Sachen gibt’s, die gibt’s gar nicht! – z.B den Artikel mit dem Titel ‚Endsieg des Materialismus‘, der kürzlich bei ‚Rubikon‘ erschienen ist. Sein Autor behauptet: “Das Corona-Geschehen ist Gipfelpunkt eines schulmedizinischen Rollbacks, das alternative Heilweisen wie die Homöopathie wieder auszugrenzen versucht.“

Es lohnt sich, diese Triade gegen das rationale Denken in Gänze zu lesen - wenn auch nur, um festzustellen wie verschroben die Argumente der Irrationalisten tatsächlich sind. Hier vielleicht nur eine kleine Kostprobe in Form des einleitenden Abschnitts (von mir eingefügt sind lediglich ein paar Zahlen, die sich auf meine unten stehenden Kommentare beziehen):

Sie war bereits lange Zeit die dominante Medizin-Ideologie (1) gewesen: die Schulmedizin (2) und ihre auf dem materialistischen Paradigma beruhende Lehre (3) vom menschlichen Körper als einer komplexen, gelegentlich reparaturbedürftigen Maschine (4). Doch das genügt ihr jetzt nicht mehr. Sie will nicht die meisten medizinischen Eingriffe bestimmen, sondern alle. „Du sollst keine anderen Halbgötter (in Weiß) neben mir haben!“ (5) So wie es auch nicht genügt, dass eine satte Mehrheit von 60 oder 70 Prozent der Menschen geimpft ist. Ja, selbst bei 90 Prozent bestünde noch verschärfter Manipulationsbedarf, bis auch die letzte Bastion des Andersseins gefallen ist (6). Man nennt das in anderem Zusammenhang auch Totalitarismus (7). Die Angriffe auf die Homöopathie, die Anthroposophie, auf Heilpraktiker und „Esoteriker“ nehmen zu (8). Ebenso die Aggressivität, mit der die Kampagne betrieben wird (9). Klar, es geht um viel Geld, gerade die „Vorsorgemedizin“ – gipfelnd im Vorgang des Impfens – hat Blut geleckt. Da muss die professionelle Nahrungskonkurrenz ausgeschaltet werden (10). Das Imperium fährt eine Zero-Alternativmedizin-Strategie (11). Und offensichtlich geht das Kalkül auf …

Und hier sind meine kurz gehaltenen Kommentare:

  1. Medizin-Ideologie? Ich bin mir nicht sicher was das sein soll. Aus meiner Sicht lässt sie sich am ehesten noch so zusammenfassen: Die Ideologie der Medizin ist, kranken Menschen so gut es geht zu helfen.
  2. Schulmedizin ist ein Begriff der von Samuel Hahnemann als Schimpfwort gegen alles, was nicht Homöopathie war, geprägt wurde. Er fand im Dritten Reich breite und unrühmliche Verwendung.
  3. Wie kann die moderne Medizin, die Psychiatrie, Psychologie, Psychosomatik, etc. beinhaltet, auf einem materialistischen Paradigma beruhen?
  4. Dass die Medizin den menschlichen Körper als Maschine auffasst, glauben wohl nur noch Leute, die von Medizin und Medizinern keine Ahnung haben.
  5. Der Halbgott in Weiß existiert ebenso nur noch in der Vorstellung Unwissender.
  6. Dass das mit der Virulenz des Virus etwas zu tun haben könnte, kommt dem Autor offenbar nicht in den Sinn.
  7. Totalitarismus ist eine allumfassende Herrschaft, die den Menschen gemäß einer seiner Ideologie formen will. Ich sehe nicht, warum die Medizin so etwas zum Ziel haben sollte.
  8. Bei den ‚Angriffen‘ handelt es sich um Kritik an der jeweiligen Evidenz mit dem Ziel, kranken Menschen so gut es geht zu helfen. Das erscheint mir eher konstruktiv zu sein.
  9. Ich finde, dass die Aggressivität des Autors für sich spricht und kaum zu überbieten ist.
  10. Niemand will Konkurrenz ausschalten. Die evidenzbasierte Medizin ist offen und es dreht sich darum, kranken Menschen so gut es geht zu helfen.
  11. Das ‚Imperium‘, also die evidenzbasierte Medizin, will vor allem, dass leidenden Menschen mit den best-möglichen Behandlungsweisen geholfen wird.

Bei so viel Verzerrung der Wahrheit frägt man sich natürlich, wer so etwas zu Papier bringt. Der Autor des Rubikon Artikels ist Roland Rottenfußer. Er hat Germanistik studiert und als Buchlektor und Journalist gearbeitet. Von 2001 bis 2005 war er Redakteur beim spirituellen Magazin connection, später für den „Zeitpunkt“. Aktuell arbeitet er als Lektor, Buch-Werbetexter und Autorenscout für den Goldmann Verlag. Seit 2006 ist er Chefredakteur von Hinter den Schlagzeilen. Zudem ist er Chefredakteur des Online-Magazins Rubikon.

In seinem Artikel beschreibt Rottenfußer dann, wie er sich sein neues Medizin Paradigma vorstellt: “Hier Holundertee und Vitamin D3 zur Immunstärkung, dort Pulsatilla vulgaris als Konstitutionsmittel. Dazu regelmäßige Yogaübungen, biologisch-vollwertige Ernährung entsprechend dem ayurvedischen Dosha-Typ und – Gott bewahre! – eine Klangschalenmassage. Zusätzlich, aber nur wenn es nicht anders geht, auch mal eine schulmedizinische Kopfschmerztablette oder Antibiotika.“

So viel Unwissen ist bei Journalisten, die sich mit medizinischen Themen befassen, glücklicherweise selten. Da bleibt mir nur noch, Herrn Rottenfußer zu raten, sich einmal die Daten aus Indien anzuschauen. Dort hat die Regierung auf breiter Basis ayurvedische Medizin, Homöopathie und andere alternative Verfahren gegen COVID-19 eingesetzt. Das Resultat war beeindruckend: Bis heute sind dort laut offiziellen Statistiken (man nimmt an, dass die tatsächlichen Zahlen erheblich höher liegen) über 43 000 000 Menschen an COVID erkrankt, was bei mehr als 524 000 Personen tödlich endete.

Vielleicht ist das Ausgrenzen unwirksamer alternativer Heilweisen doch keine so schlechte Strategie, wenn es darum geht, kranken Menschen so gut wie möglich zu helfen?

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