Cellulite gehört ins Dunkel einer langen Hose! Übermäßige Körperauswuchtungen gehören nicht in Tigermusterleggins. Hautenge Tops zieht man nicht über einen prallgefüllten Bierbauch.
Je besser man gebaut ist, desto ungünstiger sind Radlerhosen, wegen der Erregung öffentlichen Ärgernisses oder einer Neiddebatte. Hawaiihemden gehören nach Hawaii.
Bauchfrei sollte man nur herumlaufen, wenn man auch bauchfrei ist.
Burkaverbot sollte in Extremfällen nicht nur erlaubt, sondern verpflichtend sein. Pärchen in Pärchenkleidung sollten sich schleunigst, für das Allgemeinwohl, scheiden lassen.
Aus kleinen Jungen, die man in Rosa packt, könnten später einmal große Mädchen werden.
Diese und andere Szenarien verfolgen mich in meinen Träumen. Zu oft sind mir schon solche Auswüchse modischer Entgleisungen begegnet. Hauptsächlich in den Sommermonaten gehe ich nur sehr ungern noch aus dem Haus, denn da wird nach Fleischeslust alles freigelegt, was dringend verhüllt gehört. Doch leider hat jeder die Freiheit sich zum Affen zu machen, weil in den Genfer Konventionen kein Passus enthalten ist, der dem Einhalt gebietet. Ein Versäumnis der Staatenlenker dieser Welt. Und was tut unsere Regierung? Nichts!
Weil eben auch die größten Modesünder potenzielle Wähler sind, werden sie verschont und nicht mit dringend notwendigen Bußgeldern belegt. Gerade von den Konservativen müsste doch ein Aufschrei ausgehen! Aber auch die ducken sich weg, wenn es darum geht unser Land voranzubringen. Sie kuschen vor weißen Socken in Sandalen, genauso wie vor neonfarbenen Toptanks der über Siebzigjährigen. Grüne und Liberale befördern auch noch solche Exzesse, die in den Altkleidercontainer der Geschichte gehören. Und was tut die Sozialdemokratie? Sie beweint sich selbst, weil ihr der traditionelle Arbeiter im Overall verlustig gegangen ist. Schon ein Blick ins Parlament zeigt doch die ganze Tristesse. Graue Anzüge, graue Kostüme und so sind auch die Reden, die sie halten. Von dieser Seite ist mit keinem Gesetzentwurf, keinem drakonischen Bußgeldkatalog, keinem eindringlichen Appell des Kabinetts zu rechnen.
Und gerade jetzt, in der verzweifelten und sich verschärfenden Textilnotlage, da fehlt es an aufrüttelnden und mahnenden Worten. Hat man an der Neujahrsansprache dazu etwas vom Bundeskanzleramt gehört? Wo bleibt die Besorgnis über den Zerfall unserer Wertegemeinschaft? Was hat denn der Bundespräsident für Worte dazu gefunden, als er sich eindringlich an das Volk gewendet hat? Nichts! Es ist ein Skandal sondergleichen. Sitzt da, in seinem Schloss Bellevue und wünscht allen Bürgern nur ein frohes Neues Jahr! Allen Bürgern, also auch mir! Doch wie soll ich mich auf ein schönes neues Jahr freuen, wenn der Frühling vor der Tür steht. Der Frühling, der in unverantwortlicher weise die Temperaturen anschwellen lässt und die Bauchfreiheit wieder provoziert. All der angefressene Winterspeck, die Gänsekeulen, der Schweinebraten, die dicken fetten Soßen, millionen von Chipstüten, treten bei den ersten Sonnenstrahlen, ungehemmt und ungestraft, ans Tageslicht und damit an die unvorbereitete Öffentlichkeit.
Und wer schützt uns, die Modebewussten, die Ästheten, die Körperfettverhüller? Niemand! Wir verfallen kollektiv in tiefe Depressionen, weil wir ungehört bleiben. Wir werden zusehends krank und leiden an Ausschlag, am Kopfschüttelsyndrom, ja sogar an einer sehr extremen Form von bösartigem Augenkrebs.
In dieser schwersten Stunde werden die Rufe lauter nach einer starken Hand, nach einer Instanz, die uns aus diesem Sumpf der Geschmacklosigkeiten wieder herauszieht. Aber alle diejenigen, die diesem unheilvollen Trend, der wie eine Tsunamiwelle über uns hereinbricht, abwenden könnten, sind längst von uns gegangen und sitzen nun, gemeinschaftlich in stilsicherem Weiß gehüllt, auf einer Wolke und sehen angewidert auf Erden, wo Erschreckendes allerorten zu beobachten ist.
Wo ist Lagerfeld, wo Coco Chanell und wo ist Christian Dior? In die Büsche geschlagen haben sie sich, weil auch ihnen es nicht möglich war, diesem modischen Fiasko einhalt zu gebieten.
Ich fühle mich von ihnen im Stich gelassen. Verlassen und einsam, umgeben von unseligen modischen Experimenten!
„Grün und blau schmückt die Sau!“, galt über Jahrhunderte als eiserne Regel. Gegen diese zu verstoßen und man wurde zurecht der Lächerlichkeit ausgesetzt. Heute werden diese ehernen Werte, unserer Eltern und Großeltern, mit Füßen getreten. Solche Farbkombinationen gehören heute zum Straßenbild. Ungestraft!
Jedes falsch abgestellte Auto wird abgeschleppt, jeder modebewusste Bankräuber festgesetzt, selbst farblich abgestimmte Fußballhooligans, werden in Gewahrsam genommen, wenn sie sich mit gegnerischen Modeikonen zum freundschaftlichen Raufen treffen. Aber pinke Ganzkörperanzüge dürfen unbehelligt die Gesellschaft unterminieren. Kein Strafmandat, keine Einzelhaft, keine Androhung auf Abschiebung oder das Aussetzen auf hoher See, haben diese Kretins formvollendeter Kleidung zu befürchten. Und das ist der eigentliche Skandal.
Seit Jahren fordere ich nun schon eine gesellschaftliche Debatte, diesen ausufernden Fehlentwicklung, die auch unsere Kinder bedroht, auszumerzen. Doch mein Schrei nach Hilfe bleibt ungehört. Immer drängender wird mein Wunsch, mir selbst die Augen mit einer Kuchengabel durchzustechen. Ich sehe keinen anderen Ausweg mehr, wenn, ja wenn die Gesellschaft nicht lernt, radikal umzudenken. Aber noch habe ich einen Funken der Hoffnung, nicht zum Äußersten gehen zu müssen, da es ja auch für mich sichtbare Nachteile mit sich bringt.
Doch nun droht eine weitere dunkle Wolke auf uns zuzukommen, die eine zusätzliche optische Bedrohung mit sich führt. Influencer, die Pest des 21. Jahrhunderts! Arbeitsscheues Gesindel, dessen Lebensberechtigung nicht erwiesen ist, dringen in die Köpfe unserer Jugend ein und infiltrieren sie.
Früher wollte ein anständig erzogener Junge noch Lokomotivführer, Feuerwehrmann oder Pilot werden. Und bei den Mädchen sah es ähnlich aus. Sie wollten Kindergärtnerin, Lehrerin oder wenigstens Hausfrau werden. Heute wollen alle nur noch Influencer werden, weil man das auch ohne Schulabschluss werden kann, ohne lästige Lehrzeit und ohne Prüfungen, die einen dazu befähigen. Und diese Geschöpfe des Teufels sind natürlich alles andere als natürlich! Sie leben nur von ihrer äußeren Hülle, die die Hohlheit ihres Inneren kaschiert. Und unsere Jugend wird davon infiziert. Nicht die Schulbildung ist wichtig mehr, sondern Titten und Arsch. Je größer der Busen, desto mehr Follower. Und wer dem Idealbild nicht entspricht, da wird dann nachgeholfen. Aus Brüstchen werden Brüste, werden Heißluftballons. Aus Lieschen Müller wird, dank plastischer Chirurgie, Liz Double D. aus dem niedlichen braunen Lockenkopf, eine strohblonde Langmähne. Bauchstraffung, Nasenkorrektur, aufgespritzte Lippen und Wangenknochenimplantate gehören zum guten Ton. Um vorne nicht umzufallen, wird als Gegengewicht der Hintern aufgepolstert. Nicht einmal die eigene Mutter kann sie wiedererkennen. Geld verdienen sie, indem sie sich posten. Beim Essen, beim Schlafen, beim Essen, beim auf dem Klo sitzen, beim Essen, unter der Dusche, beim Essen. Und das Tag für Tag! Und nur noch blöder als sie selbst, sind die Leute, die ihnen folgen und sie anhimmeln. Ohne irgendetwas zu können werden sie von der Presse hofiert und als Stars gefeiert. Kein roter Teppich, über den sie nicht laufen dürfen, keine Fernsehsendung, die ohne sie auskommt.
Trashfernsehen, inzwischen auf allen Kanälen, wo sich diese Pseudostars so zeigen, wie sie sind. Und das ist das Schlimmste daran. Völlig zurecht übersetzt man Trash mit müll!
Nichts beschreibt es besser!
Und wenn man sich diese Entwicklung so ansieht, dann entspricht es ungefähr der biblischen Heuschreckenplage.
Die letzte Sintflut ist ja doch schon eine Weile her und ich denke, es wird Zeit für eine neue.
Na ja, Träumen wird man ja wohl noch dürfen!

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