Die Türkei wurde von einer der schwersten Dürren seit Jahren erfasst. Istanbul könnte in 45 Tagen kein Wasser mehr haben. Für den Sommer sind die Vorzeichen noch düsterer. Doch das Problem betrifft nicht nur die Türkei, sondern hat eine weitaus größere politische Dimension für ganz Nahost.
Fehlende Niederschläge im November und Dezember haben in der Türkei zur schwersten Dürre seit mindestens einem Jahrzehnt geführt. Stauseen und andere Gewässer haben beinah ihr gesamtes Wasser verloren. Der allgemeine Temperaturanstieg im Zuge des Klimawandels sowie die voranschreitende Urbanisierung führen in dem Land seit Jahren zu starken Trockenphasen, doch die diesjährige Wasserkrise aufgrund der ausbleibenden Niederschläge ist akut.
Großstädte in ganz Türkei müssen um ihre Wasserversorgung fürchten. Allein in der größten türkischen Stadt Istanbul könnte das Wasser schon in weniger als 45 Tagen ausgehen. Auch die Landwirtschaft ist stark betroffen. Bauern fürchten um den Komplettausfall der Ernte, weil keine Bewässerung möglich ist.
Ankara versucht es mit allen Maßnahmen
Um die Krise zu bewältigen, greift die türkische Regierung zu allen möglichen Maßnahmen, angefangen mit Gebeten bis hin zu konkreten Bauvorhaben. So heißt es, dass die Direktion für religiöse Angelegenheiten Imame und ihre Gemeinden angewiesen hat, für Regen zu beten. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan Erdogan forderte die Bürger zudem eindringlich zum Wassersparen auf.
"In unserem Land gab es Dürreperioden und Zeiten, in denen wir überflutet wurden. Jetzt erleben wir eine der trockensten Perioden. Einige unserer Stauseen sind vollständig erschöpft", so Erdogan.
Um dem zu begegnen, müsse man den Wasserverbrauch senken, angefangen mit "Konsum der privaten Haushalte bis hin zu den landwirtschaftlichen Bedürfnissen". Insgesamt müsse der Wasserverbrauch um bis zu 50 Prozent gesenkt werden, da selbst anhaltende Niederschläge das Problem nicht dauerhaft lösen würden.
Besonders besorgniserregend in diesem Zusammenhang ist die Tatsache, dass die Dürre schon in den Wintermonaten ausgebrochen ist. Der heiße türkische Sommer könnte zu einer noch heftigeren Trockenheit führen, deren Folgen derzeit schwer abzusehen sind.
Der Hauptlösungsansatz für das Problem ist für Ankara derzeit aber der Bau von Staudämmen, insbesondere am Euphrat und Tigris.
Die politische Sprengkraft der türkischen Staudämme
Der Bau von Staudämmen wird von der türkischen Regierung als der wichtigste und effizienteste Weg angesehen, um das Trockenheitsproblem dauerhaft in den Griff zu bekommen. Doch dieser Lösungsweg birgt Sprengkraft von wahrlich internationaler politischer Dimension.
Insbesondere die Staudämme am Euphrat und Tigris provozieren bereits jetzt Dürren weiter stromabwärts in Syrien. Die Wassermassen, die in der Türkei aufgehalten werden, erreichen das syrische Territorium kaum, sodass die Menschen dort sich als Geiseln der türkischen "Wasserpolitik" fühlen.
Brisant ist in diesem Zusammenhang, dass die betroffenen Ländereien vor allem Kurdengebiete sind, die eh eher feindlich Ankara gegenüber stehen. Die Kurden bezeichneten schon mehrfach die türkischen Staudämme als ein politisches Druckmittel, um sie zu schwächen. Manche Kurdenvertreter nahmen gar das Wort "Genozid" in den Mund und erklärten, dass Ankara bewusst die Wasserzufuhr für die ethnischen Minderheiten abschneidet.
Ankara dementierte selbstverständlich diese Vorwürfe und erklärte, es gehe ausschließlich um die Sicherung der eigenen Wasserversorgung.
Beide Seiten sehen sich im Recht, sodass bewaffnete Konflikte in der Region wegen des Wasserproblems noch weiter angeheizt werden. In diesem Sinne bewahrheitet sich in Nahost das Zukunftsszenario, das seit Langem von Experten eher für Afrika prophezeit wurde – dass die Kriege der Zukunft nicht um Öl, sondern um Trinkwasser geführt werden.
Im Moment scheint es nicht, dass ein Kompromiss möglich ist. Dadurch, dass die Türkei weiter stromaufwärts liegt, hat Ankara den "natürlichen" längeren Hebel. Umfangreiche politische Konsultationen und Verhandlungen wären notwendig, um hierzu einen kurdisch-türkischen Kompromiss zu finden, doch das scheint utopisch – zu viele andere Konflikte überschatten die Beziehungen zwischen Kurden und Türken.
Vor allem auf syrischem Boden brechen zwischen kurdischen und pro-türkischen Gruppierungen offene Gefechte aus, die zwar immer wieder eingedämmt werden können, aber keine dauerhafte Lösung mit sich bringen.
Dass das Wasserproblem in der Zukunft zum zusätzlichen dauerhaften Streitpunkt wird, der die schon bestehenden Konflikte weiter eskaliert, lässt nichts Gutes für kurdisch-türkische Beziehungen vorahnen.
Zudem fließen Tigris und Euphrat weiter in den Irak. Wenn auch dort die ankommenden Wassermassen sinken, könnte das auch die schwierigen türkisch-irakischen Beziehungen immens belasten.
Eine Aufheizung der Lage und ein ernster multinationaler türkisch-syrisch-kurdisch-irakischer Konflikt würden unter diesen Bedingungen sehr wahrscheinlich die Lage in ganz Nahost destabilisieren.
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