Masken töten Kinder. Das Coronavirus wurde nie in einem Labor nachgewiesen. 2020 sind nicht mehr Menschen in Deutschland gestorben. Besucher von Querdenken-Veranstaltungen bekommen einen ganzen Blumenstrauß aus Behauptungen präsentiert. Oft im Brustton der Überzeugung. Doch stimmt an ihnen etwas? Oder sind es Lügen mit einer klaren Intention?
Eigentlich ist es Schade, dass einer der letzten schönen Herbsttage im Jahr 2020 in meiner kleinen Stadt nicht den Familien und nicht den Menschen, die zumindest in der Natur etwas Auszeit vom Lockdown suchten, gehörte. Nein, dieser Tag gehörte definitiv anderen. Und zwar einer Gruppe von Menschen, die sich schon am Vortag deutlich bemerkbar machten. Dutzende Busse der Polizei waren schon in der Nacht aufgebrochen und jedem Einwohner und jeder Einwohnerin war klar, dass diese Nervosität in der Luft einen bitteren Beigeschmack haben würde.
Aus ganz Süddeutschland waren sie gekommen um an diesem Tag meine Stadt zu einem neuen Hotspot zu machen der Coronaleugner, der Corona-Skeptiker, der besorgten Eltern und wie sie sich alle nennen. Hintergrund war die Versetzung des Leiters des Gesundheitsamtes. Eigentlich ein kleines Licht, welches jedoch bodenständige Arbeit leistete. Auf Twitter jedoch ist der Mann prominent. Weil er Querdenken aus der Seele spricht. Weil er Falschbehauptungen aufstellt und sich mit Anhängern von QAnon und anderen Sekten zusammentut. Der perfekte Märtyrer.
Ein Hitlergruß und viel Arbeit
Am Ende sollen es gut 800 Querdenker sein, die sich auf dem Volksfestplatz versammeln. Mehr als 50 Personen werden im Laufe des Tages von Polizist*innen abgeführt und mit Geldstrafen belegt. Der Grund: Verstöße gegen die Maskenpflicht. Ein Besucher zeigt zudem öffentlich den Hitlergruß, mehrere Teilnehmer werden zu diesem Zeitpunkt bereits vom Verfassungsschutz beobachtet. Gegen einen von ihnen wird auch wegen Beleidigung ermittelt, was jedoch später fallengelassen wird. Von der Bühne wird währenddessen gesungen, geschrien und: gelogen. Nachweisbar. Und es ist wichtig sie zu widerlegen.
Wir wissen, dass gelogen wird. Ich weiß das. Denn in mühsamer Kleinstarbeit haben ein Team von 6 Männern und Frauen und ich jede Behauptung analysiert, sie ausgewertet und sie nachgeprüft. Dabei war es uns wichtig Quellen zu nennen, Quellen zu belegen und auch dort, wo Querdenken vielleicht richtig liegen könnte auch Querdenken recht zu geben. Einen kleinen Bruchteil dieser Arbeit möchte ich in diesem Text wiedergeben, genau wie ich es auch in meinem Video zum Thema getan habe. Alle Punkte, alle Aussagen in einen Text zu pressen, das, würde uns alle wohl über alle Maßen erschöpfen. Daher begrenze ich mich auf die gängigsten Thesen von Querdenken.
Es gibt keine pandemische Lage
Den Beginn macht in meiner Aufzählung der Jurist Edgar Krein, der unter anderem behauptet, dass es keine "pandemische Lage" in Deutschland gibt. Dies ist jedoch falsch, da bereits am 28. März mit dem "Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite" der Rechtsbegriff der Begriff Epidemische Lage von nationaler Tragweite nach Paragraph 5 Absatz 1, Satz 4 des deutschen Infektionsschutzgesetzes Eingang in die deutsche Gesetzgebung fand.
In diesem Gesetz wird die Möglich eingeräumt Freiheitsrechte zu beschneiden. Darunter fallen Ausgangssperren, Kontaktbeschränkungen, Kontaktnachverfolgungen, die Untersagungen von Kulturveranstaltungen und die Schließung von Geschäften wie zum Beispiel der Gastronomie.
Auch wenn man diese Befugnisse schlecht finden mag, ist es doch ein Problem sie zu leugnen. Das eine ist Kritik, das andere ist eine Lüge.
2020 starben nicht mehr Menschen!
Besonders haarsträubend ist jedoch die Behauptung, dass 2020 in Deutschland nicht mehr Menschen gestorben seien sollen als im Jahr 2019. Dabei ermöglicht der Blick in auch nur die einfachste Statistik die Erkenntnis, dass 2020 sogar 50.000 Menschen mehr starben als im Vorjahr. Und blickt man tiefer, erkennt man, dass das Jahr 2020 mit offiziell 985.145 Todesfällen sogar das tödlichste Jahr seit über 30 Jahren in Deutschland war.
Warum also behauptet man so eine leicht nachweisbare Lüge? Wohl, aus dem gleichen Grund, aus dem man behauptet das Virus sei, noch nie in einem Labor nachgewiesen worden: Man möchte eine argumentative Basis schaffen, von der man aus mit überzeugt in die Menge rufen kann, dass das Coronavirus entweder nicht existiere oder zumindest ziemlich harmlos sei. Ein Schlag ins Gesicht für die Menschen, die an Langzeitfolgen leiden, die sterben mussten oder Angehörige zu betrauern hatten.
Die Maske als Zeichen der Unterdrückung?
Nahezu alle Querdenker vereint dabei ihr Hass auf die Maske. Und um diese loszuwerden sind sie bereit viele Dinge zu glauben und zu bejubeln. So auch, wenn Edgar Krein von der Bühne brüllt, dass die Schutzmaßnahmen "nicht verhältnismäßig" seien. Sein Argument: Jedes Jahr stürben Menschen an der Grippe, 2020 jedoch nahezu niemand. Dafür jedoch auf einmal viele an Corona.
Gab es hier einen statistischen Trick? Nein. Doch diese Aussage zeigt ein Problem der statistischen Erhebung, welches die Querdenker nutzen können. Denn, anders als beim Coronavirus werden und wurden die Grippetoten vom Robert Koch Institut jährlich nicht anhand von positiven Tests vermerkt, sondern nur als Schätzwert erhoben. So ist es zwar ein schwieriger Vergleich laborbestätigte Zahlen und Schätzwerte gegenüberzustellen, jedoch bleibt hier ein Fragezeichen. Es ist einer von vielen wunden Punkten, die ein wahres Problem zeigen, welches Querdenken schonungslos offenlegt: In unserem Gesundheitssystem lief schon vor Corona verdammt viel schief.
Die Aussage von Herrn Krain, dass es Zwangsimpfungen geben werde, möchte ich an dieser Stelle unter den Tisch fallen lassen. Verkürzt muss man hier einfach anmerken: Theoretisch möglich, praktisch nicht veranlasst.
Die Toten Kinder als Lieblingsmythos von Querdenken
Ein größeres Problem habe ich persönlich jedoch dann, wenn Kinder zu Opfern der Querdenker werden. Egal ob sie als Schutzschilde bei Demos herhalten sollen, als Kronzeugen eines vermeintlichen seelischen Leids oder gleich als Märtyrer, die vermeintlich an den bösen Masken gestorben sind. Warum? Weil hier Urängste missbraucht werden und die Unschuldigsten unserer Gesellschaft missbraucht werden. In meinen Augen als Vater wird hier auch die Grenze zur Kindeswohlgefährdung klar überschritten.
So sollte meiner Meinung nach vor allem bei Menschen wie Rolf Kron das Jugendamt früher als später an der die Türe Klopfen. Rolf Kron ist Homöopath und Impfkritiker. In den Medien wird er öfters als Doktor bezeichnet. Diesen Fehler lässt er gerne unkorrigiert. Kron stellte zumindest in der Vergangenheit mutmaßlich Gefälligkeitsatteste aus. Zumindest ist das der Vorwurf, weswegen gegen ihn ermittelt wird. Aktuell gibt es dazu noch kein finales Ergebnis. Auf Demos marschierte er mit seinem Kind auf den Schultern in eine Polizeisperre. Sein Argument? Polizist*innen würden sicher keine Kinder schlagen.
Auf einer anderen Demo relativierte Kron zudem Pädophilie und Gewalt gegenüber Partner*innen und Kindern. Wichtig sei nur, dass die Menschen auf die Straße gingen, um "für unsere Freiheit". Zwar sagte Kron in meiner Stadt nichts davon, jedoch bemühte er auch hier das Narrativ der toten Kinder. So seien 4 Kinder an den Masken gestorben, tönt er. Und die Menge johlt
Den Tod eines Kindes missbraucht
Und hier beginnt nun auch für mich der Teil, an dem ich nicht neutral bleiben möchte. Denn als Vater kann ich mir nicht vorstellen, wie es sein muss, sein Kind zu Grabe zu tragen. Umso schlimmer wäre es wohl für mich, wenn der Tod meines Kindes zu einem Mahnmal von Querdenken werden würde. Dennoch ist es so den Eltern eines 13-jährigen Mädchens aus Rheinland-Pfalz ergangen. Ihr Tochter brach in einem Schulbus zusammen und verstarb kurze Zeit darauf in einem Krankenhaus. Eine Zeitung berichtete und die rechte Filterblase folgte. Und nahezu sofort war sie geboren: Die Geschichte vom Mädchen, das an einer sogenannten "Co2 Vergiftung" starb.
Diese Falschmeldung ist auch heute noch im Netz zu finden. Deutlich weniger Klicks hat jedoch die Stellungnahme der zuständigen Staatsanwaltschaft, welche eine Obduktion anordnete. Die beteiligten Mediziner*innen schlossen dabei aus, dass ein Atemwegsproblem die Todesursache gewesen sei, ebenso wie ein Fremdverschulden. Die Todesursache selbst blieb jedoch nicht näher definiert. Was jedoch, in meinen Augen, kein Makel ist. Sondern Respekt gegenüber der trauernden Familie.
Und die anderen drei Kinder? Für die gibt es keine Belege. Die Polizei selbst ermittelt bereits wegen dieser Aussagen wegen Falschaussagen. Vielleicht sollten sie einfach mal bei Rolf Kron klingeln und nachfragen?
Querdenken ist eine Sekte
Diese Aufzählung könnte nun ewig weitergehen. Doch ich weiß, dass sie nie auch nur eine/einen überzeugten Querdenker*in umstimmen könnte. Warum? Weil Querdenken mehr als eine Bewegung ist, es ist eine Sekte. Es ist ein ganz normales Sektenverhalten, dass nur die Nachrichten als wahr und richtig akzeptiert werden, welche durch die Sekte selbst gefiltert wird - sonst würde der Laden nicht funktionieren. Spätestens nachdem ich die Doku "Wild Wild Country" auf Netflix gesehen hatte, kann ich auch Querdenken besser verstehen. Dort wird die Geschichte des großen Bhagwan erzählt, der eine ganz Stadt in den USA übernahm und dessen Reise in Gewalt, Mord und Drogengeschäften endete.
Und wenn man sich die Menschen ansieht, die bereitwillig Geld an die Köpfe von Querdenken verschenken und damit Lügner und Hetzer zu sehr reichen Menschen machen, dann fällt es nicht schwer Parallelen zu ziehen. Auch, wenn es wehtut.
Man kann nur hoffen, dass sich ihre Lügen, ihre Paranoia und ihre wirren Erzählungen irgendwann nicht mehr verfangen und neue Gläubige für den Kult rekrutieren. Bis dahin bleibt nichts anders, als Widerstand zu zeigen.
Widerstand, wie geht das?
Ich für meinen Teil kämpfe seit vielen Jahren gegen Faschismus, Antisemitismus und Nationalismus. Dieser Einsatz hat mir in den vergangenen Jahren immer wieder auch geschadet. Ich erhielt tolle Stellen nicht, da Firmen fürchteten ich könnte den Zorn der rechten Szene auch auf das Unternehmen übertragen. Oder sie wollten einfach niemanden, der hin und wieder in der Zeitung steht, weil er mal wieder mit einer Aktion oder einem Satz für Gesprächsstoff sorgte. Ja, Einsatz tut manchmal auch weh. Dennoch bin ich davon überzeugt, dass es wichtig ist zu kämpfen.
Dabei ist es aber auch wichtig Freunde und Verbündete zu finden. Denn, alleine ist man angreifbar. Das habe ich selbst zuletzt erlebt, als mein kleiner Youtube Channel von Attila Hildmann und seinen Horden überfallen wurde. Doch sollte man deswegen aufgeben? Wohl kaum.
In meiner kleinen Stadt gelang es uns trotz Lockdowns und Drohungen im Vorfeld ein Zeichen zu setzen. Mit einer Unterschriftenaktion erreichten wir über 1800 Menschen aus unserer Region (und damit mehr Menschen als Querdenken in ganz Süddeutschland) und mit Plakaten und Bannern am Veranstaltungsort konnten wir den Querdenkern zeigen: Ihr seid hier nicht willkommen.
Querdenken ist, das muss man immer wieder sagen, ein Scheinrieße. Sie sind nicht mir Mehrheit, sondern nur ein ganz kleiner Bruchteil. Auch, wenn sie laut sind. Das muss man immer wieder zeigen. Egal ob in Stuttgart, Kassel, Berlin oder auch bei mir vor der Haustüre. Dort marschiert nicht das Volk, sondern Volker und sein kleines Völkchen.
Bleibt stark.