Die medizinische Ethik beinhaltet Regeln, die so gut wie jede Handlung im Gesundheitswesen maßgeblich bestimmen. Sie gelten für alle Bereiche der Heilkunde, also auch für Heilpraktiker. Der typische Heilpraktiker, so fürchte ich, hat jedoch von medizinischer Ethik etwa so viel Ahnung wie ein Labrador von der Quantenphysik.

Gibt es überhaupt ethische Richtlinien für Heilpraktiker?

Doch, doch, die gibt es, zumindest für einige von ihnen!

Die ‚Ethischen Rahmenrichtlinien des Fachverbandes Deutscher Heilpraktiker e.V. (FDH) und der Union Deutscher Heilpraktiker Bundesverband e.V. (UDH)‘ sind durchaus beachtlich. Hier 5 kurze Passagen aus diesem Dokument:

  1. Die Ethikerklärung bestimmt die Grundsätze und Regeln, zu deren Wahrung sich Mitglieder von FDH und UDH bei der Ausübung ihres Berufes verpflichten.
  2. Mitglieder von FDH und UDH unterlassen alles, was Patienten und Patientinnen schadet oder schaden könnte.
  3. Eine Ausnutzung des Vertrauens, der Unwissenheit, der Leichtgläubigkeit oder der Hilflosigkeit von Patienten und Patientinnen … ist abzulehnen, auch wenn sie der Anwendung diagnostischer oder therapeutischer Methoden dienen.
  4. Zu jeder Behandlung benötigen Heilpraktiker die Einwilligung durch den Patient oder der Patientin. Der Einwilligung hat grundsätzlich die erforderliche Aufklärung im persönlichen Gespräch vorauszugehen. Die Aufklärungspflicht bezieht sich u.a. auf Kosten, Dauer, Häufigkeit, Ziel, Wirkungsmöglichkeit, mögliche Nebenwirkungen sowie Alternativen zur vorgeschlagenen Therapie.
  5. Heilpraktiker beenden eine Behandlung, wenn a) im gegenseitigen Einverständnis die Therapie als abgeschlossen angesehen wird b) die Grenzen der fachlichen Kompetenz und/oder ihrer Belastbarkeit angekommen ist c) deutlich wird, dass der Patient die Behandlung nicht länger braucht, davon nicht profitiert, sie nicht mehr will oder durch eine Fortführung Schaden erleiden würde.

Zu Punkt 1

Wie wir gleich sehen werden, ist die Wahrung einiger Grundsätze kaum zu verwirklichen.

Zu Punkt 2

Selbst ernste Erkrankungen werden von Heilpraktikern mit oft bizarren, nicht belegt wirksamen oder gar erwiesenermaßen unwirksamen Methoden behandelt. Das ‚Standardlehrbuch‘ der Heilpraktiker empfiehlt bei koronarer Herzerkrankung z.B. Bach-Blüten und bei Mittelohrentzündung Homöopathie. Es ist unumgänglich, dass solche Quacksalberei Schaden anrichtet. Es scheint als sei das bekannte ‚nihil nocere‘ für Heilpraktiker suspendiert.

Zu Punkt 3

Dass eine unwirksame Therapie zudem auch einer Ausnutzung des Vertrauens, der Unwissenheit, der Leichtgläubigkeit oder der Hilflosigkeit von Patienten entspricht, liegt auf der Hand.

Zu Punkt 4

Die Aufklärung des Patienten – informed consent – ist ein essenzieller ethische Grundsatz. Zu bedenken ist allerdings, dass eine komplette Aufklärung durch einen Heilpraktiker kaum möglich ist. Es erscheint z.B. unwahrscheinlich, dass ein Heilpraktiker, der ein nicht evidenzbasiertes Verfahren einsetzen will, dem Patienten erklärt, dass es keine ausreichenden Belege für seine Therapie gibt. Ebenso ist ein Heilpraktiker aufgrund seiner Ausbildung nicht wirklich in der Lage, einem Patienten zu erklären, welche medizinischen Optionen bei seiner Krankheit existieren, und welche Heilungschancen diese bieten.

Zu Punkt 5

Es scheint kaum denkbar, dass ein Heilpraktiker, der zuvor eine wirkungslose Therapie einleitet hat, diese sodann beendet, weil sie wirkungslos ist.

Papier ist geduldig, heißt es. Bei diesem Dokument muss es wohl ganz besonders geduldig sein. Viele ethische Richtlinien sind in der Heilkunde nur dann wirklich durchsetzbar, wenn ein wichtiger Grundsatz der medizinischen Ethik befolgt wird: Ein kranker Mensch hat das Recht auf die jeweils effektivste Behandlung seiner Krankheit. Und das ist nur sehr selten eine Behandlungsweise aus dem therapeutischen Repertoire des Heilpraktikers. Mit anderen Worten, das Ausüben des Heilpraktiker Berufs unter Wahrnehmung ethischer Grundsätze ist kaum vorstellbar. Oder vielleicht noch deutlicher: Heilpraktiker treten selbst die fundamentalsten Prinzipien der medizinischen Ethik jeden Tag mit Füßen.

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