Zwischen den USA und Australien ist ein Streit um Australiens Wappentier – das Känguru – entbrannt. Eine neue Gesetzesvorlage in den USA will den Import von Känguru-Produkten stoppen. Vor allem für die indigene Bevölkerung Australiens wäre dies ein herber Schlag.

Die amerikanische Kampagne arbeitet mit Emotionen. Ein etwa einminütiger Film „spult“ zurück, wie für den Fußballschuh ein Känguru brutalst getötet wird. „Kängurus sind keine Schuhe“ heißt es auf der gleichnamigen Webseite dazu. Zwei Millionen Kängurus würden jedes Jahr abgeschlachtet werden, das Ganze sei „zehnmal“ größer und weitaus „blutiger“ als das „berüchtigte Robbenschlachten Kanadas“. Kängurus seien „geliebte australische Ikonen“ und Amerikaner würden doch auch ihre Weißkopfseeadler schützen, Neuseeländer ihre Kiwi-Vögel und Chinesen ihre Riesenpandas.

Es ist starker Tobak, den man sich auf dieser Webseite durchliest. Die Zahlen sind korrekt – tatsächlich ist die Quote der Kängurus, die jährlich zum Abschuss freigegeben werden, so hoch. Doch was die US-Kampagne, die von Hollywood-Stars wie Ricky Gervais unterstützt wird, nicht erwähnt, ist, dass die betroffenen Kängurus anders als Kiwis und Pandas beispielsweise keine seltenen Tiere sind. Vielmehr schwankt die Gesamtzahl der Beutler je nach Wetterbedingungen zwischen 40 und 50 Millionen. Dennis King, der Vorstandsvorsitzende der Kangaroo Industries Association of Australia, sagte dem Guardian, seine Organisation würde „das US-Importverbot sogar unterstützen“, wenn das Gesetz nur für bedrohte Känguruarten gelten würde. Die vier Hauptarten seien jedoch keinesfalls gefährdet.

Känguruleder: Weich und strapazierfähig

Der derzeitige Sturm in den USA braut sich seit längerem zusammen. Vor allem in Kalifornien sind Känguru-Produkte seit Jahren ein sensibles Thema. Bereits 2007 hat der dortige Oberste Gerichtshof dem Sportartikelhersteller Adidas den Verkauf von Fußballschuhen aus Känguruleder untersagt. Der Import von Produkten ist in dem US-Bundesstaat seit 2015 verboten.

60.000 haben inzwischen eine Petition unterschrieben, die dafür plädiert, das Importverbot auf alle 50 Bundesstaaten auszudehnen. Die US-Kongressabgeordneten Salud Carbajal und Brian Fitzpatrick haben passend dazu den sogenannten „Kangaroo Protection Act“ vor dem US-Kongress vorgestellt, der – falls er Gesetz wird – den Import von jedweden Känguru-Produkten – Fleisch wie auch Leder – in die USA stoppen würde. Die Gesetzesvorlage zielt vor allem darauf ab, den Handel mit Känguru-Häuten einzudämmen, das Sportartikelhersteller gerne für die Produktion von Fußballschuhen verwenden, da das Leder weich und strapazierfähig ist.

Foto von Braden Hopkins / Unsplash

Tierschützer rebellieren

Die Argumente der Tierschützer sind, dass Kängurus auf grausame Art und Weise verenden, falls der Schuss des Jägers den Beutler nicht gleich tötet oder falls es ein weibliches Tier mit einem Joey im Bauch trifft. Auch in Australien gibt es eine Fraktion, die deswegen einen Bann unterstützt. So schreibt Mark Pearson, ein Vertreter der australischen Tierschutzpartei, in einer eigenen Petition, dass Kängurufleisch das Produkt einer „Schlachtung im Outback“ sei, die isoliert und ohne Aufsicht stattfände. „Mütter werden erschossen und ihre Joeys zu Tode geschlagen.“ Außerdem mahnte er die Sicherheit des Fleisches an, denn die geschlachteten Tiere würden bis zu acht Stunden lang auf der Rückseite von Lastwagen aufgehängt, bevor sie in die Kühlung kämen.

Die gewerbliche Känguruindustrie in Australien hält dagegen, dass es schon heute eine starke Regulierung gibt: Verarbeitungsbetriebe werden streng geprüft und müssen mit hohen Geldstrafen rechnen, wenn sie einen unmenschlich getöteten Kadaver akzeptieren. Nur Tiere mit Kopfschuss, die sofort gestorben sind, werden angenommen. Zudem dürfen weibliche Kängurus eben gerade nicht getötet werden, da sie möglicherweise Joeys tragen.

Foto von Barbara Barkhausen 

Forscher pochen auf Populationskontrolle

Eine wissenschaftliche Studie Anfang des Jahres zeigte zudem auf, warum es sogar wichtig ist, die Population der Beutler zu kontrollieren. So dokumentierten Forscher der Universität von New South Wales in Sydney, wie sehr die einheimische australische Landschaft durch die Überweidung im Fall einer zu hohen Kängurupopulation Schaden nimmt. Auf den Flächen, auf denen Kängurus weideten, gab es nicht nur weniger Pflanzenarten, auch die Böden waren nährstoffärmer und dichter. Dies bedeutet beispielsweise, dass bei Regen weniger Wasser vom Boden aufgenommen werden kann.

Wartet man auf eine natürliche Korrektur der Überbevölkerung – zum Beispiel durch eine Dürre – so gefährdet dies weitere Arten, die ebenfalls auf die Vegetation angewiesen sind und womöglich kurz vor dem Aussterben stehen. Schuld an dieser Entwicklung ist letztendlich der Mensch. Denn nachdem die frühen Einwanderer viele Dingos – die natürlichen Feinde der Kängurus – töteten, vermehrten sich die Beutler unkontrolliert. Die Konsequenz ist, dass inzwischen der Mensch kontrollierend eingreifen muss.

Chance für Ureinwohner

Insgesamt ist der Export von Känguru-Produkten ein wichtiger Markt für Australien, der jährlich rund 80 Millionen Australische Dollar oder umgerechnet 52 Millionen Euro wert ist. Neben den USA ist auch Europa ein Abnehmer für Fleisch und Känguruleder. Zudem beschäftigt die Industrie viele australische Ureinwohner – von den rund 3000 Arbeitern ist ein Großteil indigen und stammt aus abgelegenen, ländlichen Gemeinden.

Zwar gibt es auch unter den Aborigines Völker, die Kängurus auf ihrem traditionellen Land nicht jagen und sie als Totem und damit als heilig betrachten, doch der Großteil der Ureinwohner sieht eher die praktischen Vorteile der Beutler. Der bekannte indigene Koch Clayton Donovan servierte nicht umsonst am Australia Day 2006 einst ein Gericht aus Känguru und Emu – beides Tiere, die auf dem australischen Wappen erscheinen. „Ist das Känguru ein Symbol für ein Land? Oder ist es ein Protein, das eine Kultur aufrechterhält?“ fragte Donovan bespielsweise im Interview mit dem Guardian. „In meinen Augen ist es ein Nahrungsmittel, das mit Respekt behandelt wird und die Kultur erhält.“

Momentan hoffen australische Vertreter noch, dass die Gesetzesvorlage sich – wie so viele andere auch – im US-Kongress nicht durchsetzen kann. Doch der wachsende Widerstand könnte Unternehmen natürlich auch ohne Gesetz dazu bewegen, künftig auf andere Materialien zurückzugreifen. Das australisch-amerikanische Gerangel um Australiens Wappentier dauert damit wohl noch länger an.

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