sensenmann anklopft oder eine Mail schickt, mit der Mitteilung, ich sei nun dran. Ob es dann durch Losentscheid oder wahllos geschieht, ist eher von sekundärer Betrachtung. Hauptsache ich bin der Auserwählte. Denn nach nichts sehne ich mich mehr als nach einem sorgenfreien Leben nach dem Leben. Der Tod ist ja nur die Übergangsphase. Sozusagen eine Neueinbürgerung.
In einem Land, wo Milch und Honig fließt. Bis auf laktoseintolerant Geplagte wird es eine tolle Zeit.
Es wird schon ein erhabenes Gefühl sein, vor dem großen goldenen Tor zu stehen, ehe Herr Petrus, Chef der Einlasskontrolle, mich herzlichst begrüßt. Dann, wenn die Papiere in Ordnung sind, darf ich das himmlische Disneyworld betreten. Popcorn und Zuckerwatte in Hülle und Fülle. Und nie mehr tristes Novemberregenwetter, da das Paradies ja über den Wolken liegt und von jeglichem Regentief unbehelligt bleibt. Deshalb habe ich auch keinen Regenschirm eingepackt und stattdessen Sonnencreme. Aber am meisten freue ich mich auf Marylin Monroe. Vorausgesetzt, man altert dort wirklich nicht. Schließlich ist die Frau inzwischen gefühlte hundert und wenn die dann auch noch so aussieht, wäre die Enttäuschung groß. Und nur noch umgeben sein von „Gutmenschen“. Für die anderen, also Joseph, Adolph und die anderen, gibt es ja einen gesonderten Eingang, wo es auch ganz heiß zugeht, nur eher von der unangenehmen Art. da braucht man schon einen Lichtschutzfaktor im dreistelligen Bereich. Denke ich mir mal. Verdient hätten sie es auf alle Fälle.
Wegen meiner lebenslangen guten Führung muss ich nicht befürchten, diesen „Herren“ zu begegnen.
Ich werde bis in alle Ewigkeit mein Diesseits im Jenseits genießen. Umgeben von kleinen flinken dienstbaren Engeln, die mich beschützen und bedienen. Kost und Logis frei. All inclusive.
Eine himmlische Vorstellung!
Jetzt muss ich nur noch dem Tod, wenn er anklopft, die Tür öffnen und mit ihm mitgehen und in ein neues Leben starten, was ich mir zeitlebens schon herbeigesehnt habe.
Leider und hier ist das Kleingedruckte zu beachten, kommt man bei einem selbst herbeigeführten Tod nicht automatisch in den himmlischen Genuss. Sonst hätte ich den eigentlichen Termin etwas verkürzt. Aber nach den Richtlinien ist das nicht erwünscht. In den Zehn Geboten wurde das so in Stein gemeißelt und ist somit ein Ausschlusskriterium, für eine Aufnahme ins Paradies. Deshalb heißt es, sich in Geduld üben. Ist vielleicht auch besser so. Sonst hängen unsere Wälder bald voll von Leuten, die es nicht abwarten können. Und der Baumbestand leidet schon genug unter dem Borkenkäfer. Alleine schon aus ästhetischen, als auch unter Naturschutzgründen, ist dies zu unterlassen.
Darum empfehle ich, sich in Geduld zu üben. Und wie heißt es doch so treffend im Volksmund: Der Geduldige steht im Stau. Der Ungeduldige nimmt den Seitenstreifen.
Nur eines bereitet mir noch etwas Kopfzerbrechen. Wird es meine Bücher dort auch im himmlischen Buchhandel geben? Und nicht zuletzt die alles entscheidende Frage liefert Amazon dorthin?
Als Dank für ihre Lesebereitschaft, biete ich noch einen besonderen Service an, der an uneingeschränkter Kostenlosigkeit seinesgleichen sucht.
Nachfolgend einige Grabinschriften, die jedem Grabstein eine pfiffige Note verleihen.
Jetzt nur hier zu lesen, doch bald bereits in Stein gemeißelt.
„Mein Leben ist vorbeigerauscht, ich hätte gern mir euch getauscht.“
„Jetzt bin ich weg und lieg im Dreck.“
„Jetzt gebe ich dem Tod mal eine Chance.“
„Im Leben lag ich nicht immer richtig. Jetzt schon.“
„Danke an meine Frau. Ohne dich wäre ich nicht hier.“
„Hier liege ich aus voller Überzeugung.“
„Bitte keine Geranien einpflanzen.“
„Hey! Das ist kein Hundeklo.“
„#tschüss #tot #Neubeginn #LMAA“
„Nach Diktat verreist.“
„Betteln und Haussieren verboten.“
„Keine Werbung einwerfen.“
Und für Freunde des Lateinischen:
„Qui citius moriuntur, diutius mortui sunt.“
Auch Anhänger feinsinniger Poesie sollen nicht zu kurz kommen.
„Es gab in meinem Leben stets nur ein Bestreben.
Genügend Butter auf dem Brot und einen schnellen Tod.
Nun dürfen Würmer an mir nagen. Darüber werd ich nicht mehr klagen.
Die Kiste voll, der Deckel zu. Nun hat, die arme Seele Ruh.
Ich danke Doktor Potenzier. Ohne ihn wär ich nicht hier.“
Und zum Schluss für verblichene Filmfreunde:
„ENDE“
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