Bei der letzten MPK legte die Regierung erstmals eine systematische Öffnungsstrategie vor, die konkrete Öffnungsschritte an lokale Inzidenzen koppelt. Zusätzlich wurde eine neue Taskforce “Schnelltestbeschaffung” ins Leben gerufen, um der Bevölkerung zeitnah ebendiese zur Verfügung zu stellen.

Was zunächst gut klingt, offenbart sich bei genauerer Betrachtung als Farce. Die neue Strategie bleibt unambitioniert und offenbart nebenbei noch die großen Probleme der deutschen Verwaltung.


Teststrategie ohne Tests und Strategie

In meinem letzten Artikel kritisierte ich die Regierung dafür, eine systematische Öffnungsstrategie und damit eine Perspektive ohne Lockdown vermissen zu lassen. Eine entsprechende Strategie wurde nun vorgelegt, die für ihre Ausgestaltung kritisiert werden muss. Es ist mindestens fraglich, Öffnungen an Inzidenzen zu koppeln, wenn man gleichzeitig eine deutliche Ausweitung der Tests anstrebt.

Angenommen man testet 100.000 Menschen bei einer Fehlerquote (“false-positives”) von 0,1%: die Schwelle von 100 Fällen zum Lockdown hätte man sofort wieder erreicht. Um das zu verhindern, muss man nun jeden Test auf Richtigkeit mit einem PCR-Test überprüfen, für schnelle politische Entscheidungen eignet sich dieses Instrument also nur bedingt. In Anbetracht des bisherigen Corona-Managements ist nicht auszuschließen, dass ein Anstieg, wenn auch nur vorübergehend durch “false-positives” ausgelöst, restriktive Maßnahmen nach sich ziehen wird. Der Politik fehlte in dieser Hinsicht bislang die Ruhe, blindem Aktivismus nicht nachzugeben – ironischerweise ist es beim Impfen genau anders herum. Eine bessere Strategie wäre es, nicht nur auf die regionale Inzidenz zu achten, sondern auch die Auslastung der Krankenhäuser zu beachten. Solange die Situation kontrolliert werden kann, ist ein Lockdown nicht notwendig. Hier fangen die Probleme mit den Tests aber erst an.

Zum Testen braucht man Tests, logisch. Hätte die Regierung aus der Vergangenheit gelernt – Masken, Toilettenpapier, Impfstoff – der Markt war bisher der schnellere und preiswertere Mechanismus, um diese Dinge zu verteilen. Die Regierung scheint in dieser Hinsicht bemerkenswert lernresistent, wurde auf der letzten MPK extra dafür eine neue Taskforce angekündigt. Diese Taskforce, bestehend aus Gesundheitsminister Spahn und Verkehrsminister Scheuer, musste auch prompt verkünden, dass mit Tests vor Mitte April nicht zu rechnen sei. Am gleichen Tag(!) gab Aldi in einer Pressemitteilung bekannt, ab Samstag selbst Schnelltests für 5€ pro Stück zu verkaufen. Ab Dienstag gibt es Schnelltests auch bei Rossmann, DM, Edeka und Rewe zu kaufen. Ein weiteres Scheitern der Politik mit Ansage.

Zusammengefasst: Die Regierung wurde von Discountern bei der Beschaffung von Schnelltests in den Schatten gestellt und hat bisher keinen Mechanismus etabliert, um die Fehlerquote der Tests zu korrigieren. Was soll da schon schiefgehen?


Alte Probleme

Aber nicht nur bei der Beschaffung von Schnelltests beweist sich die Regierung als lernfaul: die Impfreihenfolge wird weiterhin stoisch verfolgt. Das hat zuletzt darin gemündet, dass eine Initiative mehrerer Unternehmen, die eigene Belegschaft durch die Betriebsärzte durchimpfen zu lassen, abgelehnt wurde. Teil dieser Initiative sind unter anderem die Telekom, die Post, die Deutsche Bank, der Axel Springer Verlag, Adidas und Siemens. Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) sagt dazu: „Es ist nicht akzeptabel, dass aktuell mehr als eine Million Impfstoffdosen, die nicht für Zweitimpfungen zurückgelegt wurden, trotz hoher Nachfrage nach Impfungen nicht verimpft worden sind“.

Für das Vorankommen der Impfkampagne wäre es unerlässlich, diese Initiative in die Strategie mit aufzunehmen, jedoch passiert genau das nicht. Die Unbeweglichkeit der Politik ist gerade in dieser Hinsicht fatal; wir arbeiten nicht ergebnisorientiert, sondern verfolgen einen moralischen Plan. Das alleinige Ziel der Impfkampagne muss sein, so schnell wie möglich so viel Impfstoff wie möglich unter, oder besser: in die Leute zu bekommen. Die Politik lässt genau diese Zielsetzung vermissen.

Der Lockdown kostet uns pro Woche vier Milliarden Euro, eine zeitnahe Immunisierung der Bevölkerung ist allein zur Abwendung dieses ökonomischen Schadens Pflicht. Die Politik scheint mit dieser Aufgabe offensichtlich überfordert. Das Coronamanagement ist nur ein weiteres Symptom davon. Der extrem teure und unbewegliche Staatsapparat ist in der Tat die Achillesferse der deutschen Politik: verhindert sowohl Eigeninitiative als auch schnelle Anpassungen auf veränderte Umstände. Corona hat das auf beeindruckende Weise verdeutlicht.

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