Am Ende eines jeden feuchtfröhlichen Abends steht er, der Absacker. Er ist Endpunkt und Fazit. Die Abrundung, das Finale. Vielen gilt er auch, als Einer zu viel. Er ist dann der, der das Fass zum Überlaufen bringt. Der, der in letzter Konsequenz als erster wieder rauswill. Und er sucht sich seinen Weg. Unaufhaltsam trennt er sich von seinen Freunden, die bereits Kopf und Magen in Rebellion versetzen. Er, der Letzt-getrunkene, ihm kommt die Ehre zuteil, als Vorhut sich die Speiseröhre hochzukatapultieren. Er steht als Speerspitze da, die fontänenförmig den Ausgang findet und sich über das Trinkeroberhemd sich ergießt.
Plötzlich dreht sich alles, – alles nur um ihn, den bösen - bösen Absacker, der nach Meinung des vor der Toilettenschüssel Knieenden, der Hauptschuldige an der Misere ist, in der er sich gerade befindet. Unablässig speit dieser all das teuer Bezahlte in das ehemals weiße Porzellan. Selbst die von Öl triefende lasch gewürzte Frikadelle, die er vorbeugend zu sich genommen hatte, schließt sich dem Protest an und verlässt seinen Körper, wohl portioniert und auch jetzt wieder vorbeugend. Ermattet und erschöpft liegt er nun da, in seiner unwürdigen Pose und verspricht sich fest in die Hand, nie wieder etwas zu trinken. Es ist ein Meineid!
Jetzt hält er noch an diesem Vorsatz fest, um schon bald ihn wieder zu erbrechen. Es ist der Kreislauf des Lebens, dem er folgen wird, wenn er morgen den Fuß in seine Kneipe setzt und eine haltbarkeitsdauerüberschrittene Frikadelle zu sich nimmt und ihr den drohenden Satz mit auf den Weg nach unten gibt: „Heute bleibst du aber drin!“
Es ist ein frommer Wunsch, den die „Salmonellenschleuder“ nicht ernst nimmt. Denn schon erscheinen auf der Bildfläche einige Brandbeschleuniger, auch Freunde genannt, die jedoch ihm gegenüber im Vorteil sind. Sie sind trink-gestählt und robust im Magendarmtrakt. Ihnen gegenüber erwähnt er selbstverständlich nicht, was ihm nächtens noch durch den Kopf ging, denn an seiner Männlichkeit würden Kratzer sichtbar. Und so trinkt er, wenn auch noch widerwillig, sein erstes Bier mit. Und der eine Schnaps, ausschließlich zur Frikadellenverdauung, wie er ihn vor sich selbst rechtfertigt. Das zweite Bier aus Höflichkeit, weil einer eine Runde ausgibt. Das Dritte gibt er selbst nun aus, weil er nicht als Schnorrer dastehen möchte. Ein weiterer Kurzer, denn einer hat sich vom Mann zum Vater weiterentwickelt und ist trunken vor Glück. Dem nun eine Abfuhr zu erteilen, wäre zutiefst unfreundlich. Also wird der neue Erdenbürger begrüßt.
Es folgt ein Namenstag, Gründungstag der freiwilligen Feuerwehr von Dollensberg an der Flitsch, ein Anstoßen auf den Tour de France Sieger und auf alle bereits verstorbenen Mittrinker, denen man mit einer Schweigeminute gedenkt. Und so kommt eins zum anderen. Die guten Vorsätze werden hinweggespült. Wankend verlässt er die Kneipe, nicht ohne sich einen Absacker zu gönnen, einer alten Tradition verpflichtet. Wie und wo dann auch dieser Abend endet, man ahnt es bereits. Das Leben ist eben ein ewiger Kreislauf, den zu durchbrechen Mann kaum in der Lage ist.
Und das ist dann der Beginn von einem bitteren ENDE!

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