von Seth Miller, 20. Februar 2006

Übersetzung Matthias Liesenhoff auf Basis von DeepL, 2. Januar 2022

Inhaltsangabe

Dieses Essay untersucht die Matrix-Trilogie aus der Perspektive der Geisteswissenschaft. Besondere Aufmerksamkeit widmen wir den tatsächlichen Ereignissen im ‚Text‘ der Filme, um die Merkmale der Hauptfiguren und Handlungselemente aus einer kohärenten symbolischen und mythologischen Perspektive zu erhellen. Insbesondere erweisen sich die Filme als einzigartig verständlich aus der Perspektive von Rudolf Steiners anthroposophischen Erkenntnissen zur Menschheitsgeschichte.

Der innere Text

Vielleicht mehr als jeder andere Film oder jede andere Filmreihe hat die Matrix-Trilogie sowohl populäre als auch akademische Diskussionen und Debatten inspiriert und mehr als zwölf Bücher hervorgebracht, dazu unzählige Websites, Essays und Diskussionsgruppen. Warum sollte dann dieser ohnehin überladene intellektuelle Raum noch um einen weiteren Aufsatz erweitert werden? Ein Großteil der gegenwärtigen Betrachtungen der Filme ist philosophischer Natur, aber oft ist ihr Charakter im Wesentlichen thematisch begrenzt, indem sie die in den Filmen behandelten Konzepte herausnimmt und sie außerhalb des Filmkontext diskutiert. Anstatt so den Film lediglich als Sprungbrett für die Diskussion angeschnittener Themen zu nehmen, scheint mir ein Vorgehen nötig zu sein, das den Film ‚ernst‘ nimmt – als ob die Matrix selbst ihr eigener Schlüssel sei. Was wäre, wenn wir statt einer Vorlesung über die Filme eher eine Deutung aus und mit den Filmen versuchen?

Mit anderen Worten, ich schlage vor, dass wir die innere Sprache des Films selbst (seine Reihenfolge, Rhythmus, Farbe, Handlung, Form und Fluss) als Leitfaden zu seinen innereigenen Zusammenhängen verwenden sollten. Hier gehe ich davon aus, dass die Zusammenhänge des Films der eines Traums ähneln und dass die Kohärenz seiner Struktur auf der inneren Bedeutung der dramatischen Handlung und der Bilder beruht. Mit anderen Worten, die Abfolge der Bilder und die Entwicklung der Handlung haben sowohl eine äußere Form als auch eine innere Form. Ein Verständnis des Films, das sich hauptsächlich auf die äußere Form stützt, ist unvollständig – wir müssen einen Weg finden, auch die innere Form anzusprechen, die subtileren Fäden, die in die äußeren Bilder auf der Leinwand eingewoben sind, und die, aus einiger Entfernung betrachtet, ihr eigenes Muster und ihre eigene Logik offenbaren.

Sie, der Leser, mögen zu Recht das Gefühl haben, dass dies eine Art Abstraktion ist, denn die Natur von Filmen erfordert wie im Falle der Träume eine externe Kontextualisierung, um sie in eine hermeneutische Beziehung zur realen Welt zu setzen. Dies ist sowohl unvermeidlich als auch wunderbar, denn es bedeutet, dass nichts isoliert existiert. Aber wenn wir dann versuchen, den Film als inneren Text zu lesen, oder poetischer: ihm mit der Empathie eines Liebhabers zuhören, dann wird die Wahl der Ausgangspositionen wahrscheinlich zu unterschiedlichen Ergebnissen führen. Es ist jedoch nicht so, dass jeder Ausgangspunkt so gut ist wie jeder andere, denn hier gehe ich davon aus, dass der Film selbst tatsächlich zielgerichtete Inhalte enthält, die, obwohl endlos interpretierbar, dazu neigen, sich dem aufmerksamen Leser von innen zu erhellen. Somit ist das Lesen eines Films als Text fast vollkommen analog zur dialogischen Interaktion mit einem anderen Menschen, um zu versuchen, seine inneren Zustände in all ihrer Komplexität und Paradoxie zu verstehen. Wir können die Filme tatsächlich fast so behandeln, als wären sie selbst ein Wesen. Als Wesen kann man die Filme direkt hinterfragen, wenn man sich die Mühe macht, ihre Sprache, ihren Logos zu erlernen. Und so wie manche Wesen innerlich kohärenter und integrierter sind als andere, so sind auch manche Filme mehr oder weniger ‚wach‘ und in der Lage, intelligent auf Sondierungen zu reagieren. Meiner Erfahrung nach kann man bei einem solchen Prozess das Gefühl haben, vom Film selbst zu mehr Kohärenz, Konsistenz und Tiefe geführt zu werden. Dies gilt nach meiner Erfahrung insbesondere für die drei Matrix-Filme.

Da der Ort, von dem aus man eine Reise beginnt, die möglichen Pfade bestimmt, denen man dann folgen kann, ist es nützlich, diesen Ausgangspunkt unmittelbar zu erklären. Meine Erfahrung und Interpretation der Matrix-Filme ist direkt von einem Verständnis der Geisteswissenschaft der Anthroposophie geprägt, die Anfang des 20. Jahrhunderts von Rudolf Steiner initiiert wurde. Beim Anschauen der Filme kam bei meiner Meditation aus anthroposophischer Sicht ein Thema nach dem anderen ans Licht, und in vielen Fällen wusste ich, dass die Einsichten ohne diesen besonderen Hintergrund nie entstanden wären. Tatsächlich habe ich, nachdem ich Matrix Reloaded, den zweiten Film der Trilogie, gesehen hatte, explizite Vorhersagen über Ereignisse im dritten Film gemacht, die ich aufgrund der Logik der Archetypen und Themen, die mir durch meine anthroposophischen Erkenntnisse begegneten, für notwendig hielt – und sie erfüllten sich. Ich bin nicht der Meinung, dass diese Einsichten, von denen einige in diesem Aufsatz diskutiert werden, spezifisch für die Geisteswissenschaft sind; dies ist einfach der Prozess, durch den mir die Einsichten kamen. Auffallend ist jedoch, wie umfassend eine anthroposophische Lesart der Matrix-Trilogie zu einer klaren und kohärenten Darstellung des Hintergrundkontextes führt, dessen Manifestationen die Bilder, Sequenzen, Themen, Charaktere und Handlungselemente sind.

Letztendlich ist mein Ziel mit diesem Beitrag zweierlei: einzuführen und aufzuzeigen, wie ein anthroposophischer Kontext dem Film in Übereinstimmung mit den oben genannten Methoden einen tieferen Sinn geben kann, während ich versuche, einige Aspekte der inneren Struktur, thematischen Elemente usw. zu erhellen, die eine Kontextualisierung verdienen, welche insbesondere ihren spirituellen Inhalt und Zusammenhang deutlich macht. Die angewandte Methode und ihre Ergebnisse werden im Laufe unseres Fortschritts offensichtlich werden, und ihr Erfolg oder Misserfolg wird notwendigerweise von jedem Einzelnen zu beurteilen sein, abhängig von der eigenen Situation und den Fähigkeiten jedes Lesers. [1]

Alchemie

Die Frage ist natürlich: Was ist die Matrix? Obwohl sie von Neo im ersten Matrix-Film gestellt wurde, ist es genau unsere Frage, und wie jede gute Frage kann sie auf mehreren Ebenen gleichzeitig angesprochen werden. Historisch gesehen waren Menschen, die tief in den alchemistischen Traditionen arbeiteten, ständig aufgerufen, ihr Seelenleben zu erweitern, damit Fragen, die durch einen Prozess von Experimenten gestellt wurden, gleichzeitig auf mehreren Ebenen resonieren konnten. Die Reinigung unedler Metalle zu Gold war mehr als eine rein physische Umwandlung; es war eine äußere Spur oder ein Symbol eines inneren Transformationsprozesses, der notwendig war, damit die äußeren Experimente des Alchemisten nicht nur erfolgreich, sondern auch sinnvoll waren. Solche Adepten bildeten aus den verschiedenen Phasen des Prozesses eine archetypische Vorlage, die als eine Art Entschlüsselungsverfahren für jeden Transformationsprozess verwendet werden konnte. Eine solche Vorlage nutzte als Rezeptur die subtilen Qualitäten hinter den Substanzen Erde, Wasser, Luft und Feuer. Dieser ‚Elementarzyklus‘ von der Erde über Wasser, Luft und Feuer zurück zu einer neuen Erde bietet einen nützlichen Archetyp zum Verständnis der vielen Ebenen, auf denen unsere ursprüngliche Frage angegangen werden kann. Das Folgende ist keineswegs erschöpfend oder ausschließend, sondern lediglich ein Weg, mögliche Herangehensweisen an die grundlegende Frage zu verorten, um schließlich meine spezielle Herangehensweise zu klären.

Erde:

Die Fakten, das Fundament und der Ausgangspunkt – die Erde – liegt in den Matrix-Filmen als Spielfilm. Sie sind auf einer Ebene Unterhaltungsstücke, die von bestimmten Menschen für ein bestimmtes Publikum entworfen wurden, voller Charaktere, Ereignisse, fantastischer visueller Effekte usw., die auf Filmrollen, Computerfestplatten und in den Erinnerungen vieler Menschen existieren. Auf dieser Ebene haben wir eine fast unendliche Liste von Details zu den ‚offen darliegenden Tatsachen‘. Der gesamte Inhalt des Films, wie er als Bild und Ton vorliegt, dies sind die primären Fakten der Erde. Offensichtlich ist dies nur ein Aspekt; was wir brauchen, ist ein wenig Wasser, um unsere Erde in Bewegung zu bringen.

Wasser:

Die Filme existieren auch als Prozess, der durch die Zeit stattfindet, sowohl die innere (phänomenologische) als auch die äußere (Uhr-)Zeit. Zwischen den verschiedenen Fakten des Films besteht eine gewisse Beziehung – d.h. der Film ist nicht nur eine Abfolge von Bildern und Tönen, sondern auch eine Abfolge bezogener Bilder und Töne. Hier haben wir die eigentliche erzählerische Dynamik, die selbst nur in Beziehung zu einzelnen Zuschauern existiert und sie sozusagen den Fluss entlang trägt wie Huck Finn den Mississippi hinunter; der Betrachter kontrolliert die Sequenz nicht, sondern wird von der Erfahrung der Sequenz mitgerissen. Auf dieser Ebene finden wir uns emotional nach vorne gezogen, sowohl in uns selbst als auch aus uns heraus, aber oft ohne Verständnis oder tiefes Begreifen. Darüber hinaus sind die Filme selbst nicht ex nihilo entstanden, sondern existieren in einer Vielzahl von kulturellen und sozialen Kontexten und sind selbst mit vielen Aspekten der Welt verbunden, die nicht explizit im offen darliegenden Inhalt der Filme enthalten sind. Viele Filmkritiker äußern sich auf der Ebene des Wassers, beurteilen den strukturellen Fluss und seine Fähigkeit oder Unfähigkeit, eine lohnende Erfahrung für den Zuschauer zu verweben. Die Hinzufügung des Beziehungsflusses zu den Tatsachen ergibt jedoch kein kohärentes Ganzes – wir müssen auf einer noch höheren Ebene arbeiten.

Luft:

Die fließende Erzählung kann plötzlich eine unerwartete Wendung nehmen, und in den Matrix-Filmen ist diese Art von Ereignis fast ein Refrain. Wenn dies geschieht, werden wir aus dem Wasser gehoben und aufgefordert, die Dinge aus einer neuen Perspektive zu überdenken. Es entstehen Fragen, die uns mit Gedanken, Theorien und Phantasien erfüllen. Die wässrigen thematischen Elemente, die durch Ton- und Bildsequenzen entwickelt werden, zeigen sich plötzlich als strukturierter Ausdruck von spezielleren und abstrakteren Ideen. Oftmals kehrt sich ein scheinbar thematischer Trend um und erfordert eine völlige Neuinterpretation bisher nicht hinterfragter Zusammenhänge, zum Beispiel bei der Entdeckung, dass das Orakel eigentlich ein Programm ist. Auf dieser Ebene begegnen wir abstrakten Themen, philosophischen Ideen, Gegenüberstellungen, Paradoxien, sogar Fragmentierung. Die Matrix-Filme fanden gerade wegen ihrer wässrigen Fähigkeit, den Zuschauer in Momente tiefgreifender Fragen zu führen, die eine radikale Neubewertung der angenommenen Realitäten erzwingen, eine besonders starke Anhängerschaft bei Jugendlichen und jüngeren Erwachsenen, weil das genau die Art von Prozess ist, der in diesem Alter durchlebt wird. Diese Luftqualität bot auch einen reichen Boden für die Diskussion der zugrunde liegenden Ideen, die in den Filmen aufgeworfen wurden. Der Großteil der Schriften und Diskussionen über die Matrix ist in diesem Luftreich daheim, wo es leicht ist, ein paar philosophische Blätter vom Boden aufzuheben und in die Atmosphäre des abstrakten Denkens zu blasen, wo sie leichter sichtbar sind. Wenn sich die Dinge jedoch nicht weiterentwickeln, hinein in das Reich des Feuers, dann kann die Erfahrung des Films selbst, oder die Diskussion verwandter Themen und Ideen, allzu abgehoben von der grundlegenden Erde werden und in uns ein Gefühl der Leere hinterlassen. Obwohl auf dieser Ebene oft tiefe und belebende Einsichten auftauchen, können sie auf der flüchtigen Brise unseres Denkens wegdriften, ihre momentane Wirksamkeit verflüchtigt sich und hinterlässt uns nur eine trockene Spreu der Realität.

Feuer:

Alles muss durchs Feuer gehen und dadurch sein Ende mit seinem Anfang verbinden. Hier finden wir die lokalen, inneren Verbindungen, im Wasserreich von innen nach außen wirkend, verwandelt in eine größere Form von Verbundenheit, die von außen nach innen wirkt. Auf dieser Ebene können wir nicht nur alle Aspekte ansprechen, die in den vorherigen Phasen hervorgebracht wurden, sondern wir können uns ihnen in einem größeren Kontext nähern, in dem die gewonnenen Erkenntnisse bedeutungsvoll werden. Jetzt können wir die Gesamtentwicklung des Ganzen von den ursprünglichen Fakten bis zu den größten Mustern und Zusammenhängen ansprechen, d.h. wir können die Dinge kosmologisch betrachten. Oft entstehen auf dieser Ebene nicht einfach neue Informationen, sondern bessere Fragen. Auf welche Weise verbinden sich die Bilder, Themen und Ideen des Films zu größeren sich entfaltenden Mustern, und was könnten diese Muster sein? Ist es möglich, die Einbettung des Films in diese Muster auf eine Weise zu erleben, die uns das Gefühl einer kohärenten, bedeutungsvollen Verbundenheit vermittelt? Drücken die Filme die Feuerqualität der Transformation aus und finden sie einen Weg, die Transformation der Zuschauer potenziell zu beschleunigen?

Da der alchemistische Kreislauf der Elemente fraktaler Natur ist und praktisch jeden Prozess beschreibt, kann er auf jeder Ebene des Films angewendet werden: auf die Bilder selbst, auf die Entwicklung der Handlung, auf ihre berauschenden Ideen und zu seinen subtil eingebetteten Bedeutungen. Die Transformation jedes einzelnen Elements kann mit der archetypischen Linse des elementaren Prozesses individuell verfolgt werden; wie bei russischen Puppen ist der Prozess auf jeder höheren und niedrigeren Ebene selbstähnlich. In diesem Essay werde ich diese fraktale Leiter implizit auf- und absteigen und flexibel das Benötigte von jeder Ebene nehmen, um ein Bild zu verweben, das eine Beleuchtung aus einem speziellen Blickwinkel bieten soll. Aber auch Feuer ist nicht das Ende – denn aus dem Inferno kommt die Asche einer neuen Erde, einer Erde, die verwandelt wurde (und sich wieder verwandeln wird). Hoffentlich werden Sie als Leser durch die Lektüre dieses Essays durch Ihren eigenen alchemistischen Kreislauf geführt und finden sich dadurch in einer völlig neuen Beziehung zu den Filmen wieder. Wenn Sie beim nächsten Betrachten der Matrix-Trilogie das Gefühl haben, sie neu zu sehen, dann bin ich zufrieden.

Anthroposophische Skizzen

Nun eine Feuer-Aussage: Ich behaupte, dass die Matrix-Filme eine der genauesten filmischen Darstellungen eines zeitgenössischen Bildes der inneren spirituellen Prozesse sind, die in der kosmischen Evolution der Menschheit ablaufen. Diese Auffassung steht freilich nicht im Gegensatz zu den anderen möglichen Interpretationen, sondern fügt etwas hinzu. Um diese Aussage aufzulösen, braucht es einige einleitende Worte zu ihrem weiteren Hintergrund; Hintergrund sind in diesem Fall einige geisteswissenschaftliche Erkenntnisse der Anthroposophie Rudolf Steiners, die ein kosmisches Bild der Bewusstseinsentwicklung in großem Maßstab bietet. Ein kurzer Überblick, gemalt mit breitem Pinselstrich, genügt vorerst – weitere Details werden bei Bedarf eingeführt.

Und ein Luft-Moment: Lassen Sie uns unsere Perspektive neu bewerten und uns Folgendes vorstellen: Wir sind nicht bloß Menschen, die spirituelle Erfahrungen machen, sondern spirituelle Wesen, die menschliche Erfahrungen machen.

Und ein Wasser-Übergang: Das Wichtige ist die Evolution dieser spirituellen Wesen, die eine Zeit lang gerufen sind, zu erfahren, wie es ist, ein Mensch zu sein – eine Zeit, die viele Leben umfasst und durch die wir uns verbunden finden mit dem größeren spirituellen Kontext der Evolution nicht nur anderer Menschen, sondern auch der Evolutionswesen unterschiedlicher Konfigurationen, einschließlich der Erde selbst.

Und die grundlegende Erde: Die Geistesforschung Steiners zeigt, dass ein Bild menschlichen Seins in seinem größeren spirituellen Kontext neben der physischen Materie des menschlichen Körpers auch höhere Aspekte beinhalten muss, wie zum Beispiel einen Lebenskörper (den sogenannten Ätherkörper), einen Gefühlskörper (genannt Astralkörper), ein individuelles Ego oder „Ich“, sowie höhere Wandlungsstufen derselben.

Der physische Körper wird gut verstanden, da er als Einziger von der heutigen Wissenschaft anerkannt wird, welche für ein Verständnis dieser Ebene besonders geeignet ist. Da die Menschheit vom Bewusstsein des Physischen dominiert wird, bedarf es keiner weiteren Erwähnung, außer der Bemerkung: wäre dies alles, was existiert, dann würden wir lediglich vom mineralischen Aspekt des Menschen sprechen, der in Ermangelung der formenden Kräfte des Ätherleibes beim Tod sofort der physischen Auflösung unterworfen wird.

Durch die Erfahrung des Atemanhaltens kann man sich unmittelbar ein Bild von den treibenden Kräften machen, die im Ätherleib wirken: Es wird ein Punkt erreicht, an dem die bewusste Absicht, nicht zu atmen, nicht in die Tat umgesetzt werden kann, sei es durch ein Versagen des bewussten Willens oder durch die gewaltsame Vertreibung des Bewusstseins aus dem Akt des Nichtatmens: d.h. Ohnmacht. In beiden Fällen ist die Notwendigkeit, die Lebensvorgänge wie das Atmen fortzusetzen, der Tätigkeit des Ätherleibes zuzuschreiben. Alle Prozesse des Wachsens und Vergehens werden durch die im Ätherleib wirkenden Kräfte gebildet. Aber wäre dies alles, was den Menschen ausmacht, wären wir bloß Pflanzen.

Der Astralleib ist ein höheres Glied des Menschen; er bewirkt die Fähigkeit, etwas Äußeres durch den Empfindungsprozess nach innen zu spiegeln. Der Astralleib formt unser Sinnesleben durch die Tätigkeit unserer Sinnesorgane und gibt uns die Fähigkeit, zu reagieren. Insbesondere können wir die grundlegende Reaktion in der Polarität sehen, sich auf den Inhalt jeder Empfindung hin oder von ihr weg zu bewegen, wie selbst bei einem winzigen Pantoffeltierchen. Diese Fähigkeit zu Sympathie und Antipathie als innere Erfahrung unterscheidet uns von Pflanzen, aber wenn dies das Ende der Geschichte wäre, wären wir im wesentlichen Tiere.

Die Realität des „Ich“ oder Egos des Menschen ist eine Erfahrung, die uns so naheliegt, dass sie kaum wahrgenommen wird, aber wir können uns ihr annähern durch den Akt der Meditation über alles, was uns nicht gegeben ist als Erfahrung durch unser Sinnesleben, unsere Gedanken, unsere Emotionen oder unseren eigenen physischen Körper. Es ist der Denker, dessen Gedanken keinen anderen Inhalt haben als den Denkprozess selbst. Dies ist zu unterscheiden von dem, was man das „niedere Ich“ nennen könnte, das Ich, mit dem die unterschiedlichen Psychologien auf unterschiedliche Weise umgehen. Das „Ich“ ist das spirituelle Wesen, das die Maske des niederen Egos „durchschallt“, ausgedrückt als die Persona. Anthroposophie bietet einen Hintergrund, mit dem man lernen kann, die Entwicklung jedes dieser grundlegenden Aspekte des Menschen sowohl innerhalb als auch zwischen den Leben individuell und kollektiv zu verfolgen.

Aber der Mensch ist nicht das einzige Wesen im Universum – eine Erkenntnis, die nicht spezifisch für die Anthroposophie ist. Andere spirituelle Wesen existieren auf verschiedenen Ebenen um die Menschheit herum, und alle sind an einem Prozess der kosmischen Evolution beteiligt und haben eine gewisse Beziehung zu den Menschen. Wir können die Beziehung zwischen der Menschheit und anderen Wesen, die wir Engel, Erzengel usw. nennen können, stark vereinfacht beschreiben, indem wir sagen, dass sie entweder progressiv oder regressiv mit uns zusammenarbeiten. Insbesondere müssen wir drei Wesen identifizieren, die im Innenleben der modernen Menschheit – und in der Matrix – eine herausragende Rolle spielen.

Wir können von der übermäßigen Aktivität des ersten Wesens sprechen, die die Tendenz des Menschen zu Ausdehnung, Inflation, Egoismus, Sinnlichkeit, Leidenschaft und ungeerdeter Spiritualität hervorruft; dies führt zu der Vorstellung, wir seien Götter. Das zweite Wesen repräsentiert Tendenzen zur Kontraktion, Reduktion, Spaltung, Materialismus, Überintellektualisierung, Lüge und Verleugnung spiritueller Realitäten; dies führt zu der Vorstellung, dass wir nur materielle Wesen seien. Beide Wesen spielen auch eine hilfreiche Rolle und sind für das menschliche Leben sogar unentbehrlich, da die erste uns zu unserer Freiheit erweckt, während die zweite uns die Fähigkeit zum Sprechen und Denken verleiht. Das erste Wesen kann Luzifer genannt werden, um es vom zweiten Wesen zu unterscheiden, das wir Ahriman nennen können, der zoroastrische Name für den Teufel. Diese beiden Wesen bilden eine Polarität von Gegensätzen, durch die sich die Menschheit ihren Weg machen muss, indem sie sie gegeneinander ausbalanciert, um nicht in die Fehler eines der beiden zu verfallen. Dies ist genau der Weg, den Neo in der Matrix-Trilogie allegorisiert – ein Weg, den das dritte Wesen, der Christus [2], bereitet hat.

Rudolf Steiner / Edith Maryon: Der Menschheitsrepräsentant

In Steiners atemberaubender Holzschnitzerei „Der Menschheitsrepräsentant“ ist eine Darstellung dieses Wesens des eifrig vorwärtsschreitenden Christus zu sehen, die Arme zwischen den gegensätzlichen Kräften Luzifers oben und Ahriman unten ausgestreckt.

Neos Namen

Zu Beginn des ersten Matrix-Films finden wir Neo schlafend an seinem Schreibtisch, umgeben von blinkenden Computerbildschirmen, Kopfhörer, die ihm das Hören blockieren. Dies ist ein Bild der Ausgangssituation von uns allen: schlafend inmitten der fragmentierten Inhalte und Prozesse unseres Unbewussten, unser Bewusstsein verdunkelt, begrenzt, aber auf der Suche nach Sinn. Doch der Ruf kommt immer: „Wach auf, Neo.“ Dies ist der Ruf, das Klopfen an unsere innere Tür, zu erkennen, dass wir zu einer Transformation hier sind – eine Transformation unserer selbst, die gleichzeitig eine Transformation der Welt ist. Neo, aus dem Griechischen neos, was „neu“ bedeutet, ist der Archetyp dieser Transzendenz, der Überwindung des eigenen Traum-Selbst, des Hindurchdringens durch die eigene Persona bis hin zur Entdeckung des Prozesses des sich entwickelnden ICHs in seinem kosmischen Kontext. Neo ist somit sein wahrer Name, sein geheimer, esoterischer Name, der Name, durch den er erwachen soll und zu dem er gerufen wird – dieser Name ist die Essenz seines potentiellen Selbst, welches zugleich seine Funktion ist.

Trojaburg

Aber so wie wir beim Eintreten in eine Trojaburg beinahe unmittelbar an den innersten Kreis treten, nur um dann auf einem langen und gewundenen Pfad herumgeführt zu werden, bevor wir tatsächlich das innerste Heiligtum erreichen, so ist auch dieser Anfang nur eine Andeutung, denn tatsächlich hat Neo zwei andere Namen, Thomas Anderson und „the One“ – mit denen er sich jeweils identifizieren und sie dann transzendieren muss, um schließlich Neo zu werden. Dies spiegelt ein spirituelles Prinzip wider, das in Übergangsriten zum Ausdruck kommt, nach deren Abschluss dem Eingeweihten ein neuer Name gegeben wird, der die Natur seines Wesens wahrhaftiger ausdrückt, während es sich durch einen Transformationsprozess hindurcharbeitet.

Textfeld:  Agent Smith
Agent Smith

Agent Smith sagt Mr. Anderson während seines Verhörs im ersten Film: „Es scheint, dass Sie ein Doppelleben führen… eines dieser Leben hat eine Zukunft, das andere nicht.“ Thomas A. Anderson ist Neos Persona, ein äußerer Ausdruck von Identität, und ist insofern ein falscher Name, als er durch das Spiel und die Manifestation unbewusster Kräfte existiert. Der gesamte erste Matrix-Film ist in der Tat eine Darstellung des Kampfes um die Selbsttranszendenz von Thomas Anderson in „den Einen“ (the One) oder, wie es in der deutschen Synchronisation heißt, „den Auserwählten“.

Thomas bedeutet auf Hebräisch „Zwilling“. Anthroposophisch können wir von der Geburt eines zweiten Wesens in uns sprechen, eines Wesens, das nicht an das Unbewusste gebunden ist, wie wir es heute vorfinden, sondern das aktiv und bewusst an seiner eigenen Selbstschöpfung teilnimmt. Anderson, von der griechischen Wurzel andras, „Mensch“, kann man übersetzen als „Sohn des Menschen“ – dies ist tatsächlich der esoterische Ausdruck, der in der Bibel verwendet wird, um auf das Christuswesen hinzuweisen. Als Neo das Schiff Nebukadnezar zum ersten Mal betritt, sehen wir eine Plakette, eingraviert ist „Markus 3 Vers 11“, diese Bibelstelle lautet: „Als die unreinen Geister ihn sahen, fielen sie vor ihm nieder und riefen: ‚Du bist Gottes Sohn!‘, denn der Menschensohn ist auch Gottes Sohn!“ In der Matrix dient dies als Hinweis auf die Geburt des zweiten Wesens in uns, nach dem Christuswesen – eine Sohnschaft, die potenziell allen Menschen offen steht.

Thomas hatte als einer der zwölf Apostel die Eigenschaft, an der Überwindung des Todes durch das Christuswesen zu zweifeln, bis er seine Wunden tatsächlich mit eigenen Augen sah. Genau in dieser Situation befindet sich Mr. Anderson am Ende des ersten Films, als er von Agent Smith erschossen wird – er hat den ganzen Film lang an seiner eigenen Natur gezweifelt und dachte, er sei nicht der Eine, bis er tatsächlich auf seine eigenen Wunden hinunterschaut, um zu sehen, wie das Blut seines alten Lebens verebbt. So überschreitet Thomas Anderson eine spirituelle Schwelle, stirbt als Mr. Anderson und erwacht als der Eine.

Während des zweiten Films, Matrix Revolutions, identifiziert sich Neo als der Eine und nimmt diese neue Rolle vollständig ein. Aber das ist nicht seine wahre Identität; Tatsächlich hilft uns die anthroposophische Einsicht zu bestimmen, welche Muster in dieser neuen Inkarnation von Mr. Anderson zum Ausdruck kommen. Es ist leicht zu erkennen, dass „ONE“ (Eins) ein Anagramm von „NEO“ ist; die Bedeutung davon wird jedoch im Allgemeinen nicht verstanden. Thomas Anderson ist auf dem Weg, Neo zu werden. Wenn wir uns die Buchstaben seines Namens metaphorisch ansehen, können wir sehen, dass er am Ende des ersten Films alles ablegt, was ihn zurückzuhalten scheint, und die drei Buchstaben übrig bleiben, die später seinen wahren Namen bilden – aber die Buchstaben sind in einer Zwischenform ONE (Eins/der Eine) angeordnet. Warum? Warum kann sich Thomas Anderson nicht einfach direkt in Neo verwandeln?

Anthroposophische Einsicht führt zu einem Bild von der Entwicklung des Menschen, die heute sehr stark mit der Transformation und Integration von Einflüssen aus den zuvor luziferisch genannten Wesenheiten befasst ist. Neos Gefühl, der Eine zu sein, ist genau das Gefühl, das auftritt, wenn die luziferischen Tendenzen im Astralkörper zu stark wirken. Mit anderen Worten, der Eine zu sein ist eine Art Verwirrung, die aus einem Missverständnis der wahren Natur aufgrund einer Überdehnung resultiert.

Diese erste Befreiung führt Thomas Anderson in eine ganz neue Welt, in der er Hellsichtigkeit und spirituelle Kraft hat. Er kann den Code der Matrix, seine zugrunde liegenden Muster und Archetypen „sehen“, und dieser Anblick ermöglicht es ihm, Aspekte der Matrix willentlich zu transformieren. Umgangssprachlich können wir in einem Moment der Selbstinflation sagen: „Ich bin derjenige welcher“, wo Thomas Anderson sagt: „Ich bin der Eine“. Seine neu gefundene Macht führt sein niederes Ego zu dem Glauben, dass es gefunden hat, was es sucht, und sammelt für sich alle Macht und Vision, die es bekommen kann. Doch wie die Traditionen des Mahayana-Buddhismus klar herausgestellt haben, ist ein solcher Zustand letztendlich ein Traum, denn in dem Maße, in dem ein Wesen nach Macht für sich selbst sucht, wird es von eben dieser Macht gefangen und erleidet ihre karmischen Auswirkungen wie jedes geringere Wesen. Es geht also nicht darum, ein Gott zu werden, endlich an den Ort der größten geistigen Kraft und Einsicht zu gelangen, sondern immer wieder neu zu werden, sich nicht täuschen zu lassen, dass man zu irgendeinem Zeitpunkt den Prozess der Evolution abgeschlossen hat. Deshalb ist Neos Name so mächtig – er drückt die tiefste Funktion des seienden Wesens selbst aus.

Bei Neos Treffen mit dem Architekten (den wir schon bald besuchen werden) entdecken wir, dass er tatsächlich die 6. „Version“ des Einen ist. Hier sehen wir deutlich, dass ‚das Eine‘ eine Kategorie ist, Beschreibung von Funktion und Zustand eines Wesens, so wie wir jemanden einen Zimmermann nennen könnten. Der Eine ist im Grunde eine Rolle, die Neo erfüllt, bis zu seinem Treffen mit dem Architekten und dem Moment, in dem er die Tür wählt, die zurück in die Matrix führt, als seine Rolle als der Eine stirbt und er sich jetzt in Neo verwandelt. In diesem Moment kommen die letzte luziferische Versuchung und ihre Verwandlung zum Ausdruck. Neo könnte an dieser Stelle angeblich der Retter der Menschheit sein, aber nur in einem niederen Sinne, indem er „das Hauptprogramm neu startet“, wie der Architekt es ausdrückt. Stattdessen tut Neo etwas wirklich Neues: Durch persönliches Interesse an einem anderen Individuum, Trinity, (die wir später als Ausdruck des Gefühls erkennen werden), kehrt Neo nicht in die reale Welt zurück, sondern in die Matrix, in die Welt der Illusion, wo er Trinity wiederbelebt, indem er buchstäblich eine heilende Hand um ihr Herz legt.

Textfeld:  Trinity und Neo
Trinity und Neo

In dieser Szene drückt Neo den Archetyp des Werkes des Christuswesens aus. Etwas wirklich Neues ist in die Matrix eingetreten, das auf fünf frühere Manifestationen der Rolle des Einen folgt, ähnlich wie das Christuswesen, wie es im Bericht des Neuen Testaments manifestiert ist, auf die fünf vorherigen Bücher der Thora folgte, den Pentateuch, die „fünf Behältnisse“. Die Geisteswissenschaft zeigt, dass das Christuswesen gewissermaßen zwischen den Menschen, in ihren Beziehungen zueinander, besonders aktiv ist. Mit anderen Worten, das Christuswesens wirkt nicht durch eine theoretische pauschalisierte Segnung der gesamten Menschheit im Allgemeinen, sondern durch die Verwandlung der Individuen in Bezug aufeinander. Neos Wahl spiegelt dieses esoterische Prinzip genau wider.

Woher wissen wir, dass die Dinge vor und nach jeder Transformation anders sind? Wir können dies an drei spezifischen Stellen deutlich sehen. Die erste Verwandlung wird in dem Moment gefestigt, in dem Thomas Anderson, verwandelt in den Einen, am Ende des ersten Films seine Hand ausstrecken kann, um die Kugeln der Agenten zu stoppen, hauptsächlich weil er Kenntnis von seiner neuen Identität erlangt hat. Die zweite Transformation wird deutlich, als Neo im zweiten Film die Fähigkeit manifestiert, Trinity zu retten, indem er Trinitys Herz mit seiner eigenen Hand wiederbelebt. Hier wird der Eine durch eine Transformation und Einverleibung des Gefühlslebens (mehr dazu weiter unten) zu Neo, aber zu einem Neo am Anfang seiner Reise. Diese Transformation spiegelt sich „außen“ (in der realen Welt) wider, wenn am Ende des zweiten Films die „Trinität“ von Morpheus, Trinity und Neo vor den Wächtern flieht und Neo sagt: „Etwas ist anders. Ich kann sie fühlen.“ In diesem Moment hat Neo wirklich den nächsten Schritt in Richtung des inneren Kreises der Eingeweihten getan; er hat die Fähigkeit, seine Kräfte in der realen Welt zu manifestieren, indem er seine Hand ausstreckt, um die Wächter zu betäuben, eine Kraft, die zuvor auf die Welt der Matrix beschränkt war. Neo hat sich zu diesem Zeitpunkt vollständig in seinen Namen inkarniert: neu. Somit ist Neo endlich Neo für den dritten Film, Matrix Revolutions. Doch auch das ist noch nicht das Ende des Prozesses – aber bevor der nächste Schritt verstanden werden kann, müssen wir die Dinge noch einmal aus einem anderen Blickwinkel betrachten.

Denken, Fühlen und Wollen

Mit etwas Nachdenken können wir zu sehr tiefen Einsichten in die Natur des Menschen gelangen. Zunächst können wir uns bewusst sein, dass ein wesentlicher Aspekt meiner Erfahrung aus allem besteht, was in meiner Seele als Denken erscheint. Dies ist eine Fähigkeit, und ich kann mich durch diese Gedanken in Beziehung zur Welt erfahren. Mein Denken steht gewissermaßen abseits von den Gegenständen meines Denkens, und das gibt mir die Fähigkeit, mehr oder weniger objektiv zu sein. Ich kann mit meinem Denken objektiv in die Welt eintreten. In diesem Bereich bin ich ganz wach. Gegenwärtig sind Menschen so konfiguriert, dass sie im Bereich des Denkens das meiste Gewahrsein und die größte Kontrolle haben, eine Erfahrung, die ich direkt und leicht machen kann. Ich kann meine Gedanken relativ leicht und bewusst ändern. Das Denken kann man sich als das objektivierende Prinzip [3] des „Ich“ vorstellen; es ist physiologisch mit dem Gehirn, den Sinnesorganen und dem Nervensystem im Allgemeinen verbunden.

Doch kann ich mein Verhältnis zur Welt auch durch die Fähigkeit zu Fühlen erfahren, von dessen Objekt ich mich unweigerlich angezogen oder abgestoßen finde. Diese Fähigkeit verschafft mir einen viel seelenvolleren Umgang mit der Welt und mir selbst, da sie nicht so leicht vertrocknet durch die Objektivierung des Denkens, sondern zunächst subjektiv bleibt.In diesem Bereich befinden sich die Menschen mehr oder weniger im Traumzustand. Hauptsächlich träumt unser Ego in unserem Gefühlsleben, und es ist sehr schwierig, im Gefühlsleben die Kontrolle zu erlangen; wir haben vielmehr die Erfahrung, dass Gefühle von unten aufsteigen, von einem Ort aus, zu dem unser Bewusstsein nur dunklen Zugang hat, und wir finden uns oft relativ machtlos, die Richtung unserer Gefühle zu ändern.Das Gefühl kann man sich als das Beziehungsprinzip[4]des „Ichs“ vorstellen; es drückt sich körperlich aus in den Aktivitäten des rhythmischen Systems, vor allem Lunge und Herz.

Schließlich kann ich eine andere, viel subtilere Beziehungsebene sehr schwach wahrnehmen, die des Wollens. Absichten, die sich vor allem im Denken vollziehen, sind nur blasse Imitationen der tiefen Willenskraft, fast so, wie einer flachen Fotografie eine ganze Dimension ihrer zugehörigen Wirklichkeit fehlt, die wir in einer Absicht rekonstruieren. Meist ist der Mensch im Willen wie schlafend und hat nur eine leise Ahnung von dessen wahren Wirken.Wir haben kaum die Möglichkeit, unseren Willen zu ändern, aber diese Fähigkeit zum schöpferischen Handeln ist gewissermaßen die Grundnatur des Menschen und kann als das aktive Prinzip [5] des „Ich“ betrachtet werden.Das Wollen findet sich physiologisch in der Aktivität des gesamten menschlichen Stoffwechsels, hauptsächlich unterhalb des Zwerchfells sowie in den Gliedmaßen.

Wir können ferner sehen, dass diese drei Fähigkeiten des Egos eng mit den verschiedenen zuvor erwähnten Körpern verbunden sind. Die Denktätigkeit entspricht dem Astralleib, die Fühltätigkeit dem Ätherleib und die Willenstätigkeit dem physischen Leib. Wo kommt all das in den Filmen ins Spiel? Wir müssen uns zunächst daran erinnern, dass wir es mit einem fraktalen Bild der kosmischen Evolution zu tun haben, die auf mehreren Ebenen gleichzeitig stattfindet, jedoch nach tatsächlichen spirituellen Mustern, die mit dem richtigen Hintergrund verständlich sind.

Textfeld:  Morpheus
Morpheus

Insbesondere können wir sehen, dass der Charakter von Morpheus repräsentativ für die Denkfähigkeit ist. Sein Name bezieht sich auf den griechischen Gott der Träume, so dass man meinen könnte, er sollte mit dem Gefühlsleben und dem Ätherkörper in Verbindung gebracht werden, aber wir werden sehen, dass dieser Name mehrere Bedeutungen simultan enthält. Morpheus ist diejenige menschliche Figur in der Trilogie, die im denkenden Leben am bewusstesten ist. Er ist ein zukunftsorientierter Anführer, ein Planer und Auftragsgeber, der Kapitän des Schiffes – so wie unser waches Bewusstsein im Alltag ist. Aber genauso wie unser waches Bewusstsein, das von unserem Denken dominiert wird, nicht unser höchstmögliches Bewusstsein ist, sondern wirklich ein „Traumbewusstsein“ in dem Sinne, dass wir denken, dass wir diejenigen sind, die das Schiff führen, obwohl wir in Wirklichkeit wenig oder kein Wissen oder Erfahrung unseres Wahren Selbst haben, unseres Zeugen oder „Ich“, so ist auch Morpheus' Realität am Ende eine Lüge, die entworfen wurde, um „den Zweck des Einen zu fördern“, wie der Architekt es ausdrückt. Morpheus’ Schiff, die Nebukadnezar, bezieht sich auf den babylonischen König, der rätselhafte Träume hatte, die interpretiert werden mussten. Das Problem von Morpheus als dem Denkleben ist die Unmöglichkeit, einen gesunden Prozess der Deutung lediglich durch die Denkfähigkeit zu bewerkstelligen. Ganz am Ende von Reloaded sagt Morpheus: „Ich hatte einen Traum, und jetzt ist dieser Traum fort.“ Morpheus muss seine eigene Natur transzendieren – er muss eine Wahrheit entdecken, die über das hinausgeht, was ihm durch sein Denken gegeben wurde, und in die Gewässer des radikal Unbekannten eintauchen. Der einzige Ausweg liegt im Pfad der Transzendenz und Integration des Denkens, Fühlens und Willens, den Neo für sie alle einschlägt.

So steht Morpheus, der Gott der Träume, also stellvertretend für unser normales Tag-Wach-Leben, das wir für real halten, aber in Wirklichkeit ist es ein Traum: die Matrix, eine Illusion – ein mentales Konstrukt. Wie bei Morpheus am Ende von Reloaded muss unser unhinterfragter und unkritischer Glaube (wie Morpheus' Glaube an das Orakel) an eine Weltwahrnehmung gegenüber ihrer vermeintlichen Realität durch eine Bewusstseinserhöhung auf das nächsthöhere Niveau transzendiert werden. Dieser Prozess wird insbesondere durch das Ringen Neos während des ersten Films veranschaulicht.

In Morpheus wird uns auch bildhaft präsentiert, was passiert, wenn das denkende Leben Vorrang vor dem Fühlen und Wollen hat: man wird ins Bein geschossen. Unser Willenleben ist grundsätzlich in unseren Gliedern tätig; unsere Beine tragen uns nach unserem Willen vorwärts, während unsere Arme und Hände uns erlauben, Taten zu vollbringen, wenn wir ankommen. Im ersten Film sucht Agent Smith nach etwas Bestimmtem in Morpheus‘ Geist: dem Code, der den Zugriff nach Zion ermöglicht. Morpheus‘ Arme und Beine wurden gefesselt, als Ausdruck der Versklavung seines Willens an sein denkendes Leben. Morpheus ist im Wesentlichen von seinen eigenen Gedanken geblendet und schluckt die Verlautbarungen des Orakels ohne wenn und aber. Doch diese Art der Versklavung des Willens vom Denken, von Morpheus‘ eigenen Träumen, ermöglicht wie jeder Fundamentalismus extreme Willensleistungen und Sturheit. In diesem Fall kann Morpheus seine Fesseln gewaltsam brechen, um zu fliehen, obwohl er durch den Schuss ins Bein das Zeichen eines gelähmten und unintegrierten Willens trägt.

Trinity folgt dem Glauben von Morpheus, nicht weil es intellektuell Sinn ergibt, sondern weil es sich richtig anfühlt. Sie selbst wird in erster Linie vom Gefühlsleben dominiert, speziell in Bezug auf Neo. Auch sie hat ein tiefes Vertrauen in das Orakel, durch Morpheus‘ Beispiel.Sie veranschaulicht die Probleme und Tugenden des Fühlens: Am Anfang des ersten Films ist sie auf der Flucht vor einem Agenten, und nachdem sie durch ein Fenster getaucht und eine Treppe hinuntergerollt ist, ist sie vor Angst eingefroren, den Blick auf das offene Fenster gerichtet, durch das, wie wir annehmen müssen, jede Sekunde ein Agent auftauchen wird. Ihr Gefühlsleben (Angst) überwältigt ihr Willensleben so sehr, dass sie sich bewusst laut sagen muss: „Steh auf Trinity. STEH AUF!“ um ihren Willen zu aktivieren. In Reloaded opfert Trinity sich selbst und bricht sogar ihr Versprechen an ihren geliebten Neo, die Matrix nicht zu betreten, um die gesamte Operation und damit die Menschheit zu retten. Dies ist ein Opfer des Herzens in der primären Geste der Sympathie.

Neo selbst ist der unbewussteste aller Charaktere, jedenfalls bis zum Ende des ersten Films. Er zeigt kein komplexes Denken (tatsächlich scheint er intellektuell überwältigt von Morpheus‘ Erklärung der Unwirklichkeit der Matrix zu sein, und reagiert mit einer körperlichen Aktion, nämlich Erbrechen), und sein Gefühlsleben ist zunächst reichlich mittelmäßig. Das einzige, was ihm wirklich hilft, scheint seine besondere Fähigkeit, Leute so richtig in den Arsch zu treten, wenn es nötig ist – zumindest bis zu seiner zweiten Verwandlung. Er ist ein Bild dessen, was im Menschen am unbewusstesten ist, jedoch das größte Potenzial hat: des Willens.

Die gesamte Trilogie ist eine Aufzeichnung des Prozesses der Transformation und Integration dieser drei Aspekte, des Denkens, Fühlens und Wollens. Der Vorgang selbst wird tatsächlich vom Willen unternommen, vom innereigenen Ausdruck des Ichals Aktivität; d.h. von Neo. Der Wille ist genau das, was den Anstoß zum Transzendieren und Integrieren gibt, der Reihe nach: das Denken, das Fühlen und dann das Wollen selbst (Opfer). Daher muss Neo diese Phasen durchlaufen und erlangt dabei die damit verbundenen Fähigkeiten von…

Imagination, Inspiration und Intuition

Anthroposophisch betrachtet muss der Mensch die gegebenen und unbewussten Fähigkeiten des Denkens, Fühlens und Wollens als Teil seines spirituellen Fortschritts ansprechen und transformieren. Unser Denken ist zunächst wild, unkontrollierbar, phantastisch und allen niederen Kräften des Unbewussten unterworfen. Durch entsprechendes Training kann das Denken durch verschiedene Aktivitäten wie Meditation zur Ordnung gerufen werden.

Für die meisten Menschen geschieht die Transformation und Harmonisierung dieser drei Fähigkeiten unbeabsichtigt und hauptsächlich durch unbewusste Kräfte (durch die sowohl progressive als auch regressive Wesen wirken). Mit anderen Worten, man muss nicht meditieren, damit dieser Transformationsprozess stattfinden kann. Glücklicherweise wurden die Dinge so strukturiert, dass der Prozess des Lebens selbst uns voranbringen kann. Für diese Menschen reicht es, einfach ‚normal‘ zu sein, und das ist wertfrei.

Gleichzeitig interessiert sich jedoch ein bestimmter Teil der Menschheit auf direktere und bewusstere Weise für den Prozess der Selbsttransformation. Wenn man diesen Prozess ernst nimmt, beginnt man Verantwortung für die eigene Entwicklung zu übernehmen; dies ist der Prozess der Einweihung.

Im ersten Matrix-Film ist dies genau der Schritt, den Neo (als Thomas Anderson) macht, als er dem Ruf zum Aufwachen nachkommt, der in einem noch unbewussten Willensakt ausgeführt wird, in dem Moment, in dem Morpheus ihm eine Wahl bietet zwischen der roten und blauen Pille. Die rote Pille repräsentiert zum Teil den luziferischen Weg der wahren Erkenntnis, den Wunsch nach Transzendenz und darüber hinaus in die geistige Welt. Die blaue Pille hingegen können wir uns so vorstellen, dass sie Wasser aus dem Fluss Lethe enthält, was uns die Suche nach Wahrheit vergessen lässt, sodass die Wahrheit durch die ahrimanische Lüge ersetzt werden kann, welche das Wesen der Matrix selbst ist. Selbstredend hat Neo keine Idee davon, worauf er sich einlässt, aber er hat eine Ahnung (verbunden mit dem Willenleben, wie es in Neo zum Ausdruck kommt), dass dies der einzige Weg ist, der für ihn eine Zukunft bietet. Wir alle, die eine ähnliche Verpflichtung eingehen, sind in der Lage, alles aufgeben zu müssen, was wir zu wissen glaubten, für das, was man das radikal Unbekannte nennen könnte, und wir haben nichts als unsere Absicht, die Hülle unseres Willens, um uns auf diesem Pfad zu halten, während unsere Welt um uns herum zusammenbricht. Neo drückt seine Verbindung zu genau diesem Aspekt des menschlichen Seins aus, als Morpheus Neo fragt, bevor er ihm die Pillen anbietet: „Glaubst du an das Schicksal, Neo?“ Neos Antwort „Nein; mir missfällt die Vorstellung, dass ich mein Leben nicht unter Kontrolle habe“ trifft ins Schwarze für ein Wesen, das die ersten Schritte in Richtung Eigenverantwortung zur Selbst-Entfaltung macht. Dieser Wunsch nach Selbstbestimmung ist die treibende Kraft hinter der Entscheidung, den nächsten Schritt zu gehen.

Als Neo dann aus der Matrix entkoppelt wird, umfließt ihn eine Spiegelsubstanz. Darin ist ausgedrückt: wenn wir den Prozess der Selbsttransformation bewusst angehen, nehmen wir alles, was ‚real‘ zu sein schien, insbesondere unser eigenes Selbst, als eine sich stetig wandelnde Oberfläche wahr, die zunächst keinen Inhalt zu haben scheint als – etwas anderes. Wir werden zu einem Spiegelbild der Welt um uns herum, und wir beginnen zu erkennen, wie viel von unserem ‚Selbst‘ tatsächlich von dem stammt, was nicht ich ist. Dies ist der Prozess der Dekonstruktion, der für jeden Eingeweihten notwendig ist – eine Erkenntnis, dass wir nicht das sind, was wir zu sein glaubten – und er findet normalerweise statt, bevor wir eine positive Erkenntnis unseres wahren Selbst erhalten, damit wir unsere alte Persönlichkeit wirklich loslassen können.

So wird Neo gewaltsam aus der Matrix herausgeholt und wird aus einer Art von Gebärmutter [6] neu geboren – eine bizarre Kombination aus verflüssigten Toten und mechanischen Versorgungssystemen, die den menschlichen Körper kontrollieren. Neo selbst ist wie ein neugeborenes Baby; er hat nie seine Muskeln oder seine Augen benutzt und er ist relativ formlos, fast ein unbeschriebenes Blatt. Dies ist eine gute Analogie für das Gefühl, das auftritt, wenn der Neophyt die ersten Schritte auf dem Weg macht. Der Erweckungsprozess beinhaltet notwendigerweise eine unschöne Erkenntnis – keine denkende Erkenntnis, sondern eine direkt erfahrene Erkenntnis – dass unsere Umwelt und unsere unbewusste Energiequelle aus toten Strukturen bestehen, die aus früheren Leben geerbt wurden. Wir schwimmen im Schutt von veralteten Gewohnheiten und Mustern, die uns wie Schleim umhüllen und an uns kleben. Dieser Erfahrung folgt unmittelbar eine zweite: dass der Großteil der Menschheit immer noch schläft, in einem Zustand der inneren Erstarrung, sich der ‚wirklichen Welt‘ nicht bewusst. Ihre Bereitschaft, sich ihres Zustands unbewusst zu bleiben, gibt anderen Wesen reichlich Gelegenheit zur Erbeutung ihrer Energien, die unkontrolliert und unbewusst sind und daher leicht abgezapft werden können. Unnötig zu erwähnen, dass dieser Weg ein schwieriger Weg ist, mit vielen harten Erkenntnissen, die oft mit Verzweiflung beginnen können. Alchemistisch ist dies der Prozess der Kalzinierung – das Verbrennen von allem, was der zukünftigen Transformation nicht dient.

Der erste Matrix-Film beschäftigt sich mit Neos Akzeptanz dieses Weges der Transformation, der in seinem tatsächlichen Erwachen am Ende des Films durch seinen Tod als Thomas Anderson gipfelt. Neo wacht auf als der Eine, und dieses Erwachen ist seine Erleuchtung – das Erkennen einer höheren kosmischen Situation und unseres Platzes darin, nicht nur intellektuell, wie in dem Moment, als Morpheus Neo sagte, dass sein ganzes Leben ein Traum sei, sondern tatsächlich. Anthroposophisch ist dies die Transformation des Denkens – ein Prozess, der zu einer neuen Fähigkeit führt, genannt Imagination. Nicht zu verwechseln mit Fantasie, ist Imagination eine Fähigkeit zu höherem Sehen in der spirituellen Welt – es ist ein Sehen, das nicht auf das Fantasieleben (die Illusion der Matrix) beschränkt ist, sondern uns mit etwas Wirklichem in Kontakt bringt. So sehen wir den zweifachen Aspekt dieser Transformation: zum einen ein intellektuelles Erwachen (zur Realität der Matrix als Traum) und zum anderen die Transformation dieses intellektuellen Gedankens in eine tatsächliche Erfahrung des imaginativen Wissens – der Unterschied zwischen Wissen als solchem und Weisheit.

Nach der Einnahme der roten Pille (der Pille von Luzifer, des Wissens um eine geistige Welt) durchläuft Neo einen intensiven Trainingsprozess.Seine Augen sind geschlossen, und wie ein Meditierender ist er mit der Umgestaltung seines Denkens beschäftigt. Obwohl er intellektuell und abstrakt weiß, dass die Matrix nicht das ist, was sie zu sein scheint, muss er dieses Verständnis durch eine echte Transformation seines Denklebens sublimieren. Besonders deutlich wird dies im Kampfsport-Trainingsprogramm mit Morpheus, wo Neo ermahnt wird, zu erkennen, dass es nicht um das geht, was er denkt, sondern was er weiß. So zum Beispiel bei Morpheus’ Frage „Denkst du, das ist Luft, die du atmest?“ zu einem atemlosen Neo, und dann in seinem Vorstoß, Neo erkennen zu lassen, dass er „viel schneller sein könnte [als er glaubt]“. Auch Neo selbst, als er in das „Sprungprogramm“ gesetzt wird, wiederholt für sich den Refrain „Ich befreie meinen Geist“.

Neos Denkschulung führt letztendlich zu seiner neu gefundenen Fähigkeit, die wahre Natur der Matrix selbst zu sehen, die spirituelle Realität hinter den Bildern, d.h. den Matrixcode, zu sehen. Das Denken ist, wie erwähnt, mit dem Astralkörper verbunden, und seine Umwandlung führt zu einem gereinigten Astralkörper, der es uns ermöglicht, auf einer höheren Ebene bewusst zu sein, auf der Ebene des spirituellen Sehens, die Imagination ist. Durch die Transformation seines Denkens hat Neo die Fähigkeit erlangt, in der Traumwelt wach zu sein. Dies ist die wahre Transzendierung des Intellekts – ein echtes Wissen, das unter die Oberfläche des Bildes dringt, um dessen inneren spirituellen Archetyp zu offenbaren. Neo besitzt nun die Fähigkeit, imaginativ in der Welt der Bilder zu leben: der Welt der Matrix. Mit anderen Worten, durch diese Fähigkeit werden die statischen Formen und Gesetze der Bilderwelt veränderbar, weil sie als Bilder erkannt werden – indem man mit dem höheren Archetyp hinter den Bildern in Kontakt tritt, werden diese dazu gebracht, der Menschheit zu dienen statt umgekehrt – so werden seltsame yogische Kräfte wie Wandrennen und unmögliche Sprünge etc. erlangt. Diese Transformation ist auch erforderlich, damit Neo auf kosmisch spezifische Weise mit Agent Smith arbeiten kann, ein Thema, auf das wir später zurückkommen. Wir können diese Notwendigkeit, mit der Transformation der Denkfähigkeit zu beginnen, symbolisch auch in Neos Entscheidung erkennen, wieder in die Matrix einzutreten, um Morpheus, den Vertreter des Denkens, zu retten.

Der gesamte erste Film bezieht sich tatsächlich auf das Dilemma des Astralkörpers, den Körper der Wünsche und Begierden, auf die Schulung und Transzendenz des Denkens, auf die Überwindung dieser Tendenzen in der Erleuchtung. Psychologisch musste Neo einen Prozess durchlaufen, in dem er seine Denkweise über sich selbst änderte. Er musste seine scheinbare Identität als durchschnittlicher Mensch akzeptieren, um sie zu transzendieren – was nur erreicht werden kann, indem er sich voll und ganz der Möglichkeit stellt, dass er bloß ein durchschnittlicher Mensch sein könnte. Hätte Neo versucht, diese Persona/Maske einer durchschnittlichen Person zu umgehen oder zu leugnen, hätte er sie nie wirklich konfrontiert und könnte daher ihre Bedeutung und sein Schicksal darüber und durch sie nicht entdecken. Er musste als Durchschnittsmensch sterben, um die vollständige, volle Realität des Durchschnittsmenschen zu durchleben, damit er sie transzendieren konnte, um etwas ‚Neues‘ zu werden. Dies ist der niedere Aspekt. Der höhere Aspekt derselben Sache: Neo glaubt unter der ahrimanischen Herrschaft der Matrix, dass er nicht der Eine sei. Dies geschieht durch das subtile Wirken von Ahriman, dessen Versuch, die Menschheit von der Verwirklichung ihres wahren spirituellen Potenzials abzuhalten, die Angst nutzt, um in uns die Möglichkeit zu unterdrücken, auch nur die Idee zu fassen, dass wir als spirituelle Wesen in die spirituelle Welt eintreten können. Aber das geht natürlich nach hinten los, denn als Archetyp für die menschliche Entwicklung nimmt Neo seinen Nichtglauben an sich selbst als den Einen (seine Thomas-Natur) als unerwartete, kreative Geste, die vom Architekten nicht vorhergesehen werden konnte, und nutzt sie, um den Prozess zu beginnen, tatsächlich der Eine zu werden. Man muss seine im Denken gehaltene Idee von sich selbst aufgeben, um zu werden, wer man wirklich ist. Warum? Weil wir der Prozess des Werdens sind, nicht das, was bereits geworden ist. Das Loslassen der Vorstellung, dass er der Eine sein könnte, befreite ihn von einer astralen Bindung (geschmiedet durch die Polarität von ahrimischer Angst und luziferischem Verlangen in einer Art Teamwork), die sein Ego davon abhielt, sich auf den Prozess seines potenziellen Schicksals einzulassen, was ihm die Freiheit gibt, sich selbst als der Eine zu entdecken und zu erschaffen. Wir sind durch unsere Ideen buchstäblich in unserem Seelenleben gebunden, weil die Ideen fix sind. Mit anderen Worten, Neo konnte der Eine werden, weil er die Idee transzendierte, dass er der Eine sein könnte – er hatte die astralen Bindungen durchgearbeitet, die sein Ego mit dem Konzept verbanden, also wurde sein Ego frei, zu wählen… seinem Karma zu begegnen.

Das Gegenstück von Neos Transformation des Denkens sehen wir in der Judas-Figur des Cypher. An dieser Stelle sollte klar sein, dass im Wesentlichen jeder Charakter in den Filmen eine höhere, kosmologisch abgeleitete Bedeutung hat. Es wäre nicht praktikabel, jedes Detail dieser Korrespondenz für jeden Charakter zu beschreiben, aber im Fall von Cypher könnte eine tiefere Perspektive hilfreich sein, um somit zu zeigen, wie die Details des Films selbst den kosmischen Kontext widerspiegeln.

Ein Abstecher: Cypher

Textfeld:  Cypher
Cypher

Der Name Cypher hat, wie alle Namen von Charakteren in der Matrix, mehrere Bedeutungen. Mathematisch wird das Wort verwendet im Sinne von „keine Zahl oder Größe haben“; „Null“. Cypher fühlt sich als ein Mann ohne Wert oder Bedeutung – er fürchtet, eine Null zu sein. Er ist frustriert, weil er ständig Befehle von Morpheus annehmen muss. Diese Gefühle resultieren aus den Kräften Ahrimans, aus der Einschnürung und Kontraktion des Individuums zur Sinnlosigkeit, seiner Zerstückelung in nichts Bedeutsames. Gleichzeitig bedeutet Cypher auch „Chiffre“: eine Geheimschrift, die durch symbolischen Code gebildet wird – was Cyphers Funktion auf dem Schiff „Logos“ beschreibt: den Code der Matrix zu dechiffrieren. Dieser Aspekt seines Charakters verkörpert eine gewisse Geheimniskrämerei, das Verstecken vor den Augen anderer. Weil Cypher zunächst einer ahrimanischen Tendenz zur Selbstherabsetzung zum Opfer fällt, läuft er danach kompensatorisch in die luziferische Falle der Macht- und Sinnlichkeitslust und Ego-Aufblähung. In seinem geheimen Treffen mit Agent Smith, nachdem er ein saftiges Stück Steak gegessen und gesagt hat, dass „Unwissenheit Gnade ist“, sagt Cypher: „Ich möchte mich an nichts erinnern – nichts, verstehen Sie? Und ich möchte reich sein – jemand Wichtiges, wie ein Schauspieler.“ Smiths Antwort darauf lautet: „Was immer Sie wünschen, Mr. Reagan.“

Dieser ganze Austausch ist ein archetypischer Ausdruck dessen, wie Cypher den luziferischen Kräften zum Opfer fällt, weil er sich zu stark mit dem Ahrimanischen identifiziert hat. So wird er selbst wie Luzifer, indem er der Sinnlichkeit und dem Spiel des Lichts, welches die Matrix ist, erliegt. So wird Cypher dem Lu-cypher unterworfen; Luzifer verspricht, seine ahrimanische, mathematische Entwertung mit weltlichen, sinnlichen Gaben auszufüllen. Luzifer wird dir stets das geben, was du wünschst, aber nicht das, was du zur Selbsttransformation brauchst. Sehen wir uns weiter an, wie Cypher im Film einen Teil des kosmischen Dramas der menschlichen Evolution spielt, in seiner Rolle als Judas, der dem Luzifer erliegt. Dazu machen wir einfach eine Reihe von Vergleichen.

Judas ist ein Jünger von Jesus, so wie Cypher ein Anhänger von Morpheus ist. Judas' Verrat geschah im Tausch gegen 30 Silberstücke, ein Mittel für materielle, sinnliche Zwecke, so wie das Steak bei Cypher für ein Leben steht, das man im Dienste seines niederen, sinnlichen Selbst führt. Beide Verrate werden bei einem Essen besiegelt, beim Letzten Abendmahl und bei dem, was schließlich Cyphers letztes Abendmahl mit Agent Smith ist. Judas trinkt während dieses Abendmahls mit Jesus, wie Cypher und Neo an der Computerkonsole gemeinsam einen Drink nehmen, kurz bevor Cypher sich für sein Treffen einklinkt. Judas verrät Jesus mit einem Kuss, und Cypher verrät Morpheus mit einem Niesen. In beiden Fällen bestand der Verrat darin, dem Feind den genauen Standort des Mannes zu verraten, damit er gefangen genommen werden konnte. Cypher trägt rote Kleidung mit einem Loch über dem Herzen (durch das Luzifer eindringt) und hat einen Ziegenbart – beides Symbole für Luzifer, den Teufel. Cypher bezeichnet sich Trinity gegenüber als „nur der Bote“ [nicht in der deutschen Synchronisation], so wie Luzifer sich in der Bibel als „der Bote“ bezeichnet, d. h. ein Engel (lat. Angelus bedeutet Bote), aber ein gefallener Engel [vgl. Jesaja 14,12 oder Hesekiel 28,12-15].

All diese Vergleiche zeigen das größere Bild auf, wie der Mensch in eine luziferische Völlerei verfallen kann, während sie gleichzeitig darauf hinweisen, dass dies ein notwendiger Teil des sich entfaltenden Dramas der menschlichen Evolution war, die ohne die Fähigkeit, auf diese Weise überwältigt zu werden, nicht in die Freiheit hätte fortschreiten können. Die Anthroposophie bietet einen spezifischen, kohärenten Rahmen, von dem aus Ereignisse wie diese sowohl in ihren Einzelheiten als auch in ihrem größeren Zusammenhang verstanden werden können.

Inspiration

So wie der erste Film ganz im Bereich der Umwandlung des Denkvermögens und des Astralleibs angesiedelt ist, so sehen wir auch in Revolutions die nächste gesetzmäßige Stufe der Umwandlung: die des Ätherleibs und des Gefühlslebens. Der gesamte Film befasst sich in gewisser Weise mit diesem Dilemma, und wir sehen dessen Ausdruck in Momenten wie der Tanzszene in Zion, die genau diese Fähigkeit des Fühlens und der ekstatischen Freude betont, die sowohl den Maschinen als auch den Programmen fehlt, sowie in der mitfühlenden Art und Weise, in der Neo alle Zionisten behandelt, die ihn als Christus-Figur sehen. Neos Beziehung zu Trinity in Revolutions ist vollendet und erfüllt, und sie sind durch das Band der Liebe verbunden (es fehlt eigentlich nur die formelle Trauung) – d.h. Neo ist nicht länger eine Art stumpfer Roboter, der Anweisungen von außen (vom Denkvermögen Morpheus‘) folgt, sondern wird in erster Linie von innen heraus bewegt, sogar bis zu dem Punkt, an dem er einer in seinem Herzen getroffenen Entscheidung folgt, lieber Trinity als die gesamte Menschheit zu retten – ein gefühlvoller Moment, wenn es je einen gab.

Die Transformation des Gefühlslebens findet in Revolutions in zwei Formen statt, die einem Ausdruck des Gefühlslebens als Beziehungsfähigkeit des ‚Ich‘ folgen. Zuerst eilt Neo zur Rettung von Trinity, wo er sie von innen heraus wiederbeleben muss (denken Sie an die Beziehung zwischen dem Gefühlsleben und den rhythmischen Systemen des Menschen: Lunge und Herz). Neo kann mit Hilfe seiner neu gewonnenen Vorstellungskraft die innere Struktur von Trinitys Körper sehen, aber jetzt ist mehr als nur Sehen erforderlich – er muss tatsächlich in diesen Körper, Trinitys Ätherkörper, eindringen, um ihr Herz, den Sitz des Gefühls, zu ergreifen und es wiederzubeleben. Neo hat seinen eigenen Ätherleib, symbolisch ausgedrückt in der Gestalt von Trinity, Repräsentantin des Gefühlslebens, transformiert bis zur Fähigkeit der Inspiration. Diese Fähigkeit ist nicht wie die Imagination auf die Tätigkeit in der Matrix selbst beschränkt, sondern als Transformation der tatsächlichen Gestaltungskräfte, die dem Organisationsprinzip des Lebens im Körper zugrunde liegen, kann sie sich in der realen Welt manifestieren, wie Neo zeigt, als er erklärt, er könne die ‚Wächter‘ fühlen, um sie dann zu stoppen durch eine Handbewegung, die der Geste zum Herzen Trinitys verdächtig ähnlich sieht. Wir sehen, wie ein anthroposophisch geprägtes Verständnis das, was sonst rätselhaft erscheinen mag, kohärent erhellen kann. Neos Fähigkeit, die tatsächlichen Maschinen in der realen Welt zu fühlen und zu manipulieren, ist nichts anderes als ein Ausdruck des Transformationsprozesses seines Ätherkörpers. Neo hat nun eine Fähigkeit zu Beziehung, in der ihm das Lebendige selbst zugänglich ist, auf einer tieferen Schicht als der des äußeren Bildes. Sein Gefühlsleben hat sich so entwickelt, dass er gefühlsmäßig durch Realität dessen, was ihn umgibt, hindurchschauen kann, und zwar insbesondere in das Herz seiner Feinde.

Intuition

Schließlich können wir das Bild vervollständigen, indem wir untersuchen, wie der dritte Film, Matrix Revolutions, eine weitere Verkörperung und ein gesetzmäßiger Ausdruck der in den ersten beiden Filmen begonnenen Muster ist. Nun geht es um alles, was mit der physischen Welt zu tun hat, und um die damit verbundene Umwandlung des Willens selbst in die höhere Fähigkeit der Intuition. Während wir mit der Inspiration eine Art höheres ‚Hören‘ der geistigen Welt haben, durch das sie ihre schöpferischen Kräfte und ihre Ordnung offenbart, haben wir mit der Fähigkeit der Intuition ein Stadium, in dem ein intuitives Eindringen in die Sphäre der eigentlichen Wesen selbst möglich wird. Mit anderen Worten, wir finden die Fähigkeit, in gewissem Sinne mit anderen Wesen in ihrem Innersten vereint zu sein. Die Imagination verbindet uns über den Astralleib mit den Mustern, die hinter dem Denkprozess liegen, die Inspiration verbindet uns über den Ätherleib mit den Gestaltungskräften, die hinter den Gefühlsprozessen liegen, während die Intuition uns über den physischen Leib mit dem grundlegenden Willensprozess selbst verbindet – und damit eine Art unvermittelten Kontakt zwischen zwei Wesen ermöglicht.

Von den drei Filmen spielt sich Revolutions überwiegend in der realen, physischen Welt ab. Wir können ihre Bedeutung deutlich an dem überwältigend körperlichen Krieg mit den Maschinen erkennen, und den vielen Szenen, die den Ort Zion und die Maschinenstadt durch das Thema der Tunnel und Leitungen in einen physischen Kontext setzen. Außerdem nimmt Smith in diesem Film als Bane körperliche Gestalt an, und wir werden Zeuge des physischen Todes von Trinity sowie von Neo selbst.

In Revolutions ist der Weg von Neo ein Weg der Transformation der Grundlage des ‚Ichs‘ als Willen, wiederum in zwei Formen manifestiert. Die erste ist, wenn Neo, nachdem er einige Zeit allein verbracht hat, „weiß, was er zu tun hat“ – nämlich direkt in das Herz der Maschinenstadt eindringen. Dieses Wissen entspringt Neos Intuition, die sich in seinen Visionen von den Energieleitungen ausdrückt, die zum Herzen der Maschinenstadt führen. Diese Reihe von drei Energieleitungen kann als Symbol für die grundlegende Kraft des ‚Ichs‘ gesehen werden, die dem Funktionieren der Maschinen zugrunde liegt und sich in der Fähigkeit zu denken, zu fühlen und zu wollen manifestiert. Neo hat die Fähigkeit erlangt, sich direkt mit dem zugrundeliegenden Wesen der Maschinen zu verbinden, aber er fürchtet, dass seine Entscheidung nichts anderes als seinen sicheren Tod bedeuten kann. Dennoch ist er von der Notwendigkeit dieser Handlung absolut überzeugt, obwohl sie unerklärlich ist. Er macht sich nicht einmal die Mühe, es irgendjemandem zu erklären, weil er weiß, dass es zwecklos ist, da die Intuition für ihn und nur für ihn völlig transparent ist. Für alle anderen außer Trinity (und auch für Morpheus, wenn er es wüsste) ist Neos vorsätzliche Entscheidung Wahnsinn und Selbstmord. Doch da Neo in diesem Stadium sein Denken und Fühlen verändert hat, sind diese beiden Eigenschaften sozusagen „an Bord“. Jetzt ist die Zeit zum Handeln gekommen – alles in den beiden vorangegangenen Filmen hat zu Neos Konfrontation sowohl mit dem Kopf der Maschinenstadt in der physischen Welt als auch mit Smith in der Matrix geführt. Der Prozess der Willensumwandlung vollzieht sich in subtilen Schritten, im Wesentlichen hinter den Kulissen, aber einige wenige Momente sind wirklich bezeichnend.

Auf dem Weg zur Maschinenstadt hat Neo die Gelegenheit, Smith in seiner Inkarnation als Bane zu treffen. Während ihres Ringens wird Neo durch die Wut von Smith/Bane körperlich geblendet, und seine Augen sind dauerhaft für die physische Welt geschlossen. Dies ist ein Hinweis darauf, dass Neo sich den letzten Stadien seiner Verwandlung nähert. Der Verlust des Augenlichts, der eigentlich negative Folgen haben sollte, ist in Wirklichkeit ein unerwartetes und wichtiges Geschenk für Neo. Die Gabe manifestiert sich als höchste spirituelle Sehkraft, die Fähigkeit, das Wesen des anderen in der Intuition direkt zu sehen. Jetzt sieht er Bane/Smith als das, was er wirklich ist: ein flammendes Wesen, das aus Licht besteht – Luzifer selbst. Neo kann die physische Welt nicht mehr mit physischen Augen sehen – sein Sehvermögen hat sich völlig verändert. Wo er früher durch die Fähigkeit der Vorstellungskraft den grünen Code der Matrix sah, sieht er jetzt durch die Fähigkeit der Intuition das goldene, strömende Licht aller Maschinen in ihrer wahren spirituellen Form (wir werden gleich sehen, wofür diese Maschinen stehen, so dass sie eine solche spirituelle Form haben können). Es ist Luzifers Gabe, die, weil sie von Neo umgewandelt wird, letztlich zu Neos weiterer Entwicklung beiträgt, indem sie ihm erlaubt, sich in der Maschinenstadt zurechtzufinden.

Auf dem Weg erlaubt Neos transformierter Ätherkörper es ihm, den Ansturm der Maschinen auszuschalten, und als Symbol für die in der Intuition erfahrene Durchdringung der Wesenheiten fegt an einer Stelle tatsächlich der geistige Körper einer Maschine durch Neo und überwältigt ihn fast, wäre da nicht die Hand von Trinity, der mitfühlenden Führerin, die Neo durch ihre Gefühlsverbindung auf seiner Mission erdet. Um den Maschinen zu entkommen, müssen Neo und Trinity schließlich nach oben steigen, über die dunklen Wolken, wo zum ersten Mal die Sonne, das Prinzip der Transformation selbst, sichtbar wird – aber nur für das Gefühlsleben, den einzigen Aspekt, der seine transformative Schönheit voll würdigen kann. Erst nach diesem Moment kann Trinity sterben – aber nicht, bevor sie sich mit einem letzten Kuss mit Neo verbindet, der tatsächlich ihren letzten Atemzug einhaucht und damit symbolisch ihr Wesen mit dem seinen verbindet.

Aber Neo muss eine letzte Verwandlung erleben – die seines physischen Körpers. So wie Neo im ersten Film die Denkfähigkeit von Morpheus rettet und integriert und im zweiten Film die Gefühlsfähigkeit von Trinity rettet und integriert, muss er die Willensfähigkeit in sich selbst retten und integrieren. Einen solchen Prozess im Bereich konkreter Bilder darstellen zu können zeugt von den tiefen Einsichten, die in diesen Filmen wirken. Im ersten Film zum Beispiel rettet Neo, der für den Willen steht, also für das, was die Verwandlung bewirkt und ist, Morpheus, der für das Denken steht, indem er ihn mit seiner Hand (mit dem Willen) ergreift. Morpheus, als das Denken, befindet sich auf dem Dach eines Gebäudes namens „Metacortex“ – Neos alter Arbeitsplatz. Dieses Gebäude selbst ist wie ein Gehirn, und Morpheus (der nicht umsonst eine Glatze hat), der sich im obersten Stockwerk befindet, repräsentiert selbst ganz und gar den oberen Teil des menschlichen Körpers: den Kopf (insbesondere den frontalen Cortex, was wörtlich der Name des Gebäudes ist: „Jenseits der Hirnrinde“). Wir können also mit Fug und Recht behaupten: die Bilder sagen uns, dass Neos Wille, seine Hand, die Fähigkeit des Denkens, den Kopf, rettet. In Reloaded rettet Neo Trinity, indem er seine Hand, wiederum den Willen, buchstäblich um das ätherische Herz von Trinity legt – so bestätigen die Bilder das Prinzip unmissverständlich. Und im letzten Film? In Revolutions finden wir die einzige rechtmäßig mögliche Fortsetzung dieser Sequenz in dem Bild, in dem Smith seine Hand benutzt, um in Neos Herz einzudringen. War es in den ersten beiden Filmen noch Neos Hand, sein Wille, der die Verwandlung vollzog, so erfordert die nächste Stufe die Opferung des Willens selbst – die einzig mögliche Wahl ist also die von Neo getroffene, die wir esoterisch in dem Satz „Nicht mein Wille, sondern dein Wille geschehe“ wiederfinden könnten. Smiths Hand musste in Neos Herz eindringen, denn nur durch die Pforte des göttlichen Mitgefühls, das im Herzen empfunden wird, ist Neo in der Lage, seinen Willen, sein Selbst zu opfern, nicht nur für den Rest der Menschheit, sondern auch für Smith als Luzifer. Nur durch diese innere Versöhnung von Neo mit Smith auf der tiefsten Ebene kann Neo seinen physischen Körper wirklich verwandeln. Darum sehen wir Neo in der Matrix in einem monumentalen Kampf mit einem einzelnen Smith. Es wird klar, dass Neo diesen Kampf des Willens nicht gewinnen kann – Smith ist einfach stärker. Aber Neo weiß, wiederum durch einen Moment der Intuition, die ihm jetzt durch das Wirken des Orakels, der göttlichen Sophia, in und durch Smith/Luzifer angeboten wird, was er tun muss: Er muss das ultimative Opfer des Willens bringen: das Opfer des Selbst, das Wille ist. In diesem Moment stirbt Neo nicht nur in der Matrix, sondern auch in der realen Welt – dies ist ein Moment der äußersten Realität, nicht etwas, das nur in der Welt der Illusion stattfindet. Dieser Moment ist der ultimative Umkehrpunkt, an dem der Wille gezwungen ist, sich völlig zu verwandeln. Neo opfert sich selbst, indem er akzeptiert, dass er schließlich sogar sein eigenes individuelles Leben als Individuum loslassen muss, um mit Smith/Luzifer fertig zu werden. Er weiß, dass er Smith/Luzifer niemals besiegen kann – er kann ihn nur transformieren durch seine eigene Verwandlung im Tod.

Doch was für alle, deren Sicht auf die physische Welt beschränkt ist, wie der Tod aussieht, ist kein normaler Tod – es ist ein vollständiges Eindringen von Neos Willen in und durch seinen physischen Körper, so dass seine transformierten Kräfte nun von innen nach außen wirken können, eine Umkehrung, die nur durch einen vollständig bewusst gemachten Willen möglich ist. Dieser Prozess manifestiert sich als Ausbruch von Licht nicht nur aus dem Inneren aller Smiths in der Matrix, sondern auch aus dem Inneren von Neos tatsächlichem physischem Körper in der realen Welt. Dieses Licht wird nun unaufhaltsam auf und in die geistige und die physische Welt geworfen und verändert die Bühne für immer.

Esoterisches Christentum

Aus dem Verständnis des esoterischen Christentums heraus können wir sehen, dass Neos Verwandlungen von Film zu Film sowohl ein Ausdruck des eigenen Inkarnationsprozesses des Christus-Wesens sind, als auch gleichzeitig ein Ausdruck des Dilemmas dieser Stadien, wie sie im modernen Menschen heute existieren. Das Christuswesen, ein Wesen der Sonne (eine andere, wörtlichere Bedeutung des Namens „Anderson“ = Ander-Sonne, die Entwicklung der Sonne in uns), musste einen Inkarnationsprozess durchlaufen, der sozusagen in Umkehrung des normalen Entwicklungsprozesses im Leben eines einzelnen Menschen verläuft. Mit anderen Worten, während wir in der normalen Entwicklung zuerst die Entwicklung des physischen Leibes (etwa von der Geburt bis zum siebten Lebensjahr), dann die des Ätherleibes (etwa von sieben bis vierzehn Jahren), des Astralleibes (von vierzehn bis einundzwanzig Jahren) und schließlich die des Ichs (etwa im Alter von einundzwanzig Jahren) sehen, musste das Christuswesen rückwärts arbeiten, zuerst als Ego, das sich in dem Menschen Jesus bei seiner Taufe durch Johannes inkarnierte, dann weiter nach innen durch eine Transformation des Astralleibs, dann des Ätherleibs (bei der Verklärung) und schließlich in den physischen Leib selbst bei der Auferstehung. Neos Weg folgt genau diesem Muster: Er wacht als Ego auf, nachdem er nach Einnahme der roten Pille durch das Portal der Einweihung gegangen ist, und arbeitet sich dann im ersten Film durch eine Transformation des Astralkörpers und seiner Beziehung zum Denken, im zweiten Film durch eine Transformation des Ätherkörpers und seiner Beziehung zum Fühlen und im dritten Film durch eine Transformation des physischen Körpers und seiner Beziehung zum Wollen.

Im Lukasevangelium wird berichtet, dass Petrus, Johannes und Jakobus einschliefen, als sie Zeuge der Verklärung des Ätherleibes wurden, den das Christuswesen im Menschen Jesus trug. Das esoterische Christentum offenbart, dass die Verklärung des Christuswesens, sein Eindringen in die Tiefe des menschlichen Körpers bis hin zur Ätherebene, ein äußerst anstrengendes Ringen war, das zur Folge hatte, dass die drei Jünger einschliefen, weil sie ihre Schau nicht direkt in diese geistige Sphäre erheben konnten. Dies spiegelt sich in der Art und Weise wider, wie Neo selbst nach dem Stoppen der Wächter ohnmächtig wird und sich in der Matrix wiederfindet, in der U-Bahnstation „Mobil Ave“ (Mobil ist ein Anagramm für Limbo). Schlaf ist anthroposophisch gesehen die Trennung des Astralkörpers und Ego vom physischen und ätherischen Körper – und während sein physischer und ätherischer Körper auf dem Tisch neben Bane liegen, befindet sich Neo tatsächlich mit seinem Astralkörper und seinem Ich innerhalb der Matrix, aufgrund der überwältigenden Kräfte, die mit der Transformation seines Ätherkörpers einhergehen. Dies hat historische Wurzeln in alten Einweihungszeremonien, bei denen ein Eingeweihter einen Prozess durchlief, der sein Ego und seinen Astralkörper gewaltsam von seinem Äther- und physischen Körper trennte, z.B. durch eine Taufe (bei der der Eingeweihte fast ertränkt wurde) oder eine Beerdigung usw. Dies ermöglichte dem Astralkörper und dem Ego eine direkte Erfahrung der spirituellen Welt, während die Aufgabe des Priesters darin bestand, genau zu wissen, wann er den Eingeweihten wieder zum Erwachen bringen musste, und ihm helfen, die Visionen und Klänge zu verstehen, die er in der spirituellen Welt erlebte. In den Matrix-Filmen nehmen diese geistigen Führer die Form der „Operatoren“ Tank, Link und sogar Cypher an. Es handelt sich um Führer, die beide Welten abdecken: die spirituelle/innere Welt und die physische/äußere Welt, und die dafür verantwortlich sind, die richtige Situation zu schaffen, in der die Eingeweihten sicher in die Matrix hinein- und wieder herausgehen können (mit einem ‚Anruf‘ über ein Telefon), während sie gleichzeitig als Führer fungieren, um ihnen zu helfen, die spirituellen Bilder zu verstehen, die sie sehen, während sie eingestöpselt sind.

Mit diesem Verständnis können wir die verwirrende Frage beantworten, wie es Neo möglich sein konnte, sich ohne physische Verbindung in die Matrix einzuklinken. Genauso wie Neo die Fähigkeit erlangt, die spirituelle Form der Wächter zu spüren, während er sich in der Realität befindet, kann Neo auch direkt auf die Matrix zugreifen, und zwar durch seine weitere Einweihung in die spirituelle Welt mittels der Transformation des Ätherkörpers. Nur mit einem transformierten Ätherkörper kann ein Wesen direkt in die Matrix eintreten, ohne eine physische Verbindung zu benötigen, denn es ist die besondere Aufgabe des Ätherkörpers, die physische Form in Abwesenheit von Astral und Ego zusammenzuhalten. Würde ein Wesen mit einem untransformierten Ätherkörper direkt in die Matrix eintreten, könnte der Ätherkörper die Lebensprozesse des physischen Körpers nicht aufrechterhalten, was zum Tod führen würde. Aus diesem Grund führt das einfache Ziehen des ‚Steckers‘ eines ‚normalen‘ Menschen, während er in die Matrix eingesteckt ist, zum Tod, wie es im ersten Film bei Cyphers Verrat geschieht. In der Matrix sehen wir genau die Auswirkung der Unfähigkeit des Ätherkörpers, die Lebensprozesse aufrechtzuerhalten, wenn er nicht rechtmäßig über den Astralkörper mit dem Ego verbunden ist: keine Explosionen oder dramatischen Effekte, sondern einfach die unvermeidliche Verwandlung eines lebenden Körpers in einen zusammenbrechenden, toten Leichnam.

Darüberhinaus bringen die Filme eine weitere, subtilere Ebene des Prozesses des Abstiegs Christi beredt zum Ausdruck, indem sie als Hintergrund für die gegenwärtige Inkarnation des Einen eine Reihe früherer Inkarnationen einbeziehen. Warum sollte es frühere Versionen des Einen geben? Wir erfahren nur sehr wenig über diese früheren Inkarnationen, ihre Rolle und Funktion, aber wir können vielleicht eine Übereinstimmung mit einem anderen Merkmal des esoterischen Christentums andeuten, in dem anerkannt wird, dass das Christus-Wesen in der Vergangenheit tatsächlich mehrfach auf eine bestimmte Art und Weise auf die Menschheit zugehen musste, obwohl es nie in den physischen Körper hinabstieg, wie es im Jordan der Fall war, um einen ausgleichenden Einfluss auf die luziferischen und ahrimanischen Tendenzen auszuüben, in die die Menschheit hätte fallen können. Ohne ins Detail zu gehen, genügt es, darauf hinzuweisen, dass das Christuswesen in der kosmischen Geschichte des Menschen mehrfach auftaucht, indem es zuerst mit dem Willen, dann mit dem Gefühl und schließlich mit dem Denken arbeitet, um die vollständige Inkarnation des Christus in einen physischen Körper (in der Auferstehung) vorzubereiten. So auch gehen dem Einen andere Versionen voraus, die ihren eigenen Entwicklungsprozess durchlaufen haben, der es der Welt der Matrix und ihrer Beziehung zur Menschheit erlaubt, sich zu entwickeln, um die Version des Einen aufnehmen zu können, die in etwas völlig Neues übergeht, wie es bei der Durchdringung des physischen Körpers durch Christus der Fall war.

Eine esoterisch-christliche Perspektive wirft auch Licht auf einen anderen, tieferen Aspekt von Morpheus: seine Rolle als Johannes der Täufer für Neos Christus-Archetyp. Dies ist interessant aus der Perspektive des esoterischen Christentums, welches anerkennt, dass in der kosmischen Entwicklung der Menschheit heute die Dinge nicht so sind, wie sie immer waren. Insbesondere verfügt jetzt das menschliche Bewusstsein über bestimmte Fähigkeiten, aufgrund früherer Evolutionsstufen im Kontext der gesamten kosmischen Situation. Wenn wir in diesem Sinne die folgende Stelle bei Matthäus lesen: „Er [Johannes der Täufer] ist es, von dem der Prophet Jesaja spricht: Man hört eine Stimme, die in der Einsamkeit ruft: ‚Bereitet dem Höchsten den Weg, macht seine Bahn gerade und gut!‘“, dann können wir erkennen, dass dieses Wesen, Johannes der Täufer, etwas Besonderes an sich hat. Er ist insofern etwas Besonderes, als es in der Evolution des menschlichen Bewusstseins eine Zeit gab, in der es dem Ich des Menschen zum ersten Mal möglich war, wirklich im physischen Leib zu erwachen, sich sozusagen zu spüren, mit dem physischen Leib völlig eins zu sein, und das ist es im Wesentlichen, was Johannes der Täufer erlebte: Er war wach und konnte mit seinem Erwachen das herannahende Christuswesen sehen, dessen Ankunft im Menschen Jesus nun mit dem Erwachen der Menschheit zu ihrem Ich korrespondierte. Diese Erfahrung des Johannes ist genau die des Rufens in der Einsamkeit, denn er war allein als das erste Wesen, das diese besondere Erfahrung machte. Es ist gerade Johannes, der das Gefühl voll erkennen und ausdrücken kann: „Nach mir kommt einer, der mächtiger ist als ich.“ Esoterisch gesehen ist dies das, was bei der Taufe Jesu im Jordan durch Johannes am Werk ist – nur ein Wesen, dessen Ich-Erfahrung vollständig mit dem physischen Körper in Beziehung getreten war, konnte Zeuge des Herabsteigens des Ichs des Christuswesens in den Menschen Jesus sein. So ist auch Morpheus die am meisten erwachte Gestalt, die als erste in der Lage ist, das Wiedererscheinen des Einen zu erkennen [7] und darauf hinzuweisen. Er weiß, dass nach ihm einer kommen wird, der größer ist, und so übernimmt er die Aufgabe, den Weg für Neos Werk zu ebnen. Morpheus muss sich immer wieder für ihn einsetzen und ihn gegen die ahrimanische Tendenz zum strategischen, körperlichen Krieg verteidigen, die in der Gestalt von Locke (nach dem Empiriker John Locke) herantritt.

Diese Einsichten, die uns die Geisteswissenschaft bietet, helfen uns zu erkennen, dass das, was einfach nur wie ein faszinierender Hollywood-Film aussieht, in Wirklichkeit in tiefen spirituellen Realitäten verwurzelt ist, die unserem eigenen Denken, Fühlen und Wollen zugänglich sind, wenn wir nur selbst den Weg der Transformation einschlagen. Aber wir können noch weiter gehen.

Agent Smith

Untersuchen wir nun dieses Wesen, das bereits als Symbol für Luzifer identifiziert wurde, indem wir uns zunächst mit den vielfältigen Bedeutungen seines Namens befassen. Ein Schmied ist jemand, der etwas Bestimmtes herstellt oder bearbeitet, wie z.B. ein Wortschmied oder ein Metallschmied – er bedeutet die Macht zu handeln. Als Agent und Spion fungiert Smith auch als Vertreter der Regierung. Er ist ermächtigt, für einen anderen zu handeln und ihn zu vertreten – in diesem Fall den Architekten, dem wir später als Manifestation von Ahriman begegnen werden. Im Cyberspace (dem wirklichen Cyberspace) und im Leben ist ein Agent ein Programm oder eine Person, die im Auftrag eines anderen Informationen sammelt oder Dienstleistungen erbringt. In der Medizin ist ein Agens (lat. agere: antreiben, in Bewegung setzen) ein Medikament oder eine Chemikalie, die eine biologische Reaktion hervorrufen kann, oder ein Organismus, der die Ursache eines Krankheitsvektors ist – etwa ein Virus, zu dem Smith in Bezug auf die Matrix selbst wird. Smith (dt. Schmidt) ist auch ein Name, der aufgrund seiner Häufigkeit sprichwörtlich für „Jedermann“ steht, eine Bedeutung, die am Ende von Revolutions buchstäblich wahr wird. All diese Bedeutungen sind für Agent Smith in seinem spirituellen Kontext angemessen.

Smith ist die primäre Parallele zu Neo und folgt als solcher einem polaren Entwicklungsweg, der nicht mit, sondern gegen den Fortschrittsstrom der Evolution verläuft. So durchläuft Smith, wie Neo, eine Reihe von Veränderungen in Bezug auf sein Denken, Fühlen und Wollen, allerdings in die entgegengesetzte Richtung, fort von Weisheit.

Textfeld:  Der Architekt
Der Architekt

Zu Beginn des ersten Matrix-Films ist Smith tatsächlich noch Agent Smith und wie die anderen Agenten ein Agent im System des Architekten; ein denkendes Programm, das auf Kontrolle ausgelegt ist, eine Art Grenzstein im Puzzle der Matrix. Doch anders als die anderen Agenten ist Smith unzufrieden. Eben diese Unzufriedenheit kann in einem Astralkörper leben, der durch luziferische Tendenzen aus dem Gleichgewicht geraten ist, was das ganze Drama überhaupt erst auslöst. Wir sehen Smiths Unzufriedenheit in seiner Begegnung mit einem angeketteten Morpheus, und in seinem Monolog sehen wir, dass sie in gewisser Weise auf eine Empfindung zurückzuführen ist (die im Astralkörper angesiedelt ist, wo Luzifer in uns wohnt). Wie Smith es ausdrückt: „Es ist der Geruch!“ Dies kann man in Zusammenhang mit der Idee verstehen, dass der Frontallappen des Gehirns, der Sitz des höheren Bewusstseins und insbesondere der Fähigkeit zur Selbstreflexion, in gewisser Weise ein überentwickelter Geruchssinn ist, da er phylogenetisch mit den Nerven verwandt ist, die für das Geruchsempfinden verantwortlich sind und auf denen er sitzt. Mit anderen Worten, es handelt sich hier um ein Bild der Überentwicklung des Ego von Smith, die sich auf unrechtmäßige Weise vollzieht und zur Selbstaufblähung führt (deren buchstäblicher Vorgang – Einatmen – für das Riechen erforderlich ist).

Aufgrund dieser grundlegenden Orientierung will Smith der Matrix entkommen (so wie Neo das für sich selbst und stellvertretend für alle Menschen will), aber er weiß nicht, wie er das anstellen soll. Er will frei sein, und sein astraler Freiheitsdrang entzündet die ganze Situation in der Matrix, die zur tatsächlichen Befreiung von Neo und schlussendlich der gesamten Menschheit führt. Smith fördert also ungewollt das Schicksal von Neo durch seine Interaktionen mit ihm, indem er Neo etwas gibt, dem er widerstehen kann, während er zugleich versucht, ihn zu korrumpieren. So ist Neos eigenes Ich dazu aufgerufen, sich über die von Smith und den anderen Agenten aufrechterhaltenen Beschränkungen hinaus zu entwickeln. Doch dadurch, und vor allem durch seine Kämpfe mit Neo, wird Smith ebenfalls verändert. In seinem Monolog mit Morpheus tut er etwas Subtiles, aber äußerst Bedeutsames, indem er seinen Ohrhörer entfernt, der symbolisch für Smiths Verbindung und Unterwerfung gegenüber dem Rest der Matrix und der von ihr repräsentierten Kontrolle steht. Dieser Akt ist eine Art Trotzreaktion, die besagt: „Auch ich bin frei“, es ist der Punkt, an dem es für Agent Smith kein Zurück mehr gibt.

Dieser bahnbrechende Moment, in dem Agent Smith für sich selbst denkt, steht stellvertretend für den esoterischen Aspekt des ‚Falls‘ Luzifers, indem Luzifer, ein Engel, sich die Fähigkeit angeeignet hat, einen inneren Zustand zu bewahren, der sich nicht zugleich im Außen manifestiert, d. h. er konnte lügen. Die Transformation des Denkens ist hier also eine, mit der Smith seine eigene Agenda verfolgen kann, nicht die der anderen Agenten oder des Architekten, für den sie angeblich alle arbeiten – warum? Weil Smith frei sein will, und eben dieses Vermögen der Freiheit ist ein Abfall von der eigentlichen Natur eines Engels, die darin besteht, entweder zu sprechen und dadurch den Willen und die Botschaften Gottes zu manifestieren (die äußere Bewegung), oder aber nicht zu sprechen und nach innen zu schauen und nur höhere Realitäten zu sehen – aber ohne von ihnen getrennt zu sein (die innere Bewegung). Normalerweise können Engel also nicht lügen; dies ist eine Fähigkeit, die nur jene Engel erfahren haben, die Luzifer gefolgt sind. Mit anderen Worten, für einen Engel ist eine Lüge die Fähigkeit, seinen inneren Zustand von der göttlichen Bewegung getrennt zu halten, und zwar ohne äußere Manifestation.

Smith, der sich danach sehnt, frei zu sein, wird tatsächlich das Potenzial zur Freiheit gegeben, als Folge von Neos eigener Umwandlung seines Astralkörpers am Ende des ersten Films. Agent Smith wird für die Dauer des zweiten Films einfach zu Smith – in seinen eigenen Worten „nicht länger ein Agent des Systems“. Interessanterweise besteht Neos allererste Handlung nach seiner Wiederauferstehung darin, in Agent Smith einzutauchen und ihn buchstäblich zu zerstören, während er ihn gleichzeitig durch seine neugewonnene Macht als der Eine von innen heraus verwandelt.

Aus anthroposophischer Sicht sind die Wesen, die dem Fortschreiten der menschlichen Evolution entgegenwirken, wie die luziferischen und ahrimanischen Wesen, nicht im üblichen Sinne böse, sondern sie sind sehr hohe Wesen, die selbst in ihrer eigenen Evolution zurückgehalten wurden, und die Evolution der Menschheit ist eng mit dem verbunden, was man ihre Erlösung nennen könnte. Mit anderen Worten: Die fortschreitende Evolution der Menschheit ist gleichzeitig eine Wiederaufnahme dieser Wesen in den Strom des Fortschritts. Was uns in der Matrix-Trilogie präsentiert wird, ist gleichzeitig ein Bild der Erlösung der uns in dieser Hinsicht am nächsten stehenden Wesen, der luziferischen Wesen, sowie ein Bild der Gefahren, denen diese Wesen begegnen, wenn sie sich diesem Weg verweigern.

So wird am Ende des ersten Films Agent Smith als Luzifer durch die Verwandlung von Neo in den Auserwählten faktisch erlöst und damit zu Smith. Doch die so gewonnene Freiheit ist letztlich eine ganz andere als die von Neo, denn Smith begreift sie nicht wie Neo durch einen gesetzmäßigen Prozess der Ich-Transformation, sondern ergreift sie lediglich durch das Verlangen seines Astralkörpers.

In Reloaded hat Smith keine Vorstellung, was er ist oder was er tun soll, aber er weiß, dass er sich verändert hat, den Stecker gezogen hat und frei von der Matrix ist (aber noch nicht von sich selbst, denn sein Ego ist noch nicht frei, nur sein Astralkörper). Sobald seine Freiheit offensichtlich ist, veranschaulicht er die luziferischen Qualitäten, die Amok laufen: Selbstaufblähung bis zum n-ten Grad – Kopien über Kopien von sich selbst, wie es in seinem Satz „bin ich, bin ich, bin ich, bin ich…“ zum Ausdruck kommt. Smith entdeckt seine luziferische Gabe: die Astralkörper anderer Programme und Menschen, die sich in der Matrix befinden, zu übernehmen, indem er sie mit seiner eigenen Identität überwältigt (man bedenke, dass Luzifers Macht anthroposophisch gesprochen im Astralkörper aktiv ist). Interessanterweise wird dieser Replikationsprozess durch einen Handstreich ins Herz vollzogen: die luziferische Willenskraft (Hand) übernimmt das Gefühlsleben (Herz) und schließlich auch das Denken. Begleitet wird dies von einer Art flüssigem Spiegelbelag, der sich vom Herzen nach außen ausbreitet – wenn er das Denken des Kopfes erreicht, ist die Verwandlung abgeschlossen. Diese Spiegelgeste ist archetypisch luziferisch: ich will nur mich selbst sehen, und das überall. Es ist eine archetypische Projektion und ein Bild des Dramas, das uns von Luzifer gegeben wurde. Aber dieser besondere Spiegel ist eine flüssige Beschichtung, ein Überzug nur auf der Haut (nicht auf der Seele), und er reflektiert nur ein Wesen, unabhängig davon, wer ihn betrachtet: Smith. So gibt es letztlich nur einen Smith – die Kopien sind allesamt parasitäre Illusionen, die dem ungebremsten luziferischen Astraltrieb zur Selbstaufblähung entspringen. Dies wird im dritten Film deutlich, als Smith Neo in einer Einzelbegegnung gegenübertritt, während alle anderen Smiths als Zeugen dabeistehen – der ultimative Ausdruck von Selbstverherrlichung: das ganze Universum bin ich selbst, der sich in seiner eigenen Macht sonnt – d.h. ich bin GOTT.

Smiths Freiheit geht (wiederum faktisch) mit großer Macht einher - der Macht, sich selbst aufzublähen, da er nicht mehr durch die Beschränkungen einer von außen auferlegten Realität gebunden ist. An diesem Punkt seiner Entwicklung verkörpert Smith die luziferische Gefahr eines Eintritts in die geistige Welt, ehe wir dazu bereit sind – wir verstehen die geistige Welt und ihre Gesetze nicht, die sich zunächst radikal von denen des normalen Lebens zu unterscheiden scheinen, und fallen so dem ersten Problem zum Opfer: der astralen Expansion, der Selbstaufblähung. Wenn wir somit die geistige Welt betreten, ohne dass wir uns diese Fähigkeit durch unsere eigene Ich-Transformation gewissermaßen verdient haben (wie es zum Beispiel bei der Einnahme gewisser Substanzen der Fall sein kann), finden wir uns zwar in der geistigen Welt wieder, haben aber nicht die Fähigkeit zur Unterscheidung zwischen dem, was im Wesentlichen eine Erfahrung meines eigenen Selbst ist, und einer objektiven Erfahrung dessen, was objektiv jenseits von mir liegt. Smith selbst verfällt diesem Irrtum, weil er seine Bestimmung nicht versteht und sein Ego, das den Transformationsprozess nicht begonnen hat, nicht auf rechte Weise mit seinem Astralkörper verbunden ist. In seiner unintegrierten Freiheit drückt er daher eine archetypisch luziferische Reaktion aus, die sich aus seinen nicht transformierten astralen Gefühlen speist: Wut und Rache. Dies ist die niedere Parallele zu Neos Transformation seines Ätherkörpers, seines Gefühlslebens. Smith kann nur mit einer im Wesentlichen geistlosen Wut reagieren. Diese Fähigkeit zur Wut ist eine luziferische Fähigkeit, die sich archetypisch in dem Gefühl „Ich werde dich vernichten“ ausdrückt. Das Ich von Smith bläht sich auf, um sich selbst unbesiegbar zu erscheinen, obwohl der mittlere Weg von Neo ihn irgendwie stets überrumpelt, denn gerade dieser mittlere Weg ist für Luzifer unsichtbar, der auf dem niederen Weg einseitig bleibt.

So will Smith Neo das nehmen, was Neo Smith genommen hat: sein Leben– mit kaum einem anderen Zweck als zu unterstreichen: „Ich kann dich vernichten, wenn ich will, und ich will es!“ Smith reagiert so, weil die Arbeit der Verwandlung von Neo und nicht von Smith geleistet wurde. Auch wenn die Tat von Neo tatsächlich zur Befreiung von Smith aus der Matrix geführt hat, ist diese Freiheit nicht vollständig ohne Verständnis, was bedingt, dass Smith sich selbst mit Hilfe von Neo verwandelt.

Die Ereignisse nehmen dann eine Wendung, die in den Filmen als ‚Zufall‘ erscheinen mag, die aber bei einem Verständnis der tieferen wirksamen spirituellen Strömungen als nächste Entwicklungsstufe auf dem Weg zu Smiths weiteren Evolution als luziferisches Wesen und als niedere Parallele zu Neo gesehen werden kann. Nachdem er sich in den Verstand eines freien Menschen kopiert hat, der in die Matrix eingeklinkt war, nimmt er das Telefon, die ‚Hardline‘ (engl. für schnurgebundenes Festnetztelefon), die den Verstand wieder mit dem Körper verbindet, und folgt ihr zurück in den physischen Körper von Bane. So wie Neo am Ende von Reloaded durch die Verwandlung seines Ätherkörpers die Fähigkeit erlangt, mit den Maschinen in der Realität umzugehen, so hat auch Smith nun einen echten menschlichen Körper (den er zuvor so verachtet hatte) zu seiner Verwendung. Er ist fasziniert von dessen Körperlichkeit, von der Tatsache, dass er real ist, aber scheinbar nicht von seiner körperlichen Verwandlung, so wie er sich auch nicht für die Verwandlung des Denkens im ersten Film oder des Gefühlslebens im zweiten Film interessiert hat. Deshalb sehen wir Bane, wie er sich wiederholt selbst schneidet, nur um der schieren Empfindung willen.

Derweil hat in der Matrix Smith mit ganzem Willen nur ein Ziel vor Augen: durch den unrechtmäßigen Prozess der Projektion die gesamte Matrix zu übernehmen und sich dann mit Neo in einem Zweikampf zu messen – eine Probe der Willensstärke aus Smiths Sicht. Doch genau das ist sein Verhängnis, denn vom niederen Pfad aus sieht es wie ein Willenskampf aus, der sich als physischer Kampf manifestiert, und in diesem Sinne ist Smith ganz klar überlegen (wie es sich für ein höheres Wesen gehört!) – doch vom höheren Pfad aus wird dieser Wettstreit, „wessen Ego den mächtigeren Willen hat“, umgewandelt in „wessen Wille kann bewusst für den Fortschritt aller geopfert werden“. So wird Smith durch den überentwickelten Willen geblendet, der brutal, unbezähmbar und völlig im Dunkeln lebend ist, weil er die ersten Schritte auf dem niederen Pfad unternommen hat, symbolisiert durch Smiths Abnehmen des Ohrhörers im ersten Film. Ein wunderbares Bild dessen sehen wir, wenn Smith in Revolutions als Bane Neo gegenübersteht, nachdem er Neos Augen ausgebrannt hat. Was wir sehen, ist das feurige Antlitz des gefallenen Engels, das überall in Flammen steht, außer hinter der merkwürdigerweise vorhandenen Sonnenbrille, die völlig dunkel bleibt. Smiths wahres inneres Wesen liegt immer noch im Dunkeln und bleibt es bis zum Ende von Revolutions, als Smiths Absorption von Neo schließlich zu Smiths Verwandlung führt, die sich in der Tat symbolisch als göttliches Licht zeigt, das aus Smiths zuvor verdunkelten Augen strömt und die Beschattung seiner Sonnenbrille durchbricht – einer Vorrichtung, die speziell dazu gedacht ist, Trinitys verinnerlichte Erfahrung der Sonne als Repräsentant der verwandelnden Kraft des Christus-Wesens fernzuhalten.

So sehen wir, dass die Figur des Smith tatsächlich als eine Manifestation des regressiven Prozesses verstanden werden kann, der von den luziferischen Wesen unternommen wird, und als eine dreifache Warnung an sich entwickelnde Menschen, die diesen Wesen in ihrem eigenen Prozess der Transformation ihres Denkens, Fühlens und Wollens begegnen. Smith scheitert im ersten Film daran, seine Freiheit zu verstehen, im zweiten daran, Mitgefühl zu zeigen, und im dritten daran, seinen Willen auf rechtmäßige Weise zu verkörpern. Wir können alle bisher besprochenen Hauptelemente in Form des folgenden Schaubilds zusammenfassen:

Bibliografie

Der Autor

Seth Miller hat Physik, Philosophie und andere Fächer an Waldorf-Highschools im gesamten amerikanischen Westen unterrichtet, wo der Geist Goethes lebendig und wohlauf ist. Ein Bachelor-Abschluss in Philosophie und ein Master-Abschluss in Consciousness Studies haben ihn gelehrt, dass es gleichermaßen wichtig ist, zu erforschen, wie wir denken und was wir denken. Zurzeit schreibt er an einer Dissertation auf dem aufstrebenden Gebiet der Transformationsstudien, in der er sich mit den Verbindungen zwischen Geisteswissenschaft und kybernetischer Erkenntnistheorie befasst, mit einer Prise Alchemie als Zugabe. Er arbeitet auch freiberuflich als Web- und Printdesigner für Lebensmittel. Kontakt unter [email protected] oder über seine Website www.spiritalchemy.com

Endnoten

[1]    Ich gehe davon aus, dass der Leser dieses Essays zumindest die gesamte Matrix Trilogie geschaut hat.

[2]    Obwohl hier der Name Christus verwendet wird, soll dies nicht mit Religiosität in Verbindung gebracht werden. Wir könnten anstelle von Christus ohne weiteres das Wort „Logos“ verwenden oder Namen aus anderen Traditionen, den zoroastrischen Ahura-Mazda, den altindischen Vishva Karman, den altägyptischen Osiris oder das mosaische „Ich bin das ICH BIN“. Wichtiger ist es, zu erkennen, dass es sich in jedem Fall um ein geistiges Wesen von höchstem Rang handelt, das eine besondere Beziehung und ein besonderes Interesse an der fortschreitenden Entwicklung der Menschen hat und das eine Manifestation dessen darstellt, was dann als Archetyp der Transformation für alle steht.

[3]    Für diejenigen, die sich mit Alchemie befassen: dies ist das Prinzip des Salzes.

[4]    Dies ist ein Beispiel für das Merkur-Prinzip.

[5]    Dies ist das Prinzip des Schwefels.

[6]    Eine der wörtlichen Bedeutungen des Wortes „Matrix“ ist Gebärmutter.

[7]    Abgesehen vom Orakel, das Neos potenzielle Identität natürlich vor allen anderen kennt, aber das wird später noch erklärt.