In standhafter Missachtung der Evidenz und des gesunden Menschenverstands hat Prinz Charles seit Jahrzehnten die Homöopathie verteidigt und wie Sauerbier angepriesen. Nach wiederholten eigenen Aussagen verwendet er sie nicht nur selbst, sondern setzt sie auch für seine Tiere ein. Er behauptet, dass seine Rinder nichts von Placebo-Effekten wissen, und schließt daraus, dass Homöopathika besser wirkten als Placebos. Homöopathen freuen sich natürlich über solch königliche Unterstützung, nicht zuletzt die aus Indien, wo die Homöopathie seit vielen Jahren höchst populär ist.

Zu Beginn der Pandemie hatten viele indische Enthusiasten behauptet, dass die Homöopathie COVID-19-Infektionen wirksam verhindern und behandeln kann. In Teilen Indiens wurde die Homöopathie sogar auf Bevölkerungsbasis eingesetzt, um die Ausbreitung der Krankheit zu verhindern. Es gab Stimmen, die vor einer Katastrophe warnten, doch die indische Begeisterung für die Homöopathie als wirksame Therapie gegen COVID-19 setzte sich entgegen jeder Vernunft dennoch durch.

Als Prinz Charles selbst an COVID-19 erkrankte, zögerten indische Offizielle nicht, zu behaupten, seine schnelle Genesung sei auf seine homöopathische Behandlung zurückzuführen. Charles' Offizielle bestritten dies zwar, aber in Indien wurde die Geschichte breit berichtet und gab dem Mythos, dass die Homöopathie eine Lösung für die Pandemie bieten würde, entscheidende Unterstützung. In der Folge begannen indische Beamte, sich mehr und mehr auf die angebliche Heilkraft der Homöopathie zu verlassen.

Heute werden die Folgen dieses Handelns auf tragische Weise sichtbar: Mit mehr als 15 Millionen bestätigten Fällen erlebt Indien derzeit einen katastrophalen Tsunami von COVID-19-Infektionen. Das Gesundheitssystem steht kurz vor dem Zusammenbruch, und die hohe Prävalenz des Virus bietet nach Meinung der Experten einen fruchtbaren Boden für die Entwicklung von Mutanten. Man muss kein Hellseher sein, um vorherzusagen, dass indische COVID-Varianten alsbald Probleme auf globaler Basis verursachen werden.

Ich denke, diese deprimierenden Entwicklungen zeigen exemplarisch, welchen Schaden schlecht informierte Unterstützung von VIPs und Lobbyisten für eine unwirksame Therapie anrichten kann. Viele Menschen neigen dazu, Charles' Leidenschaft für die Homöopathie vielleicht für lächerlich, aber im Grunde für harmlos zu halten. Generell herrscht die Meinung vor, dass alternative Spinner und ihre Organisationen eher unbedeutend und ungefährlich sind.

Ich bin da anderer Meinung.

Ich behaupte nicht, dass Charles die indischen Beamten angewiesen hat, die Homöopathie so einzusetzen, wie sie es taten. Ich betone sogar, dass Charles' Pressemitteilungen bestritten, die Homöopathie habe irgendetwas mit seiner schnellen Genesung nach seiner COVID-Erkrankung zu tun. Aber ich meine, dass Charles' lebenslange Förderung der Homöopathie in Kombination mit seiner schnellen Genesung die indischen Behörden dazu motivierte, die Evidenz zu ignorieren und sich auf die Homöopathie zu verlassen.

Diese Entscheidung hat unzählige Menschenleben gekostet und wird in naher Zukunft noch viele mehr Schaden anrichten. Ich fürchte, dass die scheinbar harmlose Förderung von unbewiesenen oder widerlegten Behandlungsweisen wie der Homöopathie in der Tat ein tödlich gefährliches Spiel sein kann.

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