Die Lehren aus Bergkarabach, Libyen und Syrien waren eindeutig. Angriffsdrohnen sind zu einer kampfstarken Waffengattung aufgestiegen und können über den Ausgang ganzer Kriege entscheiden. Weltweit werden nun im Eiltempo Drohnenabwehrsysteme entwickelt. Die Lösungsansätze sind vielfältig…die Auswirkungen auf zukünftige Kriege womöglich signifikant.
Kampfdrohnen existieren bereits seit Jahren und wurden zunächst insbesondere von der US-Army zur Jagd auf Aufständische eingesetzt. Zugleich bestand lange Zeit eine gewisse Vernachlässigung dieser Waffengattung. Es galt die Binsenweisheit, dass Kampfdrohnen sich bestenfalls dazu eignen, „Sandalenkämpfer“ durch die Wüste zu jagen. Gegen eine reguläre Streitmacht, die auch nur über Grundelemente einer Luftverteidigung verfügt, hätten die Drohnen keine Chance: zu langsam, zu tieffliegend, zu unbeweglich – so die Logik bis vor kurzem.
Doch die Konflikte in Syrien, Libyen und Bergkarabach zeigten eindrucksvoll, dass diese Binsenweisheit der Vergangenheit angehört. Gerade Armenien unterschätzte die Drohnen massiv und hatte mit ihren veralteten Abwehrsystemen aus den 1970-er Jahren keine Chance gegen die aserbaidschanischen Drohnenschwärme.
Gibt es denn nichts, was Drohnen abschießen kann?
Doch, Drohnen sind keineswegs unverwundbar. Jedes moderne Luftabwehrsystem ist in der Lage eine Drohne vom Himmel zu holen. Gerade für die hochentwickelten Systeme, wie die amerikanischen „Patriots“ oder die russischen S-400, die auf Abfangen von ballistischen Raketen und Marschflugkörpern ausgerichtet sind, dürfte jede noch so entwickelte Drohne ein Klacks sein. In Syrien und Libyen etwa wurden Dutzende türkische Drohnen von weitaus schwächeren Abwehrsystemen abgeschossen.
Doch auf (und über) dem Schlachtfeld und in den Wirren eines Krieges gibt oftmals die Quantität den Ausschlag. Abwehrsysteme führen nur eine begrenzte Anzahl an Abwehrraketen mit sich, sodass sie gegen einen Schwarm von Drohnen machtlos werden.
Die einfache Rechnung, die bereits in früheren Artikeln genannt wurde:
Wenn es im Himmel mehr Drohnen gibt, als ein Abwehrsystem Raketen mit sich trägt, so zieht das System immer den Kürzeren.
Drohnen haben hierbei einen immensen Kostenvorteil. Ein Schwarm von Angriffsdrohnen lässt sich für einen Bruchteil der Finanzen zusammenstellen, die für Abwehrsysteme mit vergleichbarer Raketenzahl nötig wären.
Die Hauptherausforderung ist also nicht, ein Abwehrsystem zu entwickeln, das Drohnen abschießen kann – das gibt es längst. Die Herausforderung liegt darin, ein Abwehrsystem zu entwickeln, das kostengünstig gegen eine Vielzahl von Objekten vorgehen kann. In anderen Worten: Den Kostenfaktor der Luftabwehr zu senken.
Drei Lösungsansätze des „Drohnenproblems“
Nun forschen führende Militärmächte im Eiltempo an effizienten (und vor allem kostengünstigen) Drohnenabwehrsystemen. Dabei gibt es verschiedene Ansätze. Exemplarisch sollen hier drei Lösungsansätze aus Russland aufgezeigt werden.
1. Der „Vogelfänger“
Schon vor der „Drohnenrevolution“ stand ein Abwehrsystem namens „Ptizelov“ (Vogelfänger) in der Entwicklung. Nach den Konflikten in Syrien, Libyen und Karabach wurde die Fertigstellung dieses Systems vom russischen Verteidigungsministerium ganz oben auf die Prioritätenliste gesetzt.
Das System basiert auf dem klassischen Ansatz von bodengestützten Luftabwehrsystemen. Der große Unterschied sollen seine Mobilität, große Anzahl an mitgeführten Raketen und geringe Kosten sein. In besonderem Fokus der Entwicklung stehen seine Radar- und Optiksysteme, die sich explizit auf das Aufspüren von kleinen Flugobjekten mit geringer Radarsignatur richten und bei jedem Wetter und jeder Tageszeit einsetzbar sein sollen.
Zudem soll der „Vogelfänger“ unbemannt agieren. Ähnlich wie eine Drohne würde der „operator“ aus einem Kontrollzentrum das System bedienen. Das System hätte zudem einen autonomen Modus. Es ließe sich in ein Konfliktgebiet schicken, wo es dann ohne weitere Anweisungen eigenständig den Himmel scannen und gegen jede fliegende Drohne vorgehen würde.
Der Kampf gegen Drohnen wäre quasi automatisiert und würde Kosten sparen und Menschenleben außer Gefahr bringen.
Das System ist vielversprechend, bräuchte aber noch etwa zwei Jahre bis es in die Truppen kommt.
2. Der „Drohnen-Heli“
Der zweite Ansatz beschäftigt sich weniger mit den Abschussmethoden, sondern vielmehr mit dem Problem des Aufspürens der Drohnen. Der Konflikt in Bergkarabach hat gezeigt, dass die veralteten armenischen Luftabwehrsysteme blind waren, wenn es um Drohnen ging. Ihre Radare konnten die kleinen unbemannten Flugobjekte schlichtweg nicht sehen, sodass sie hilflos zerschossen wurden.
Was also auf jeden Fall verbessert werden sollte, ist das Aufspüren der Drohnen. Genau hierzu werden nun fliegende Radare auf Basis von Hubschrauber-Drohnen entwickelt.
Die Idee dahinter ist denkbar einfach. Statt zu versuchen, mit Bodenradaren die Drohnen oben im Himmel zu finden, schickt man die Radare in die Luft.
Dort können sie auf Basis von unbemannten Helikoptern dauerhaft über dem Schlachtfeld schweben und die Lüfte in ihrer unmittelbaren Umgebung überwachen. Sobald sie eine feindliche Drohne entdecken, schicken sie die Daten an Abwehrsysteme am Boden, die den eigentlichen Abschuss ausführen.
3. Abfangdrohnen – „Ochotnik“
Der dritte Ansatz löst sich komplett vom klassischen Abwehrmodell „Boden-Luft“. Statt Systeme zu entwickeln, die traditionell mit Boden-Luft-Raketen gegen fliegende Objekte vorgehen, beinhaltet der dritte Ansatz, dass man gegen feindliche Drohnen wiederum eigene Drohnen einsetzt.
Auch hier ist der Gedanke recht simpel. Statt Luft-Boden-Raketen hängt man an eine schnelle Drohne Luft-Luft-Raketen und schickt sie in die Luft, wo sie ihre „Artgenossen“ jagt.
Auch dieser Lösungsansatz ist weit fortgeschritten und vielversprechend.
In zahlreichen Ländern werden solche Abfangdrohnen entwickelt. In Russland ist es der „Ochotnik“ (zu Deutsch: Jäger). Wie der Name schon sagt, wird er explizit für die Jagd auf andere Drohnen ausgerichtet. Hierzu gehört eine höhere Geschwindigkeit, besondere Zielsysteme, um feindliche Drohnen anzugreifen und Stealth-Eigenschaft, um selbst weitgehend unsichtbar zu bleiben.
Was auf die Welt zukommt
Insbesondere dieser dritte Ansatz lässt vorahnen, was auf die Welt schon in naher Zukunft zukommen könnte. Der klassische Luftkampf zwischen pilotierten Kampfjets könnte bald zu einer Randnische werden. Bereits jetzt kommt es selbst in intensiven Konflikten extrem selten vor, dass es zu direkten Luftkämpfen zwischen bemannten Kampfjets kommt.
In der Zukunft könnte der Luftkampf vollständig an die Drohnen übergehen. Bomberdrohnen wären für Bombardements verantwortlich, Abfang- und Jägerdrohnen für die Jagd auf die Bomberdrohnen und vermutlich eine Art „Luftüberlegenheitsdrohnen“ (ähnlichen den klassischen Luftüberlegenheitskampfflugzeugen) für die Bekämpfung von feindlichen Abfangdrohnen.
In anderen Worten: Der Luftkampf könnte schon bald nahezu ausschließlich unbemannt erfolgen. Menschen würden höchstens im „Remote“-Modus aus ihren Einsatzzentralen die Drohnen per Joystick lenken und die Kämpfe „an Bildschirmen“ austragen…wenn denn eine KI auch dies nicht ersetzt.
An der Brutalität der Kriege würde dies wahrlich nichts ändern – dies hat der Konflikt in Bergkarabach eindeutig gezeigt, wo die wahren armenischen Opfer in Folge der Drohnenangriffe immer noch kaum unabhängig abzuschätzen sind.
Dir gefällt, was Nikita Gerassimow schreibt?
Dann unterstütze Nikita Gerassimow jetzt direkt: