Vielleicht habt ihr euch ein wenig gewundert, als ihr den Titel dieses Beitrags gelesen habt. Zwinker-Smiley warum sollte jemand diesem Thema einen Text widmen? Und warum Dilemma?  Kürzlich habe ich festgestellt, dass dieses kleine Symbol ganze  Kontroversen auslöst.
Die  vermutlich größte Herausforderung dabei: Den meisten Menschen ist  dieser Umstand gar nicht bekannt. Wenn zwei Gesprächspartnern nicht  bewusst ist, dass das Gegenüber eine komplett andere Auffassung hat, was  die Bedeutung des Zwinker-Smileys betrifft, sind Komplikationen  vorprogrammiert. In der folgenden Anekdote habe ich meine Beobachtungen  hierzu zusammengefasst.

Digital Native oder nicht Digital Native ist hier die Frage

Als Kind der 80er Jahre zähle ich nicht zu den Digital Natives. Mein erstes Handy hielt ich mit 14 Jahren in den Händen. Ein Alcatel One Touch Easy:  blauer Body mit silberfarbener Applikation, 10 SMS mit begrenzter  Zeichenzahl. An ein Farb-Display war noch nicht zu denken, geschweige  denn an eine Anbindung ans Internet.
Mein  erstes „Smartphone“ verdiente seinen Namen eigentlich nicht. Die  Zugriffsmöglichkeiten waren stark eingeschränkt, aber ich war dennoch  unglaublich stolz darauf. Als Studentin – oder besser gesagt als "Ersti"  – musste ich mich nicht jedes Mal vor dem Computerraum der Uni  anstellen, um einen der begehrten Plätze an den Röhrenmonitoren zu  ergattern.
Die digitale Kommunikation  verlief nun schon etwas entspannter: Die Zahl der SMS, die man auf dem  Handy beziehungsweise „Smartphone“ speichern konnte, war nicht mehr auf  zehn beschränkt. Das machte spontane Verabredungen und Absprachen mit  Freunden und Kommilitonen sowie das Senden kurzer Statusmeldungen an die  Familie wesentlich einfacher.

Smileys – der Wunsch nach einer persönlicheren Ebene im Text

Generell  lieg die digitale Kommunikation äußerst pragmatisch ab. Nicht ohne  Grund nannte man die Nachrichten Short Messages (zur Erinnerung: SMS   bedeutet Short Message Service) beziehungsweise Kurznachrichten. Um den  Nachrichten eine persönliche Note zu verleihen, fanden alsbald Smileys  ihren Weg in die Texte.
Auf eine sehr  simple Weise wurde eine vermeintliche Distanz zum Adressaten überbrückt –  Sender-Empfänger-Prinzip, wer sich mit Watzlawick beschäftigt hat. Aus  Satzzeichen wurden Gesichter, die Emotionen ausdrücken sollten.  Unfassbar: Mit nur vier Zeichen – nämlich den beiden Klammern, einem  Doppelpunkt und dem Semikolon – konnten wir freudige, traurige oder  enttäuschte Gesichter darstellen. Die vierte Variante, ein Gesicht, das  neckisch ein Auge zudrückt, zählte zu den beliebtesten Smileys überhaupt  – das Zwinker-Smiley.
Ich mag das  Zwinker-Smiley. Meinem Verständnis macht es Kurznachrichten nahbar und  sorgt für Vertraulichkeit. Denn ein Zwinkern suggeriert, dass man etwas  scherzhaft, wenn nicht sogar ironisch meint. Also eine Art der  Kommunikation, die einladend wirken soll und eine gewisse  Ungezwungenheit in das Gesagte beziehungsweise Geschriebene bringt. So  funktioniert das Zwinkern auch rein analog – nämlich im Kontext Mimik.

Perspektivwechsel?! Der gute und der böse Zwinker-Smiley

Um  ehrlich zu sein, nutze ich diesen kleinen, freundlich drein guckenden  Kommunikationshelfer daher zugegebenermaßen recht häufig. Umso  überraschter war ich, als ich vor einigen Wochen über ein mir bislang  unbekanntes Phänomen gestolpert bin: Ein Kollege meines Partners hat  sich im Video-Chat darüber aufgeregt, dass ihm jemand ein Zwinker-Smiley  geschickt hat. Der Grund für seinen Unmut: Er empfand das Zwinkern als  belehrend, „von oben herab“.
Kurz  darauf las ich bei Twitter eine ähnliche Aussage: Eine junge Fachkraft  beschwerte sich über die Aussage eines Vorgesetzten und setzte diese in  den Kontext Mansplaining – besagter Vorgesetzte erklärte ihr, wie sie  ihren Job zu machen habe. „Um das Ganze noch zu toppen, fehlte da nur  noch dieser überhebliche Zwinker-Smiley“, so der letzte Satz ihres  Postings.
Ich war völlig überrascht  und ging der Sache nach. Tatsächlich bin ich froh, dass ich auf dieses  Phänomen gestoßen bin, da ich mir ansonsten vermutlich nie Gedanken über  die Verwendung des Smiley gemacht hätte.

Großes Missverständnis – manchmal mit Folgen

Nachdem  ich mit einigen Freunden und Bekannten über das Thema sprach, bin ich  zu einem – nicht wirklich validen – Ergebnis gekommen: Offenbar  existiert eine Art Generationen-Konflikt in der digitalen Kommunikation.  Ich nenne dieses Phänomen "das Zwinker-Smiley-Dilemma", weil es genau  das meiner Meinung nach ausdrückt.
Für  Personen, die die Anfänge der digitalen Kommunikation und die großen  Veränderungen in den vergangenen Jahren miterlebt haben, scheint der  Zwinker-Smiley genau das auszudrücken, was er auch im realen Leben  ausdrückt: Eine mimische Geste der Vertrautheit, die einen Text  schlichtweg auflockern soll.
Für viele  Menschen unter 30 (so ausschließlich meine persönliche Beobachtung, die  keinesfalls die Realität abbilden muss) bedeutet der kleine Zeitgenosse  aber genau das Gegenteil: „Hier möchte mir jemand sagen, dass er etwas  besser weiß und stellt sich über mich.“
Ein  fatales Missverständnis also, das eine funktionierende Kommunikation  augenblicklich sprengen und – so eine Anekdote eines Bekannten – sogar  zu verhärteten Fronten führen kann, wenn kein klärendes Gespräch gesucht  wird.

Digitale Kommunikation ist individueller als gedacht

Ich  bin mir noch nicht sicher, wie ich mit dieser Erkenntnis umgehen soll.  Aber ich nutze den Zwinker-Smiley seither wesentlich seltener.  Zugegebenermaßen bin ich aber immer etwas erleichtert, wenn mir Menschen  in meinem Alter oder älter eine Nachricht schicken, in denen der  Zwinker-Smiley genau so verwendet wird, wie ich ihn kenne und ebenfalls  nutze – genau an dieser Stelle würde übrigens ein digitales Zwinkern  perfekt hinpassen.
Allen, die digital  kommunizieren, möchte ich ans Herz legen: Informiert euch bei neuen  Emoticons und Smiley-Varianten, welche Bedeutung dem Symbol tatsächlich  zugedacht ist. Denn der Smiley mit den beiden aufgerichteten Händen  beispielsweise stellt keinen Ausdruck der Freude dar, sondern steht  stellvertretend für eine Umarmung.
Und  eine dringende Bitte an alle, die sich durch ein Zwinker-Smiley belehrt  fühlen: Fragt im Zweifelsfall einfach mal beim Gegenüber nach. So  manches Missverständnis kann vermieden oder aus der Welt geschafft  werden, wenn man einfach mal drüber „redet“. Denn in den meisten Fällen  dürfte das Zwinker-Smiley tatsächlich weitaus netter und positiver  gemeint sein als vielleicht gedacht.


Bildmaterial: Foto von Polina Zimmerman von Pexels

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