Der Bart ist ab!

Bart oder nicht Bart, das ist hier die Frage!
Frauen mögen Bärte an Männern.
Umgekehrt ist es eher selten der Fall.
Weshalb man auch kaum Frauen mit Bart trifft.
Ein Bart verändert den Mann. Aus einem Milchbubi wird plötzlich ein Kerl, nur weil er sich seine Gesichtshaare sprießen lässt.

Männer wetten auch gerne um ihre Barthaare.
„Ich rasiere mich erst wieder, wenn ich eine feste Freundin habe!“
Solche Aussagen, die höchst gefährlich sein können, hört man immer wieder. Manch einem ist das schon zum Verhängnis geworden. Sie haben sich das Genick gebrochen, weil sie über ihren Bart gestolpert sind.
Ganze Fußballmannschaften, die sich kollektiv in den Umkleidekabinen versprochen haben, sich bis zum nächsten sieg den Bart wachsen zu lassen, haben nicht bedacht, welche Fluchtbewegungen bei ihren Spielerfrauen dadurch in Gang gesetzt wurde. Sie wurden von ihnen verlassen und stiegen auch noch ab.
Doch nichts konnte sie davon abhalten, ihrem Männerschwur untreu zu werden. Untreue zwischen Männern gibt es nicht, nur zwischen Mann und Frau!
Manche Frauen zwingen ihre Freunde, den Bart abzunehmen, weil er während erotischen Exzessen kratzen würde.
Charakterlich labile Männer tun dann, was Frau missfällt. Doch wenn dann ein haarloses Mondgesicht zum Vorschein kommt, ist der Frau das Erschrecken im Gesicht deutlich anzusehen.
Häufig ist dann die Erotik auch dahin! Denn nicht immer verbirgt sich hinter einem schönen Bart auch ein schöner Mann.
Männer, die aus einer Laune heraus, plötzlich sich, nach Jahren der Bebartung, nackt im Gesicht zeigen, was nicht gleichzusetzen mit Exhibitionismus ist und so auch noch nicht strafbar ist, werden von der eigenen Mutter nicht erkannt und vor der Tür abgewiesen.

Ich möchte, anhand eines realen Beispiels, die Fehleinschätzung eines Mannes erwähnen, der mir persönlich bekannt ist. Es handelt sich hierbei um einen Spanier, dessen Name hier nicht genannt werden soll.
Nennen wir ihn einfach Miguel Pablo de Santos Córdoba Velázquez! Freunde nennen ihn einfach Jupp. Natürlich könnte ich ihm auch den Namen Ortwin oder Ruben geben, doch würde ein stolzer Spanier, sich so etwas niemals gefallen lassen. Wo immer er einen Raum betritt, liegt ein „Ole!“, in der Luft. Er sagt es zwar nicht, aber er hat die Ausstrahlung, als würde er es tun. Sein Aussehen, unverwechselbar Spanisch. Feurige blitzende Augen, ein zum dahinschmelzender Akzent, schwarze lange lockige rassige Haare und einen Zorro Bart. Ein Mann, der gerade einem Mantel und Degenfilm entsprungen sein könnte.
Eben ein Mann zum Dahinschmelzen! Ein andalusischer Hengst, dem sich sämtliche Frauen und so mancher Mann, willenlos hingeben würden!
Scharf wie eine Chorizo! Schmackhaft und wohlduftend wie eine frisch zubereitete Paella. Berauschend wie ein Glas samtweicher Rioja. Oder um es ganz prosaisch auszudrücken, ein nie enden wollender Orgasmus auf zwei Beinen.

Doch eines Tages trat ein, was niemals hätte geschehen dürfen. Es war, als ob eine Supernova auf die Erde stürzen würde.
Voller Schrecken denke ich noch heute an jenen unheilvollen Tag zurück, der mich im Glauben tief erschütterte. Es war einer dieser schwarzgrauen Vormittage, die im nasskalten Dauerregen, einem jeden Spaß nahmen, vor die Tür zu gehen. Alleine schon das Bett zu verlassen, ein Kampf gegen den inneren Schweinehund, den ich schlussendlich doch noch gewann. Die Aussicht auf den leckersten Kaffee in meinem Lieblingscafé, ließ mich den trüben Tag vergessenmachen. Nichtsahnend, dass dieser Tag noch eine sehr unangenehme Überraschung für mich bereithalten würde. Ich bin zwar daran gewöhnt, dass das Leben es nicht gerade gut mit mir meint, doch war es ihm noch niemals gelungen, mich vollkommen aus der Bahn zu werfen. Doch heute sollte sich seine Anstrengung diesbezüglich, endlich auszahlen. Bis heute habe ich noch nicht begriffen, was mein Leben gegen mich hat. Was habe ich ihm denn getan, dass ich so sehr unter ihm leiden muss? Wie gesagt, ich saß da, genoss meinen milchschaumigen Kaffee und ahnte nicht, was gleich geschehen würde, als plötzlich die Tür aufging. An sich nichts Besonderes und wäre auch kaum der Rede wert, denn es geschieht millionenfach jeden Tag in Deutschland, dass jemand ein Café betritt. Soweit also ganz normal. Doch was da eintrat, erkannte ich erst auf den dritten Blick! Und jeder der Blicke war von großer Qual geprägt. Irgendetwas an diesem Menschen, wenn ich ihn denn so bezeichnen möchte, erinnerte mich entfernt an: Miguel Pablo de Santos Córdoba Velázquez! Äußerlich betrachtet war diese Annahme eigentlich ausgeschlossen, doch die Stimme, die sich grüßend im Café ausbreitete, kam mir verdächtig bekannt vor. Nur anhand des südländischen Akzents erkannte ich ihn, doch hatte er plötzlich nicht mehr den Charme früherer Tage, den ich so sehr schätzte. Doch ich musste der Wahrheit ins schmerzende Auge sehen. Das, was da vor mir stand und freudestrahlend begrüßte, war das, was von Miguel Pablo de Santos Córdoba Velázquez übriggeblieben war. Ich versank in einem Tränenmeer und drohte darin unterzugehen. Kaum fähig zu einem Wort, schrie ich meine Verzweiflung hinaus in die Welt: „Warum? Was habe ich dir denn getan?“
Er sah mich unschuldig an – so unschuldig, wie ein noch unschuldiges Mädchen, was zu recht noch nicht ihre Unschuld verloren hat und wenn kein Wunder geschieht, sie auch für immer behalten wird!
Er ahnte nicht im geringsten, was er sich, mir und jedem Menschen, der ein ästhetische Empfinden hat, angetan hat. Mit nacktem Gesicht und abgeschnittenen Haaren stand er da und sah in mein fassungsloses und verheultes Antlitz.
„Ist jemand gestorben?“, fragte er in seinem unnachahmlichen Akzent, der nun seine Wirkung verloren hatte.
„Ja!“, schluchzte ich.
„Wer denn?“
„Mein Lieblingsspanier! Getötet auf dem Scheiterhaufen von irgendeinem billigen Coiffeur! Eine Schande seiner Zunft! Das ist ein Verbrechen an der Menschheit.“
Mein Wehklagen steuerte nun seinem Höhepunkt entgegen.
„Du siehst aus wie ein Mädchen!“, schrie ich ihn an und mein Blutzuckerspiegel sank hinab, auf einen noch nie da gewesenen Tiefststand, der wohlwollend in einem Koma endete. Es war das Beste, was mir, angesichts dieses Anblicks, passieren konnte. Tagelang kämpften Ärzte um mich und schließlich gelang es ihnen, mich zurück ins Leben zu befördern. Doch war das noch ein Leben? Nein! Es war ein Leben ohne Sinn! Konnte ich dieses Trauma jemals verarbeiten? Psychologen taten ihr Möglichstes! Doch auch ihr Wissen hatte seine Grenzen. Manche gaben sogar ihre Approbation zurück, weil sie nicht mehr an ihre Fähigkeiten glaubten. Doch langsam kämpfte ich mich zurück ins Leben, gegen meinen erklärten Willen. Nach Wochen der Rekonvaleszenz traute ich mich wieder in das Café, dem Schauplatz, der so viel Leid in die Welt getragen hatte. Zitternd und von zwei polnischen Pflegerinnen gestützt, betrat ich ängstlich den Gastraum.
Man, beziehungsweise Frau, setzte mich in meinen Lieblingssessel, in dem ich schon so viele wundervolle Stunden verbracht hatte.
Liebevoll führten sie die Schnabeltasse, des besten Kaffees der Stadt, zum Mund und ich genoss Schluck für Schluck. Langsam kehrten meine Lebensgeister wieder. Und dann geschah das unfassbare Wunder! Es ist in einer Reihe, mit der Weihnachtsgeschichte, der ersten Mondlandung und der Einführung des Farbfernsehens, zu nennen. Die Tür ging auf und er trat herein. Miguel Pablo de Santos Córdoba Velázquez! Die Haare waren nachgewachsen und der Zorro Bart zierte wieder sein Gesicht. Ich ging vor ihm in die Knie und huldigte ihm. Er hatte mir mein Leben zurückgegeben.
„Miguel Pablo de Santos Córdoba Velázquez! Du hast mir meinen Lebenswillen wiedergegeben. Ich danke dir!“
Dann sank auch er vor mir auf die Knie und wir umarmten uns innig.
„Hatte ohne Bart keinen Erfolg bei Frauen!“, gab er freimütig zu und jetzt passte auch wieder der Akzent zum Gesicht.
España Olé!

Dir gefällt, was Rolf Bidinger schreibt?

Dann unterstütze Rolf Bidinger jetzt direkt: