Vor einigen Wochen habe ich wieder damit angefangen, euch meine geistigen Ergüsse mitzuteilen - angefangen mit Informationen darüber, wie wiederkehrende Begriffe uns zu einem Thema konditionieren1 können und wie ihr schlechte Studien2 als solche identifizieren könnt. In Anlehnung daran möchte ich heute (und in der nächsten Woche) aufzeigen, wie ihr den Wahrheitsgehalt einer Webseite oder eines Blogs überprüfen könnt, ohne deren Beiträge einzeln durchforsten zu müssen. Dabei helfen Skepsis, das Analysieren von Quellen und das „laterale Lesen“. Das ist eine Methode, die Querverweise anderer Seiten nutzt, um zu untersuchen, wie vertrauenswürdig eine Quelle ist. Sie stellt einen wichtigen Bestandteil von Medienkompetenz und Quellkritik dar. Denn nur weil etwas im Internet steht, muss es nicht automatisch wahr sein. Aber dazu mehr im kommenden Beitrag.

Als Informationen bezeichnen wir alle Arten von Eindrücken, die wir durch andere erfahren. Das Internet ist allerdings voll mit unbrauchbaren Fehlinformationen. Nichtsdestotrotz beeinflussen auch diese unser Weltbild und was wir für wahr halten. Sie beeinflussen, wie wir entscheiden und auch, was wir dabei empfinden. Um brauchbare Entscheidungen für uns und andere treffen zu können, müssen wir also nicht nur filtern, welche Informationen wir aufnehmen, sondern auch wissen, wie wir diese einordnen können. Das versuche ich auch immer klarzumachen, wenn ich über Impfungen rede: Ja, die sind eine tolle Erfindung und es ist wichtig, über ihren Nutzen aufzuklären. Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass ihre Hersteller in vielen Bereichen Dreck am Stecken haben. Das ist nun mal bei den meisten Unternehmen so. Es ist trotzdem kein Grund, sie generell zu verteufeln. Eine Information über ein Teilgebiet ersetzt keine andere Information auf einem anderen.

Was wir als Spezies erreicht haben, ist ein Gesellschaftsakt. Es ist unmöglich, alleine alles zu wissen. Es ist sogar schon unmöglich, auch nur zu irgendeinem Thema alleine alles zu wissen. Daher müssen wir lernen, wem wir vertrauen können. Etwas, was Querdenker, Impfgegner und ihresgleichen vergessen haben, falls es sie je gekümmert hat. Sie sind so stolz auf sich, dass sie „selbst recherchiert“ haben, und wieviel sie ja wissen, sie sind ja selbst schon Experten. Dabei blenden sie gekonnt aus, dass sie da gar nicht viel eigene Tätigkeit investiert haben. Was sie glauben, was sie vertreten und gegen wen sie sich wenden, das wurde ihnen sorgsam eingetrichtert. Sie konsumierten Medien, denen sie angeblich nicht vertrauten, folgten ihren Hirten, während sie andere als Schafe bezeichneten. Das alles lässt sich auf einen Ursachenkomplex zurückführen, dem wir aber alle unterliegen. Dieser setzt sich zusammen aus unseren Vorurteilen, dem Bestätigungsfehler und den Filterblasen, über die wir nur wenig Kontrolle haben.

Aber der Reihe nach.

Wir verlassen uns andauernd auf Experten in deren Gebieten. Das ist notwendig. Wir haben dabei auch eine gewisse Erwartungshaltung, die man als Vorurteil verstehen kann. Dies kann durch Falschinformationen leicht manipuliert werden. Mehrere Studien haben gezeigt, dass Webseiten, die Lügen über Impfungen verbreiten, nicht nur als glaubwürdig empfunden werden, sondern dass die Beeinflussung auch Monate später anhält. Wer einmal in diese Falle gerät, kommt nur schwer wieder heraus, denn nun greift der Bestätigungsfehler: Wenn nun andere Seiten besucht werden, die die Erfolge von Impfungen negieren wollen, werden diese als glaubwürdig eingestuft, weil sie die bestehenden Vorurteile bestätigen. Menschen glauben ihnen, weil ihnen gefällt, dass sie bestätigt werden. Dasselbe sehen wir bei der medialen Schmutzkampagne gegen Die Grünen. Es werden Lügen und Hass verbreitet und Menschen, die ansonsten rational agieren, teilen das Narrativ, weil es ihnen überall begegnet. Wir verlieren dadurch nach und nach einen nüchternen Blick, selbst auf leicht überprüfbare Aussagen.

Hinzu kommt die Filterblase. Gerade online kommen wir kaum dagegen an. Ob Google, Amazon, Facebook oder was auch immer, wir werden genau analysiert. Unsere Suchbegriffe, die Verweildauer auf Webseiten und unter einzelnen Beiträgen, unsere Kommentare und so weiter. All das füttert Algorithmen, die daraus unsere Interessen ableiten wollen und uns verstärkt ähnliche Inhalte anbieten, um uns noch weiter zu binden. Selbst wenn ihr immer wieder eure Cookies entfernt und eure Verläufe löscht oder die Webseiten anweist, eure Daten zu löschen, es hilft nicht viel: Ihr seid immer noch dieselbe Person mit denselben Interessen. Zwangsweise wird eure Filterblase immer wieder genau so aufgebaut, um euch zu präsentieren, was ihr laut den Informationen mögt. Das kann sogar fatale Folgen haben, Stichwort doom scrolling. In einem Selbstexperiment mit einer Woche Abstinenz von sozialen Medien konnte ich lediglich feststellen, dass einige Freunde und Seiten aus meinem Feed verschwanden und die Werbeanzeigen zufällig ausgerichtet waren. Ein Ausbruch aus dem System ist das also nicht - es sei denn, man löscht dauerhaft alle Accounts.

Prinzipiell ist so eine Filterblase sogar recht hilfreich, denn was uns nicht interessiert, wird ausgeblendet. Allerdings ist Vorsicht geboten, denn es geht so auch leicht in eine Echokammer. In dieser treffen wir nur auf Personen (oder auch gezielt Bots), die uns in unserem Weltbild bestärken und radikalisieren. Einmal dort angekommen, wird Widerspruch nicht geduldet. Auch hier dienen beispielhaft wieder Impfgegner- oder rechte Gruppen. Wer widerspricht, fliegt. Meistens ohne Vorwarnung. Leider musste ich die Erfahrung machen, dass es auch auf der anderen Seite des Spektrums nicht viel besser aussieht. Aus einer Gruppe bin ich sogar geflogen, weil ich der Aussage widersprach, es gäbe in Deutschland keine Impfpflicht. Die gibt es - gegen Masern - und sie betrifft mehr als die Hälfte aller Einwohner. Selbst die Informationsseite des BMG wurde da kurzerhand als gefälschte Propaganda verteufelt, weil angeblich eine solche Bevormundung durch  den Staat nur in Diktaturen möglich sei. Was soll's, die Realität ändern diese Gestalten mit einem simplen Rauswurf auch nicht.

Von Neugierde über Falschmeldungen zur Verschwörungstheorie

Ein Thema, tausend Artikel: Nur selten werden uns Informationen neutral geliefert.

Der Witz an der Sache ist ja eigentlich, dass so manches Klientel immer wieder predigt: „Hinterfrage alles!“ Nur eben nicht die eigenen Vorurteile. Doch gerade da muss angesetzt werden. Wer in den eigenen Ansichten festgefahren ist, lässt sich auch mit Fakten und Tatsachen ungern beikommen. Weil das am Ende einer Kette von Fehlern ansetzt, die dann schon viel zu stark ist. Wenn es darum geht, Informationen zu beurteilen, dann muss jede*r bei den eigenen Vorurteilen beginnen.

Wir akzeptieren viel lieber, was sich in unser bestehendes Weltbild einfügt, als alles, was diesem widerspricht. Ist einfach so. Psychologie und solche Geschichten. Details würden hier viel zu weit führen. Wenn wir nicht trotzdem nachhaken, ob das denn wirklich so ist, wie es scheint, unterliegen wir schon dem Bestätigungsfehler. Wir zweifeln den Wahrheitsgehalt einer Information nicht an, weil wir sie lieber direkt für wahr halten wollen.

Wird uns einfach nur die Information geliefert, lässt sich das noch gut umgehen. In unserer Filterblase aber erhalten wir nicht nur die Information, sondern sie wird verpackt. Entweder bei (möglichst) neutraler Berichterstattung mit weiterführenden Informationen oder aber mit emotionalen Appellen. Letztere stellen eine gewisse Gefahr dar, denn durch Emotionen wird nicht nur unsere Aufmerksamkeit erhöht und gelenkt, sie schalten auch unser logisches Denken aus.

Der „point of no return“ ist dann in der Echokammer erreicht, wo dann auch dieselben Informationen immer wieder neu verpackt werden. Teilweise mit noch emotionaleren Geschichten oder aber auch in Bezug zu anderen Informationen, selbst wenn gar kein Zusammenhang besteht. Das nennt man Reiterationseffekt. Er beschreibt ein Phänomen der kognitiven Psychologie, dass einer Aussage nach mehrmaliger Wiederholung ein größerer Wahrheitsgehalt zugesprochen wird als beim ersten Mal. Was glaubt ihr wohl, warum die BILD drei Mal jede Woche als Schlagzeile bringt, wie unfähig Habeck oder Baerbock sind? Warum wohl wird derselbe Artikel gegen Impfungen von dutzenden Seiten kopiert, die alle nur auf einander verweisen, und alle paar Jahre wieder die alten Geschichten aufwärmen? Die Antwort: Konditionierung durch Reiteration. Es muss ja wahr sein, wenn es immer und immer wiederholt wird.

Es heißt zwar, man könne eine Lüge tausend Male wiederholen und sie würde trotzdem nicht zur Wahrheit. Aber sie wird geglaubt, und das ist alles, was für die Verantwortlichen im Hintergrund, die damit Geld verdienen, zählt. (Noch so ein toller Ausspruch: „Folge dem Geld.“ Dazu ein anderes Mal mehr, versprochen.)

Wege aus der Informationsfalle

Nur eine Daumenlänge entfernt: Plattformen erleichtern uns den Zugang zu Informationen. Doch die meisten können diese nicht mehr einordnen.

Nach vielem Geschwafel über die psychologischen Hintergründe kommen wir nun aber tatsächlich zu dem Teil, den ihr lesen wollt: Wie ihr auch ohne Fachkenntnis beurteilen könnt, ob ihr brauchbare Informationen erhaltet oder eben nicht. In sozialen Medien ist das nicht so einfach, daher will ich das einschränken: Plattformen müsst ihr nicht prüfen. Plattformen, wie Facebook, Twitter (solange twitter in der URL steht, werde ich es nicht „X“ nennen), Instagram, Youtube oder Google, Amazon, ebay oder AppleNews sind keine Quellen. Sie stellen nur Wege dar, Zugang zu den Quellen zu erhalten, und diese gilt es zu überprüfen. Und mit etwas Übung geht das sogar recht schnell.

Zu allererst: Ihr wollt euch fragen, ob das, was ihr seht, wahr ist. Im Laufe der Zeit werdet ihr Seiten finden, die ihr als vertrauenswürdig erachtet, und diese nicht länger überprüfen. Doch zu Beginn wollt ihr es, und sei es nur, um die Methode zu verinnerlichen. Egal, ob eure Vorurteile euch sagen, dass die Inhalte glaubwürdig sind (oder eben auch nicht), und egal, ob eine emotionale Reaktion ausgelöst wird. Das ist übrigens die Grundidee des Skeptizismus. Aber das nur so am Rande. Die Frage ist nicht nur, ob das Geteilte wahr ist. Fragt euch auch, ob das überhaupt Sinn ergibt, was euch präsentiert wird. Mikrochips in Impfungen? Ihr seht doch die Spritze, bevor ihr euch impfen lasst. Ihr seht die Flüssigkeit. Schwimmt da irgendetwas, was da nicht sein sollte? Wie kommt so ein Chip eigentlich durch diese winzige Nadel? Das fällt mir spontan ein, wenn ich solch eine Schlagzeile sehe. Aber ausgerechnet die Leute, die andere auffordern, alles zu hinterfragen, teilen solche Scherzartikel ohne einen Gedanken an etwaige Plausibilität zu verschwenden.

Die Überprüfung läuft noch auf weiteren Ebenen ab. Wie ich es in 1x1 der Quellkritik schon erwähnt hatte, sind die „red flags“ wichtige Merkmale. Doch hier beziehe ich mich nicht nur auf wiederkehrende Phrasen. Red flags können auch Rechtschreibfehler oder merkwürdige Wortkonstrukte sein, zumeist ein Hinweis auf eine schlechte Übersetzungssoftware. Auch eine sehr bildhafte Sprache, reißerische Schlagzeilen oder Umgangs- bis Gossensprache weisen auf unglaubwürdige Quellen hin. Exemplarisch könnt ihr eigentlich bis auf die Rechtschreibfehler die BILD als Negativbeispiel wählen. „Messermann bedroht Sparkassen-Mitarbeiter“, „Er wollte schlachten“, „Perverser Polizei-Nerd hortet tausende Bilder von Toten“: Das ist keine seriöse Berichterstattung. Selbst wenn vielleicht mal * der Inhalt an sich stimmt, so soll alleine die Formulierung Emotionen auslösen, die ihr dann mit dem Inhalt verbindet - selbst, wenn ihr ihn später anderswo seht.

*Ich konnte noch nicht alle Ausgaben sichten, aber mindestens seit 2013 wurde in der BILD täglich mindestens eine komplette Lüge veröffentlicht oder wenigstens ein tatsächliches Ereignis durch selektive Berichterstattung vollkommen verdreht und inhaltlich entwertet.

Auch ganz wichtig ist die Einordnung, was für ein Inhalt euch überhaupt präsentiert wird. Handelt es sich um Nachrichten, Werbung, Satire, eine Revue, eine Meinung? Alleine zur Unterscheidung könnte ich einen Artikel schreiben (mache ich auch noch, keine Sorge). Aber die wichtigste Methode ist und bleibt das „laterale Lesen“, und genau das sehen wir uns nächstes Mal genauer an. Mit praktischem Beispiel, versteht sich.

Quellen:

1          https://publikum.net/auf-der-suche-nach-den-fakten-1/

2          https://publikum.net/auf-der-suche-nach-den-fakten-2/

Bildmaterial von https://www.pexels.com