Dürren  werden weltweit zu einem gravierenden Problem, von dem schon jetzt 1,5  Milliarden Menschen betroffen sind, und es sieht ganz danach aus, dass  es noch schlimmer kommen wird. Die UNO rät in einem Expertenbericht zum  raschen, koordinierten Handeln. Es steht zu befürchten, dass der Appell  ungehört verhallt.

Je röter, desto grösser ist die Dürregefahr für Agrarflächen. Am stärksten betroffen ist Afrika

«Dürre heisst die nächste Pandemie. Und wir haben keinen Impfstoff.  1,5 Milliarden Menschen sind in diesem Jahrhundert schon davon  betroffen, und diese Zahl wird so lange dramatisch ansteigen als dass  die Welt es nicht schafft, die Ursachen der Dürren besser zu verstehen,  mit den Risiken  besser umzugehen und zu handeln, um die Dürren zu  stoppen». Mit diesen dramatischen Worten wendet sich Mami Mizutori, Sonderberichterstatterin des UN-Repräsentanten für die  Risiko-Minimierung von Naturkatastrophen, an die Welt. Sie sprach  anlässlich der Präsentation des Sonderberichtes zu Dürren.  Ein Grossteil der Welt werde in den nächsten Jahren unter Wassermangel  leiden. «Dürren können Monate, Jahre, manchmal Jahrzehnte dauern. Sie  verstärken die soziale und wirtschaftliche Ungleichheit, die so tief  verwurzelt sind, und sie treffen die Schwächsten am stärksten.»

Auf 124 Milliarden US-Dollar werden die Dürreschäden der Jahre 1998  bis 2017 grob geschätzt, wobei die Folgekosten noch nicht einmal  berücksichtigt sind. In den Vereinigten Staaten werden alleine die  Dürreschäden des Jahres 2017 auf 34,5 Milliarden Dollar geschätzt, in  der Europäischen Union, wo vor allem die Anrainerstaaten im östlichen  Mittelmeer und im Donaubecken betroffen sind, auf jährlich neun  Milliarden. Im Donauraum kam es in den Jahren 2003, 2007, 2012, 2015 und  2017 zu Dürren, und es sei damit zu rechnen, dass diese Frequenz in den  kommenden Jahrzehnten noch deutlich zunehmen wird. Und in Australien  hat die Produktivität der Landwirtschaft in den Jahren 2002 bis 2010,  noch Jahre vor den verheerenden Buschbränden von 2019, um nicht weniger  als 18 Prozent abgenommen. Während die reicheren Regionen der Welt noch  eher in der Lage sind, die Folgen von Dürren zu bewältigen, wird es für  Schwellen- und Entwicklungsländer schwierig bis unmöglich. Zum Beispiel  Indien, wo das zentrale Hochland von Dekkan am stärksten betroffen ist,  das 43 Prozent der Fläche des südlichen und östlichen Indiens umfasst.  Mehrjährige Dürren sind nichts Neues, aber deren Frequenz hat deutlich  zugenommen. Sie treffen Millionen von Kleinbauern am härtesten. 2019  mussten wegen der Wasserknappheit ganze Dörfer aufgegeben werden. Die  Dürreschäden summieren sich auf jährlich zwei bis fünf Prozent des  Bruttoinlandprodukts, obwohl der Anteil der Landwirtschaft seit den  1950er-Jahren laufend schrumpft. In Ostafrika leben, von Kenia bis in  den Sudan, 230 Millionen Menschen. Extreme Dürren ist man sich gewohnt,  sie führen immer wieder zu schweren Hungerkatastrophen. Rund ein Zehntel  der Menschen sind dauerhaft auf Nahrungsmittelhilfe angewiesen – und  auf Regen, der immer öfter ausbleibt. Der Weltklimarat rechnet damit,  dass sich die Lage noch verschärfen wird. Die Befürchtung scheint mehr  als berechtigt. Die NASA, die Weltraumagentur der USA, kommt in einer Studie zum Schluss,  dass sich das Energie-Ungleichgewicht der Erde in den vergangenen 15  Jahren verdoppelt hat. Gemeint sei die «delikate Balance» zwischen  Absorbation der Sonnenstrahlung in der Atmosphäre und dem für die  Wärmebildung verantwortlichen Infrarotanteil, der die Erdoberfläche  erreicht. Ein positives Ungleichgewicht bedeutet dabei Erwärmung. Diese  Verdoppelung sei «alarmierend».

Hauptverantwortlich für die Dürren seien sich verändernde Regenfälle,  schreiben die Autoren des UN-Sonderberichtes, aber es gebe auch  menschliche Versäumnisse, namentlich die ineffiziente Nutzung des  Wassers und die Degradation der Agrarflächen wegen Übernutzung. Dazu  kämen Entwaldung, Überdüngung, Übernutzung von Grasflächen und zu hohe  Grundwasserentnahmen für die Landwirtschaft.

Der Bericht schliesst mit einer Reihe von Empfehlungen, die sich  angesichts der Dramatik beinahe handzahm ausnehmen. Kein Mensch würde  widersprechen, dass Prävention sinnvoller ist als die Bewältigung  möglicher katastrophaler Folgen, und der Aufruf, zusammenzustehen,  lokal, nationale und international, um sich des Problems gemeinsam  anzunehmen, nimmt sich angesichts weitgehender Untätigkeit kaum mehr als  ein Appell aus – spiegelt letztlich aber auch die Machtlosigkeit der  Vereinten Nationen und ihrer Institutionen, die mehr und mehr in die  Rolle eines Gewissens der Welt geraten, ohne wirklich etwas unternehmen  zu können, solange es am kollektiven Willen dazu fehlt. Wichtig ist der  Appell trotzdem. Weil er so glaubwürdig ist.