Die US-Präsidentschaftswahlen waren in den letzten Wochen eines der dominierenden Themen in den Medien. Gingen im Vorfeld viele von einem eindeutigen Sieg des Herausforderers Joe Biden von den Demokraten aus, so war der Wahlausgang dann letztendlich doch lange Zeit unklar, was Amtsinhaber Donald Trump (Republikaner) dann schon mal dazu veranlasste, sich selbst zum Wahlsieger zu erklären. Doch aller Voraussicht nach ist er dies wohl dann doch nicht. Grund zur Erleichterung? Mit Sicherheit. Grund zur Freude? Nur sehr bedingt, wie ich finde.
Natürlich bin ich auch froh, wenn Donald Trump nicht mehr das Amt des mächtigsten Mannes der Welt bekleidet, denn eine weitere Amtszeit hätte die US-amerikanische Demokratie ernsthaft beschädigen können, und die ist ja nun schon ramponiert genug. Allerdings mag ich auch nicht in die nun überall präsenten Jubelgesänge auf Joe Biden einstimmen.
Nur weil Trump komplett indiskutabel ist, heißt das nicht, dass Biden nun ein toller Typ wäre.
Natürlich finde ich es begrüßenswert, dass Biden verkündet hat, dem Pariser Klimaschutzabkommen wieder beizutreten, doch ist deswegen nun auch eine politische Neujustierung in der Klima- und Umweltpolitik zu erwarten? Wohl eher nicht. Am Fracking beispielsweise dürfte auch Biden festhalten, und dass man sich sowohl pro forma zum Klimaschutzabkommen bekennen kann als auch gleichzeitig dann die damit zusammenhängenden Ziele zur CO2-Reduktion versemmelt, können wir ja hier im eigenen Land regelmäßig beobachten.
Von Biden ist schon allein deswegen kein komplett neuer Kurs der US-Politik zu erwarten, weil er zum politischen Establishment gehört und unter Barack Obama bereits Vizepräsident gewesen ist.
Da muss man sich nur vor Augen halten, dass ja Trump nicht einfach so vom Himmel gefallen ist, sondern es Ursachen dafür gibt, dass so eine Gestalt zum Präsidenten gewählt werden konnte. Und natürlich auch, dass trotz seiner permanenten Lügen, seines despotischen Führungsstils mit andauernden Entlassungen in seinem Umfeld und seines peinlichen Auftretens immer noch fast die Hälfte der US-Amerikaner, die zur Wahl gegen sind, für Trump gestimmt haben. Auch viele Frauen, Latinos und Schwarze – die für einen misogynen Rassisten votierten. Eigentlich absurd genug, aber auch das hat Gründe. Und ist nicht gerade ein rauschender Erfolg für Biden, so einen Freak wie Trump nicht mit einem haushohen Sieg aus dem Weißen Haus gefegt zu haben.
Wie Brecht schon sagte: Erst kommt das Fressen, dann kommt die Moral. Und wenn sich die Demokraten als Alternative zu Trump fast ausschließlich um identitätspolitische Themen kümmern, dabei aber die sozialen Verwerfungen ignorieren, dann sammeln sie damit nicht eben gerade viele Sympathiepunkte bei denen, die zur immer größeren Gruppe der Verlierer des Neoliberalismus gehören und bei denen existenzielle Probleme etwas Alltägliches sind.
Trump ist nämlich mitnichten die Ursache für die aktuellen Probleme der US-amerikanischen Gesellschaft (wobei es durchaus auch in anderen Ländern ähnliche Probleme gibt), sondern nur ein Symptom.
In Barrack Obama haben viele Menschen Hoffnung gesetzt, doch letztendlich hat auch er nichts an der immer weiter um sich greifenden Verarmung breiter (und im überproportionalen Sinne schwarzer) Bevölkerungsteile gemacht. Diejenigen, die sich nun zu Recht im Stich gelassen fühlen, haben dann einfach die Nase voll von schönen Worten und entscheiden sich für die Wahl von jemandem, der nur irgendwie vorgibt, anders zu sein und beim verhassten Establishment auf Ablehnung stößt (obwohl er ja selbst letztlich Teil des Establishments ist, trotz seiner Beschränktheit und schlechten Manieren): Donald Trump.
Alexandria Ocasio-Cortez hat das sehr richtig erkannt, formuliert entsprechende Kritik, in der aber auch ein Stück weit Verzweiflung mitschwingt, wenn der Shootingstar der Demokraten dann schön öffentlich mit Rücktrittsgedanken spielt (s. hier). Auch wenn ich nicht davon ausgehe, dass sie sich aus der Politik zurückziehen wird, so zeigt das doch, auf welch verlorenem Posten das progressive Lager zurzeit bei den Demokraten steht.
Und dabei bräuchte es nun eine progressive Politik dringender denn je, aber so kann man wohl davon ausgehen, dass die neoliberale Politik, die unsere Lebensgrundlagen zusehends zerstört, auch unter Biden fortgeführt wird. Was natürlich die neoliberalen Medien, die ihn gerade feiern, nicht wirklich stört.
Insofern ist für mich Biden nur das kleinere Übel im Vergleich zu Trump. Zudem wird ein Präsident Biden nun natürlich auch dazu führen, dass Kritik an den USA und ihrer Politik nun wieder wesentlich weniger geäußert wird (auch wenn dies zwingend notwendig wäre), da ja nun nicht mehr der „böse“ Trump dort Präsident ist. Die Transatlantiker können also beruhigt wieder zur ihrer Nibelungentreue zurückkehren.
Wie schon gesagt: alles kein wirklicher Grund zur Freude. Vor allem wenn man bedenkt, was möglich gewesen wäre, wenn vor vier Jahren das Parteiestablishment der Demokraten nicht mit aller Macht (und reichlich üblen Machenschaften) einen Präsidenten Bernie Sanders verhindert hätte …
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