1989 kickte der FC Schalke 04 schon einmal in der zweiten Liga. Unter anderem musste man auch beim SV Meppen ran. Das dortige Hindenburgstadion, das heute natürlich anders heißt, fasste 15.000 Zuschauer, die fast alle schalker Königsblau trugen und das vermeintliche Auswärtsspiel in ein Heimspiel verwandelten. Ähnliches ist jetzt dem großen FC Barcelona widerfahren. Als Eintracht Frankfurt zum Auswärtsspiel der Europa League im Camp Nou antrat, waren 30.000 Eintracht-Fans im Stadion, obwohl nur 5.000 Gästekarten kontigentiert waren.

Seitdem sie dem FC Bayern München im Pokalfinale 2018 das Double versaute, hat die SGE sich vom einstigen Chaos- und Kiezgrößenverein (den Job hat inzwischen Hertha BSC übernommen) zum echten Sympathieträger gemausert. (Gut, deren Stadion heißt offiziell ‚Deutsche Bank Park‘, aber da sollte man sich als Anhänger eines Vereins, der in einem ‚Signal Iduna Park‘ zu spielen die Bürde hat, besser zurückhalten.) Für solche Abende wie den vorgestrigen wurde der Fußball einst erfunden. Als Underdog, angefeuert von frenetischen Fans, denen kein weg zu weit ist, dem großen Meister Barca a’la David gegen Goliath ein Bein stellen und dabei alle Statistiken, Wettquoten und Geldsummen Lügen strafen.

Faire Sportsleute erkennt man bekanntlich daran, dass sie im Fall einer Niederlage auch die Begleitumstände gründlich analysieren: den blinden Schiedsrichter (der freundlicherweise über zehn Minuten nachspielen ließ, beide Tore für Barcelona fielen in der Nachspielzeit, aber irgendwann ist halt mal Feierabend), die lauten gegnerischen Fans, den entsetzlich grünen Kartoffelacker von Rasen, dass man gegen die tief stehende Sonne und gegen den Wind spielen musste, dass die betagte Rauhaardackeldame der Omma des dritten Zeugwarts vorgestern verstorben ist, was die Jungs emotional so mitgenommen hat, dass sie ihre Leistung nicht recht abrufen konnten, weswegen das Spiel eigentlich hätte verlegt werden müssen etc.

Am Tag danach jedenfalls schien man bei der katalanischen Vereinsführung über die Entweihung der Heiligen Hallen durch marodierende hessische Horden fast noch konsternierter zu sein als über das Ausscheiden gegen den aktuell Neunten einer inferioren Barbarenliga aus dem hohen Norden. Manche brachen für die Erkenntnis, dass der FC Barcelona eben doch nicht mes que un club ist, sondern am Ende des Tages auch bloß ein Fußballverein, offenbar etwas länger.

Fragt sich natürlich, wie die ganzen SGE-Fans ins Stadion kommen konnten. Man munkelt, viele seien über Dauerkartenbesitzer an ihre Tickets gekommen, die einen Stadionbesuch für nicht nötig gehalten und Karten übers Netz verkauft hatten. Auch das bevorstehende lange Osterwochenende hat wohl etliche Werktätige unter den Fans flexibler gemacht. Vor allem aber waren die Tickets lediglich kontigentiert, aber nicht personalisiert. Normalerweise sind sie das bei internationalen Wettbewerben, das hat seinen Ursprung in der Tragödie im Brüsseler Heysel-Stadion 1985.

So erfreulich man den Coup der Frankfurter Fans finden kann, so sympathisch die altmodische Kartenvergabe des FC Barcelona sich ausnehmen mag, man sollte vielleicht auch ein wenig erleichtert sein, dass es nicht die Hooliganszene war, die sich da in großem Stil organisiert hat.





Freut mich auch für die SGE, die in den letzten Jahren ihr Image als Luden- und Boxbudenclub erfolgreich ablegen konnte.

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