Wenn man ins Hobby Astronomie einsteigen möchte, sollte man zuerst ein gutes dreidimensionales Verständnis für die Vorgänge am Himmel entwickeln. Das wichtigste Konzept hierfür ist das Modell der Himmelskugel, das ich euch in diesem Artikel (dieser Artikelserie?) vorstellen möchte.
Wenn wir nachts die Sterne betrachten, dann sehen wir gewissermaßen nur ihre Richtungen, aber nicht wie weit sie entfernt sind. Wenn sie also alle gleich weit entfernt wären, dann würden wir keinen Unterschied sehen. Wir können also in erster Näherung so tun, als sei das tatsächlich der Fall. Wir nehmen an, der Beobachter befände sich im Mittelpunkt einer großen Hohlkugel, an dessen Innenseite die Himmelskörper befestigt sind. Schon haben wir ein erstes, einfaches Modell des Kosmos, das wir nun erweitern können. Natürlich ist dieses Modell genau genommen falsch, die Himmelskörper sind unterschiedlich weit entfernt, aber erstaunlich häufig ist es gut genug. Wir können es eigentlich immer anwenden, solange wir die Entfernungen der Himmelskörper vernachlässigen können. Wir akzeptieren es daher als eine nützliche Fiktion.
Auf dieser Himmelskugel können wir nun gedachte Hilfspunkte und -linien festlegen. Den höchsten Punkt der Himmelskugel nennen wir Zenit, den entgegengesetzten, tiefsten Punkt Nadir. Da wir als Beobachter sehr klein sind im Vergleich zur Erdkugel, können wir uns diese in erster Näherung als eine flache Scheibe vorstellen, die die Himmelskugel entlang des Horizonts in zwei Hälften teilt. (Keine Sorge, liebe Flatties, die Kugelform der Erde werden wir gleich noch berücksichtigen müssen.)
Wenn wir nun nachts einige Zeit lang den Sternenhimmel beobachten, dann fällt uns bald auf, dass sich die Himmelkugel zu drehen scheint. Das ist natürlich eine Illusion, in Wirklichkeit ist es die Erde, die sich dreht. Die Drehachse der Himmelskugel ist allerdings nicht identisch mit Zenit-Nadir-Achse, sondern ist geneigt. Genauer gesagt, entspricht der Winkel zwischen Drehachse und Horizont der geographischen Breite ϕ des Beobachtungsorts. Diese Drehung erlaubt es uns, analog zur Erde einen Himmelsnordpol, -südpol und -äquator festzulegen. Weiterhin gibt es einen Himmelsmeridian, der vom Himmelsnordpol zum Himmelssüdpol durch den Zenit verläuft.
Um zu verstehen, warum die Drehachse der Himmelskugel geneigt ist, müssen wir nun die Erdkugel betrachten. An den Polen steht die Drehachse senkrecht. Am Äquator dagegen bildet sie mit der Zenit-Nadir-Achse einen 90°-Winkel. Die Drehachse steht hier also waagrecht und liegt flach auf dem Horizont. Für jedes Grad geographischer Breite, das wir uns nun vom Äquator entfernen, steigt die Drehachse ein Grad weiter auf. Das Bild oben zeigt dafür eine geometrische Herleitung. (Dass die Drehachse eigentlich durch den Erdmittelpunkt und nicht durch den Beobachtungsort verläuft, können wir hierbei ignorieren, da die Erde sehr klein im Vergleich zum Kosmos ist.)
Wie von der Erde kann man auch von der Himmelskugel Globen und Karten erstellen. Es lohnt sich, mit so einer Sternkarte nachts rauszugehen und zu versuchen, die Sterne und Sternbilder auf der Karte am Himmel zu finden. Mit etwas Übung kann man mit dem Sternenhimmel genauso vertraut werden, wie mit den Ländern und Meeren auf der Erde.
Die geographische Breite unseres Beobachtungsorts bestimmt, welche Sterne wir überhaupt sehen können. An den Polen steht die Achse senkrecht, dort steht daher der halbe Himmel immer über dem Horizont, am Nordpol der Nordhimmel und am Südpol der Südhimmel. Die andere Hälfte bleibt dagegen immer unter dem Horizont verborgen. Wenn wir uns nun von den Polen entfernen, dann werden durch die Neigung der Drehachse weitere Sterne sichtbar, die näher am Pol verborgen waren. Am Äquator schließlich steht die Drehachse waagrecht, dort werden alle Sterne im Laufe des Tages auf- und untergehen.
Auch die Sonne macht die tägliche Drehung der Himmelskugel mit, was uns Sonnenauf- und -untergänge beschert. Aber jeden Tag bewegt sich die Erde auch ein Stück auf ihrer Bahn um die Sonne weiter. Könnten wir tagsüber die Sterne sehen, dann würden wir erkennen, dass sich die Sonne im Laufe von Tagen und Wochen vor den Hintergrundsternen verschiebt. Die Sonne scheint jährlich entlang einer Bahn, die man Ekliptik nennt, über die Himmelskugel zu laufen. Da die Erdachse nicht senkrecht auf der Erdbahnebene steht, ist diese Bahn gegen den Himmelsäquator um ca. 23,5° geneigt, Dadurch ergeben sich zwei Schnittpunkte von Ekliptik und Himmelsäquator, der Frühlingspunkt (wo die Sonne zur Zeit des Frühlingsanfangs auf der Nordhalbkugel steht) und der Herbstpunkt.
Eine Folge der jährlichen Sonnenbahn ist, dass sich unser Sternenhimmel mit den Jahreszeiten ändert. Die Sternbilder, die jeweils der Sonne gegenüberstehen, lassen sich am besten beobachten, sie stehen dann um Mitternacht hoch am Himmel. Es gibt Frühlings-, Sommer-, Herbst- und Wintersternbilder, die für ihre Jahreszeiten so typisch sind wie die wechselnde Vegetation.
Schauen wir uns nun eine praktische Anwendung dieses Modells an: die Bestimmung der maximalen Mittagshöhe der Sonne. Angenommen wir befinden uns auf 50° nördlicher Breite. Der Winkel zwischen Drehachse und Horizont beträgt also 50°, als Folge davon steigt der Himmelsäquator maximal 40° über den Horizont. Die Sonne wiederum steigt maximal 23,5° über den Himmelsäquator, ihre maximale Mittagshöhe, zur Zeit der Sommersonnenwende, beträgt also 63,5°!
Übungsaufgabe: Auf welchen Breitengraden beträgt die geringste Mittagshöhe der Sonne 0°? Wie nennt man diese Breitengrade?
Das alles ist jetzt womöglich ein bisschen viel Information auf einmal. Es braucht schon eine Weile, bis man eine gute, dreidimensionale Vorstellung entwickelt hat. Mir ist es auch nicht anders ergangen. Hilfreich ist hier Planetariumssoftware wie das kostenlos erhältliche Stellarium. Auch drehbare Sternkarten können die Himmelskugel veranschaulichen, ganz ohne Computer. Und natürlich kann man auch nachts rausgehen und das Ganze am realen Himmel betrachten. Clear Skies!
Und falls euch das lieber Mr. Spock erklären soll: