Die Serie „Vermischtes“ stellt eine Ansammlung von Fundstücken aus dem Netz dar, die ich subjektiv für interessant befunden habe. Die "Fundstücke" werden mit einem Abschnitt des Textes, der paraphrasiert wurde, angeteasert. Um meine Kommentare nachvollziehen zu können, ist die vorherige Lektüre des verlinkten Artikels empfohlen; ich übernehme keine Garantie für die Richtigkeit oder Vollständigkeit der Zusammenfassungen. Für den Bezug in den Kommentaren sind die einzelnen Teile durchnummeriert; bitte zwecks der Übersichtlichkeit daran halten. Dazu gibt es die "Resterampe", in der ich nur kurz auf etwas verweise, das ich zwar bemerkenswert fand, aber zu dem ich keinen größeren Kommentar abgeben kann oder will. Auch diese ist geordnet (mit Buchstaben), so dass man sie gegebenenfalls in den Kommentaren referieren kann. Alle Beiträge sind üblicherweise in der Reihenfolge aufgenommen, in der ich auf sie aufmerksam wurde.
Fundstücke
Das ZDF nutzt im neuen Format Deepfake Diaries künstliche Intelligenz, um historische Persönlichkeiten wie Otto von Bismarck, Rosa Luxemburg oder Oskar Schindler scheinbar selbst über ihr Leben berichten zu lassen. Ziel sei es, vor allem ein jüngeres Publikum zu erreichen, indem geschichtliche Inhalte in einer modernen, medial attraktiven Form vermittelt werden. Die Texte der KI-generierten Figuren basieren laut Redaktion ausschließlich auf historischen Quellen wie Tagebüchern, Briefen oder Reden. Dokumentarische Sequenzen sollen dabei für Kontext sorgen. ZDF-Geschichtschef Stefan Brauburger betont die medienethische Verantwortung des Projekts: Transparenz über den Einsatz von Deepfake-Technologie werde mehrfach deutlich gemacht, etwa durch Hinweise im Vorspann, durch Quellenangaben und die Rückverwandlung der Figuren am Ende jeder Folge. Kritik an möglichen Täuschungsrisiken werde durch die sorgfältige Gestaltung und wissenschaftliche Begleitung abgefedert. Für kontroverse Figuren wie Hitler seien solche Formate ausgeschlossen. Bisherige Reaktionen seien positiv, vor allem auf YouTube, wo die ersten Episoden bereits veröffentlicht wurden. Eine zweite Staffel sei nicht ausgeschlossen, hänge aber von der weiteren Resonanz ab. (KNA)
Was für eine dumme Idee. Solche Sachen sind immer Anachronismen. Entweder werden sie zu pädagogischen Erklärungsschleudern, in denen Personen letztlich nur normale Erklärtexte in Monolog- oder vorgetäuschter Dialogform zum Besten geben (auf der Didacta gab es das mit einer Sprach-KI als "Telefonanruf in die Vergangenheit"), aber eine echte Umsetzung der Geisteswelten dieser Personen scheinen mir reichlich ausgeschlossen. Wie will man denn etwa mit Kanzler Bismarck als moderner Mensch einen Dialog führen? Ist ja jetzt nicht eben so als hätte der mal frei mit jedem von der Leber geredet, was ihn so bewegt. Und da kann das ZDF noch so viel von "wissenschaftlicher Begleitung" reden, solche Darstellungen (in Unterstufengeschichtsbüchern steht so Kram gerne als Dialog aufgeschrieben) sind maximal eine Simulation historischer Realität, sie sind immer Anachronismen und haben wenig mit der Geschichte zu tun.
2) Rammen oder zerfetzen – Bundeswehr wappnet sich gegen feindliche Drohnen
Die Bundeswehr steht zunehmend unter Druck, ihre Fähigkeiten zur Drohnenabwehr massiv auszubauen. Die wachsende Bedrohung durch unbemannte Fluggeräte, wie sie etwa in Russlands Krieg gegen die Ukraine sichtbar wird, veranlasst das Verteidigungsministerium zu einem Kurswechsel. Drohnenüberflüge über Bundeswehrstandorte und kritische Infrastrukturen häufen sich. Die Reaktion darauf sei bislang unzureichend gewesen: „Deutschland ist gegen die Bedrohung […] miserabel aufgestellt“, heißt es. Verteidigungsminister Pistorius fordert daher eine „massive Beschaffung“ von Abwehrsystemen wie Kamikazedrohnen, tragbaren Störsendern und dem mobilen Flugabwehrsystem Skyranger. Gleichzeitig werden schnelle Eingreiftrupps aufgestellt, um innerhalb von 72 Stunden auf Bedrohungen reagieren zu können. Auch rechtliche Hürden, etwa die begrenzten Einsatzmöglichkeiten der Bundeswehr im Inland, werden problematisiert. Politiker fordern, der Bundeswehr mehr Kompetenzen zur Verteidigung kritischer Infrastruktur zuzugestehen. Ein General spricht von einem „Wettlauf zwischen Fähigkeiten und Gegenmaßnahmen“. Die Abwehrtechnik müsse Schritt halten mit der rasanten Weiterentwicklung der Drohnentechnologie. Dabei werde klar: „Es gibt keinen hundertprozentigen Schutz“ – nur einen Wettlauf mit der Zeit. (Jörg Diehl/Matthias Gebauer/Marina Kormbaki/Paul-Anton Krüger/Marcel Rosenbach, Spiegel)
Zwei Gedanken hierzu. Der erste ist recht kurz. Angesichts des ukrainischen Drohnenangriffs auf Russland wäre ich ernsthaft überrascht, wenn die nicht schon Drohnen in Deutschland eingeschmuggelt hätten und wir nicht massiv verwundbar gegenüber Drohnenangriffen wären. Eine Drohnenattacke auf deutsche Infrastruktur ist quasi Krieg auf easy mode. Und das führt zum zweiten Punkt. Die politische Verantwortung dafür liegt vorrangig bei der SPD. Diese trug die ganze Zeit durch die relevante Zeit hindurch Regierungsverantwortung und hat nachhaltig jegliche Versuche, die Bundeswehr auf dem Gebiet auch nur mit einer einzigen Drohne auszustatten, blockiert. Die gebetsmühlenartige Forderung nach einer "Grundsatzdebatte" über bewaffnete Drohnen hatte den einzigen Zweck, dafür zu sorgen, dass es keine gab. Und jetzt haben wir den Salat. Was wir gerade mit Stegner und Co sehen, ist nicht eben dazu angetan, einen Lerneffekt zu attestieren. Die Partei ist außenpolitisch extrem problematisch, und ich frage mich manchmal, ob Merz sich nicht inzwischen wünscht, doch lieber eine Koalition mit den Grünen angestrebt zu haben. Die würden da weniger Probleme machen. Ok, ein dritter Gedanke: Zeitreisenden ins Jahr 1999 macht nichts davon auch nur den geringsten Sinn.
3) Deutschland muss grünes Wachstum schaffen
Deutschland gilt als führender Standort für grüne Technologien, doch laut dem Ökonomen Sander Tordoir droht die schwarz-rote Bundesregierung diese Position durch antiökologische Rhetorik und einen Deregulierungsdrang zu verspielen. Klimatechnologie-Exporte machen bereits rund vier Prozent des BIP aus – ein im internationalen Vergleich hoher Wert. Der Rückbau ökologischer Regelwerke wie des Lieferkettengesetzes könne diesen strategischen Sektor gefährden. Deutschland habe in Bereichen wie Windkraft, energieeffizienten Systemen und Komponenten für Kernzentrifugen einen Vorsprung, während man bei Solartechnologie und Batterien weiterhin hinter China liege. In der Elektromobilität besteht laut Tordoir noch die Chance, zur chinesischen Konkurrenz aufzuschließen – doch nur mit politischer Unterstützung. Der Autor warnt vor den Risiken chinesischer Überkapazitäten und fordert eine gezielte Industrie- und Handelspolitik zugunsten europäischer Produktion. Auch US-amerikanische Entwicklungen wie der „Inflation Reduction Act“ wirkten wettbewerbsverzerrend. Er plädiert für eine koordinierte europäische Subventionspolitik, vor allem im Automobilsektor, und fordert eine Lenkung öffentlicher Mittel in die heimische Klimatechnologieproduktion. Langfristig, so die Analyse, sei grünes Wachstum kein Hindernis, sondern eine Voraussetzung für wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit. (Sander Tordoir, ZEIT)
Dass Deutschland nicht grüne Industrien als Wachstumsmotor nutzt, liegt hauptsächlich an der ideologischen Weigerung vor allem der CDU. Teile der Partei wollen das ja nicht mal, wenn es Geld bringt, und lehnen es ideologischen Gründen ab. Dabei bieten grüne Technologien einen sinnigen Ausweg aus der strategischen Sackgasse der deutschen Volkswirtschaft. Die Verbrenner werden gehen, die Basis des Landes ist die Produktion und soll das bleiben, und man will nicht in eine Abhängigkeit von China rutschen. Aber das Fehlen einer ihren Namen verdienenden Wirtschaftspolitik, also einer, die überhaupt so etwas wie Ziele setzt und sich dann überlegt, wie sie diese erreichen kann - ob mit Steuererleichterungen oder Investitionen, Subventionen oder gezielter Forschung - fehlt vollständig. In keiner Partei gibt es das. Es ist ähnlich wie bei der Verteidigungspolitik ein "vor sich Hinregieren" mit dem Status Quo.
In Sachsen-Anhalt haben CDU und AfD beschlossen, dass Schulen dauerhaft mit der Deutschlandflagge beflaggt werden. Was als Zeichen nationaler Verbundenheit erscheinen mag, wird zunehmend als politisches Symbol einer rechten Agenda verstanden. Kritiker befürchten, dass Schulen so zur Bühne einer „nationalistischen Erziehungsagenda“ werden. Auch in Rheinland-Pfalz stellte die AfD ähnliche Forderungen – ergänzt um das regelmäßige Singen der Nationalhymne im Unterricht –, die von der CDU jedoch zurückgewiesen wurden. Obwohl die CDU 2019 selbst eine dauerhafte Beflaggung aller Schulen gefordert hatte, sucht sie nun einen Ausweg aus der von ihr mitgeschaffenen Symboldebatte. Der Philologenverband warnte schon früh, „unfreiwillige Komik“ könne entstehen, wenn patriotische Zeichen nicht von echter Bildungsqualität begleitet würden. Angesichts maroder Schulen erscheine die Maßnahme wie eine „realsatirische“ Ablenkung. Die Beflaggung ist laut Kritikern Teil einer gezielten Kulturkampfstrategie der AfD, der es nicht um Einigkeit, sondern um Spaltung gehe. Bildungsminister und Verbände fordern stattdessen Investitionen in Bildungsgerechtigkeit und demokratische Bildung. (News4Teachers)
Ich halte diese Debatte für ein komplettes Versagen der Progressiven. Das ist ein Thema, bei dem die AfD völlig zu Recht einen politischen Gewinner erkennt und die Symbolpolitik vorantreibt. Denn natürlich ist das Symbolpolitik, aber Symbole sind wichtig. Und es ist völlig beknackt von der progressiven Seite, die deutsche Fahne als Symbol der Spaltung zu sehen. Die leider verbreitete Ansicht, Schwarz-Rot-Gold repräsentiere irgendwie Rassismus und Nationalismus, ist einfach Blödsinn. Beflaggt die Schulen halt. Da spricht nichts dagegen. Es sind deutsche Schulen, und wir können auf unser Land stolz sein. Gerade weil es nicht das Deutschland der AfD ist. Man sollte die Symbole dieser Nation aggressiv für sich beanspruchen, anstatt sie in den Schmutz zu ziehen. Schon allein, weil die überwältigende Mehrheit da nie mitgehen wird. Wie kann man sich so am Nasenring durch die Manege ziehen lassen? Das ist unser Land, unser aller. Man muss dem AfD-Narrativ nicht nachgeben, dass es ihres sei.
5) Endlich wieder Wachstum in Sicht
Nach einer langen Phase wirtschaftlicher Stagnation gibt es laut ifo-Institut und anderen Forschern erstmals wieder positive Aussichten für die deutsche Wirtschaft. Für 2025 sei nur ein geringer Aufschwung zu erwarten, ab 2026 jedoch ein stärkeres Wachstum. Der Autor hebt hervor, dass die schwarz-rote Bundesregierung unter Friedrich Merz im Vergleich zur vorherigen Ampelkoalition erfolgreicher agiere. Das neue 500-Milliarden-Euro-Konjunkturpaket stärke die Nachfrage und fördere Investitionen, unterstützt durch niedrige Zinsen und neue steuerliche Abschreibungen. Auch die Aussicht auf künftige Steuersenkungen wirke stimulierend. Gleichzeitig gebe es jedoch strukturelle Herausforderungen, etwa in Bereichen wie Rente, Digitalisierung und Gesundheitswesen, die bisher nicht gelöst worden seien. Kritisiert wird insbesondere, dass die Schuldenbremse umgangen wurde, ohne entsprechende Reformen einzuleiten. Der Beitrag warnt davor, den durch staatliche Ausgaben erzeugten Optimismus als Ersatz für nachhaltige Strukturveränderungen zu sehen. Um langfristig wettbewerbsfähig zu bleiben, brauche es tiefgreifende politische Entscheidungen. Die entscheidende Weichenstellung stehe der Regierung noch bevor. (Jan Dams, Welt)
Ohja, es ist wieder Wachstum in Sicht, und ohja, die Merz-Regierung macht wesentlich bessere Wirtschaftspolitik als die Ampel. Nur bleibt der Elefant im Raum weiter ungenannt: die Grundvoraussetzung dafür ist das Geld. Wir hätten das Wachstum und die Aussicht auf strukturelle Verbesserungen auch viel früher haben können, wenn wir die dämliche Schuldenbremse nicht hätten. Wären die 500 Milliarden für Bundeswehr und Infrastruktur 2014 ausgegeben worden, dann stünde Deutschland heute wesentlich besser da. Und that's about it. Da waltet keine unternehmerische Vernunft durch Merzens Blackrock-Vergangenheit, da schlägt nicht der bürgerliche Sachverstand durch, da wirkt keine Wirtschaftskompetenz des Mittelstands. Da wirken massive Multiplikatoren in Fiskalpolitik. Dass an vielen Stellen genau die Politik betrieben wird, die unter anderem die Grünen jahrelang gefordert haben und gegen die sich die CDU mit Händen und Füßen gewehrt hat, um jetzt die Meriten einzustreichen, ist typisch für die Verlogenheit dieser ganzen Debatte.
Resterampe
a) Gratulation, allerseits, die Verfassungsschutzzahlen sind so erfolgreich politisiert, dass sie völlig nichtssagend geworden sind. (Volksverpetzer)
b) Jetzt hat auch noch Merz einen Plagiatsvorwurf am Hals. (Berliner Zeitung) Jeez, ich hab so keine Lust mehr.
c) Absolutes Gesocks. (Twitter)
d) Die Integration gelingt. (Twitter)
e) Handcuffing a U.S. Senator Is a Warning (The Atlantic) Jupp, konstante Eskalation.
f) Schüler filmen sich mit rassistischer Geste in Auschwitz, Schule ignoriert das (News4Teachers) Wird das jetzt ein neuer Trend, nationale Schlagzeilen mit solchen Vorkommnissen, die es immer schon gab und die in den pädagogischen Rahmen der Schule gehören, zu machen? Hört damit auf, und zwar fix.
g) Deutscher Lehrkräftepreis: „Guter Unterricht ist möglich – auch unter schwierigen Bedingungen!“ Schulleiterin Andrea Franke im Interview (News4Teachers) Das ist nicht die aufmunternde Botschaft, die ihr wollt. Klar ist das möglich. Es gibt immer Leute, die auch unter schwierigen Bedingungen Erfolg haben. Aber es ist die Aufgabe von Führungspersonal, die Bedingungen zu erleichtern. Nicht, Blut-Schweiß-und-Tränen-Reden zu halten. Ob auf Schulleitungs- oder Kultusministeriumsebene.
h) Why Israel Struck Now (The Atlantic)
i) Jens Spahn und die Corona-Masken: Warum der CDU-Mann dem Ansehen der Politik schadet (Spiegel). Spahn profitiert davon, dass von der CDU eh alle erwarten, dass sie korrupt ist. Kein großes Thema, wird ihm auch nicht weiter schaden. Siehe auch Welt. Und gleich noch einer.
j) Trump’s Deportation Frenzy Echoes the Fugitive Slave Hunts of the 1850s (Washington Monthly). Ja, und könnte auch dieselben innenpolitischen Effekte haben.
k) Sehr richtiger Kommentar zu den Grünen. (Spiegel)
Fertiggestellt am 14.06.2025
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