Unter dem Überbegriff ‚Alternativmedizin‘  finden wir hunderte verschiedener Verfahren, die wenig miteinander zu tun haben. In meiner Forschung der letzten 30 Jahre konzentriere ich mich vornehmlich auf die kritische Auseinandersetzung mit:

  • Homöopathie,
  • Chiropraktik,
  • Akupunktur,
  • Pflanzenheilkunde.

Was mir oft zu denken gibt, ist, dass die meisten Befürworter der Alternativmedizin meine kritischen Beurteilungen zu diesen Methoden sogar schätzen:

  • Wenn ich darauf hinweise, dass die Annahmen der Homöopathie der Wissenschaft zuwiderlaufen, stimmen die meisten zu.
  • Wenn ich betone, dass chiropraktische Wirbelsäulenmanipulationen nicht harmlos sind, stimmen die meisten zu.
  • Wenn ich darauf publiziere, dass Akupunktur kein Allheilmittel ist, stimmen die meisten zu.
  • Wenn ich darauf warne, dass pflanzliche Heilmittel mit vielen Medikamenten interagieren können, stimmen die meisten zu.

Die meisten, aber nicht alle!

  • Diejenigen, die meine Kritik an der Homöopathie unfair finden, sind die Homöopathen und ihre Befürworter.
  • Diejenigen, die meine Kritik an der Chiropraktik unfair finden, sind die Chiropraktiker und ihre Befürworter.
  • Diejenigen, die meine Kritik an der Akupunktur unfair finden, sind die Akupunkteure und ihre Befürworter.
  • Diejenigen, die meine Kritik an der Kräutermedizin unfair finden, sind die Kräuterkundler und ihre Befürworter.

Kaum jemals verteidigt ein Kräuterkundler die seltsamen Annahmen der Homöopathie; selten sagt mir ein Akupunkteur, dass ich zu hart mit den Chiropraktikern umgehe; nie habe ich einen Chiropraktiker sich beschweren hören, dass meine Kritik an der Akupunktur ungerechtfertigt sei.

Völlig normal?

Vielleicht!

Aber ich finde es trotzdem merkwürdig.

Die Methodik meiner kritischen Beurteilung ist immer die gleiche. Ich ändere sie nicht für diese oder jene Form der Alternativmedizin (ich würde sie auch nicht für die konventionelle Medizin ändern, aber ich überlasse das Kritisieren denen, die mehr aktuelles Fachwissen haben). Ich habe keine besonderen Ressentiments gegen eine bestimmte Form der Alternativmedizin. Alles, was ich tue, ist, auf Fehler in der Denkweise, Mängel in  den Studien und Lücken in der Evidenz, etc. hinzuweisen. Alles, was ich tue, ist meine ehrliche Expertise anzubieten.

Es scheint fast so, als ob jeder meine Ehrlichkeit so lange zu schätzen weiß, bis ich anfange, ehrlich zu ihm zu sein. Und genau das ist mein Grund, es merkwürdig zu finden. Homöopathen, Chiropraktiker, Akupunkteure, Kräuterkundler und all die anderen Anbieter der Alternativmedizin sehen sich gerne auf der Seite der Wissenschaft, der Evidenz, des kritischen Denkens und des Fortschritts. Das, so nehme ich an, ist gut für das (Selbst-)Bild und es fördert die Illusion, dass sie alle wissenschaftsnah und evidenzbasiert seien. Aber sobald jemand kritisches Denken und wissenschaftliche Kriterien auf die eigene kleine Nische innerhalb der Alternativmedizin anwendet, hört man auf, es zu schätzen und beginnt, den Kritiker zu denunzieren.

Auch das ist wohl völlig normal?

Nein!

Solch eine Doppelmoral ist nicht normal. Aber ohne sie würde es wohl nicht funktionieren. Ohne sie wäre vermutlich sogar die Existenz der Alternativmedizin gefährdet.

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