Wie in jedem Jahr will ich einen kleinen Rückblick auf das gerade zu Ende gegangene Jahr halten. Allerdings ist mir beim Lesen des letztjährigen Jahresrückblicks (auf meinem Blog unterströmt) aufgefallen, dass ich diesen mit einigen wenigen Modifikationen bei den Namen fast genauso hätte noch mal verwenden können. Was für ein deutliches Anzeichen für ein stagnierendes „Weiter so!“ – und dabei ist es genau das, was wir uns nun überhaupt nicht leisten können. Zumal ich den 2018er-Rückblick ja auch bereits mit ähnlichen Worten eingeleitet habe …

So hat sich die katastrophale Politik der immer offensichtlicher vollkommen ungehemmt korrumpiert auftretenden GroKo genauso fortgesetzt, wie sie gestartet ist. Statt wie im letzten Jahr auf Seehofer, Scholz, von der Leyen, Spahn und Bär zu verweisen, wären dieses Jahr dann allerdings eher Julia Klöckner (CDU), Andreas Scheuer (CSU) und Peter Altmaier (CDU) aus der Ministerriege zu nennen, die mit ihrem Verhalten und ihrer offensichtlichen Käuflichkeit den Politik(er)verdruss in Deutschland (und auch international, da muss man sich ja nur mal die Gestalten mit quasi werksseitig eingebautem Interessenkonflikt ansehen, die da nun teilweise Posten als EU-Kommissare erhalten haben) massiv angeheizt haben. Was muss denn eigentlich noch geschehen, damit derartig verkommene Gestalten mal zurücktreten? Na ja, besäßen sie diesen Funken Anstand, dann wären sie kaum in der CDU/CSU bzw. dort auch noch in Führungspositionen aufgestiegen …

Und mit solch einer Pappnasenriege soll dann also dem wohl größten Problem, mit dem sich die Menschheit je konfrontiert sah, begegnet werden: der drohenden Klimakatastrophe, die in vielen Teilen der Welt schon sehr real geworden ist: Australien verzeichnet Hitzerekorde und steht in weiten Teilen in Flammen, der Amazonas-Regenwald brennt, die ersten Gletscher sind geschmolzen, und die Permafrostböden der Arktis sind so weit aufgetaut, wie es eigentlich erst für 2090 prognostiziert war.

Und obwohl das Aufziehen der Apokalypse immer offensichtlicher wird, machen die Politpappnasen dann also das, was Pappnasen immer machen: nichts oder alles noch ein bisschen schlimmer. Die Klimakonferenz von Madrid war ein Fanal der Hilflosigkeit oder des Nichtwollens, die Bundesregierung beschließt ein Klimapaketchen, dass keinerlei Wirkung zeigen wird, selbst einfach umzusetzende Maßnahmen, bei denen man nur mal ein bisschen Rückgrat gegenüber BILD und den Stammtischen zeigen müsste (Verbot von privatem Feuerwerk, Tempolimit), werden nicht eingeführt, stattdessen werden auch mit Unterstützung der Bundesrats-Grünen schicke LNG-Terminals gebaut, um ekliges Fracking-Gas aus den USA importieren zu können. Und nebenbei bremst der Wirtschaftsminister dann auch gleich noch mit seiner vollkommen blödsinnigen Abstandsregelung den Ausbau von Windkraftanlagen an Land fast komplett aus. Ach ja, Dinge wie Massentierhaltung zu beenden steht natürlich auch nicht auf dem Programm, da darf schön weiter gequält werden, und dafür kann man dann auch noch riesige Summen von EU-Subventionen einstreichen.

„Die Leute müssen mal auf die Straße gehen“, so höre ich es immer wieder. Echt jetzt? Am 20. September waren etwa 1,4 Millionen Menschen in Deutschland auf der Straße und haben zusammen mit Fridays for Future demonstriert, um eine endlich einmal wirksame Klimaschutzpolitik einzufordern. Hat nur leider nichts bewirkt, denn so was geht unseren Regierunden ganz gepflegt am Allerwertesten vorbei, da wird sich noch nicht mal am von Nestlé gesponserten Schampus verschluckt. Und zur Not wird dann, wenn die demonstrierenden Jungspunde zu forsch werden, auch schon mal der Knüppel rausgeholt, damit klar ist, wer hier das sagen hat.

Anstatt sich mit den guten Argumenten von Wissenschaftlern und Klimaschützern auseinanderzusetzen, wird zudem lieber auf die Person von Greta Thumberg eingedroschen. Da ist dann den neoliberalen Stimmungsmachern und Anheizern (zum Beispiel solchen fiesen Typen wie dem Elitenzäpfchen Dieter Nuhr) im Schulterschluss mit Rechtsaußen kein Verbalschlag zu weit unter der Gürtellinie, um nicht noch irgendwie öffentlichkeitswirksam angebracht zu werden. Und da Menschen eben in der Regel lieber über Personen als über Themen reden (ist ja auch nicht so kompliziert), kommt man mit dieser Strategie leider auch sehr weit und dominiert so weite Teile der medialen Öffentlichkeit.

Nicht nur dabei ist übrigens das weitere Zusammenrücken von CDU und den Rechtsextremen der AfD zu beobachten. Letztere eilen nach wie vor von Wahlerfolg zu Wahlerfolg, da hinreichend genügend Menschen eben hinreichend genügend verblödet wurden, um tatsächlich zu glauben, dass in einer globalisierten Welt nationalistische und völkische Konzepte eine sinnvolle Idee wären. Und da die AfD bis auf die offen geäußerte Menschenverachtung sich ohnehin kaum programmatisch von CDU und FDP unterscheidet (die Blaubrauen wollen beispielsweise, dass Afrikaner im Mittelmeer ertrinken, weil sie schwarz sind, die Schwarz-Gelben, weil sie arm sind), werden da die Forderungen nach einer möglichen Koalition auch immer deutlicher formuliert – selbst in Thüringen, wo der AfD-Vorsitzende Björn Höcke heißt und somit ein waschechter Neonazi ist.

Da kommt es einem auch fast nur noch wie eine weitere Anekdote der CDU auf ihrem Weg hinaus aus dem demokratischen Spektrum vor, wenn ein Kreistagsabgeordneter der Partei mit der schwarzen Sonne, einem ausgesprochen beliebten Neonazisymbol, als Tätowierung rumläuft und eine einschlägige Karriere in rechten Netzwerken hinter sich hat. Immerhin haben die Rechtfertigungsversuche hierfür schon mal das gleiche Niveau wie bei den mausrutschenden AfDlern. Wobei mir auch vermehrt aufgefallen ist, dass sich der Anhang von CDU (sowie auch FDP) und AfD in der unterirdischen Diskussionskultur zunehmend einander annähert. Da haben die Nur-Neoliberalen schnell von den Völkisch-Neoliberalen gelernt, wie man öffentlichen Diskurs sabotiert, stört und unterbindet.

Doch immerhin gab es auch einen leichten Hoffnungsschimmer in der deutschen politischen Landschaft, nämlich das neue SPD-Führungsduo Saskia  Esken und Norbert Walter-Borjans. Die beiden konnten sich immerhin gegen den marktradikalen und korrupten Betonkopf Olaf Scholz (und irgendeine Frau hatte der auch noch im Schlepptau – hab ich allerdings gerade vergessen, wer das war) in der Stichwahl durchsetzen – wenn auch nur knapp. Esken und Walter-Borjans haben zumindest schon mal dezente Andeutungen losgelassen, dass sowohl sozialpolitisch als auch ökologisch die SPD mal wieder einen anderen Kurs fahren sollte, nämlich nicht nur den seit Gerhard Schröder ausschließlich von den Seeheimern dominierten neoliberalen. Hier wird sich zeigen, ob die SPD nun tatsächlich versucht, wieder glaubwürdig sozialdemokratisch zu werden. Wichtig wäre das, denn ohne die SPD wird eine politisch so dringend notwendige Abkehr vom immer offensichtlicher gescheiterten Neoliberalismus kaum möglich sein.

Dafür müssten dann auch die Grünen mit an Bord sein, die vor allem bei der EU-Wahl sehr viele Wählerstimmen hinzugewonnen haben. Allerdings scheint mir dort ein progressives und ökologisches Denken (wenngleich vor allem Letzteres ihnen nach wie vor von vielen Medien und damit auch Wählern zugeschrieben wird) nicht besonders ausgeprägt zu sein. In Regierungsverantwortung besteht nämlich immer mehr die Gefahr, die Grünen mit der CDU zu verwechseln (wie in Baden-Württemberg und Hessen), und immer weniger Hoffnung, ökologischen Irrsinn zu unterbinden (so wie die Elbvertiefung in Hamburg, bei der die angebliche Umweltpartei fröhlich mit auf dem Bagger sitzt).

Dennoch werden vor allem die Grünen auch mit diesen Erwartungen konfrontiert, und aus der Ecke von Fridays for Future, deren Etablierung jenseits eines Kurzzeitphänomens auch eine erfreuliche Sache im vergangenen Jahr war, wird ja auch bereits immer öfter Kritik an der fehlenden Systemkritik vonseiten Habecks und seiner Truppe geäußert. Und auch erfolgreiche Bürgerinitiativen wie das zur Bienenrettung in Bayern zeigen, dass in der Bevölkerung das ökologische Bewusstsein und der Wille auch zum längerfristigen Überleben stetig wachsen.

Die neoliberalen Hardliner reagieren dann allerdings auf ihre ganz eigene Art darauf, nämlich indem immer mehr kritischen Organisationen (Attac, Campact, Change.org, Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes …), die dazu beitragen, dass Bürger sich politisch engagieren und organisieren, das Wasser abgegraben wird durch den Entzug der Gemeinnützigkeit. Dadurch bekommen die betroffenen NGOs nämlich arge Finanzierungsprobleme, da Spenden an sie nicht mehr steuerlich absetzbar sind. Wie gut, dass der offensichtlich rechtsextreme militante Verein Uniter und Rüstungslobbyisten nach wie vor diesen Status genießen …

Apropos Rüstung: Hier erreichte Deutschland im letzten Jahr einen Rekord bei den Ausfuhren, gern auch in demokratisch fragwürdige oder offen despotische Länder. Und da der neoliberal verblödete Untertan seinen Regierenden nicht darin nachstehen will, ganz gepflegt auf die Konsequenzen seines Tuns zu scheißen, erfreuen sich auch SUVs, Kreuzfahren und Flugreisen ebenfalls eines Höchststandes. Da nützt das immer weiter wachsende Bewusstsein vieler Bürger für ein nachhaltigeres Konsumverhalten anscheinend überhaupt nichts, wenn dann das Gesamtresultat dank der Konsumäffchen doch immer negativer ausfällt für Klima und Umwelt.

Wirkung zeigt auch die zunehmende Akzeptanz und Verwendung von rechter menschenverachtender Rhetorik im öffentlichen Raum und in der Politik (auch von Politikern aus Parteien, die sich pro forma noch zum demokratischen Spektrum zählen lassen möchten), denn es blieb im letzten Jahr nicht nur bei Verbalangriffen. Todesopfer von rechtem Terror sind ja leider regelmäßig zu verzeichnen, allerdings weisen dann solche Morde wie die von Halle und am CDU-Politiker Lübke schon eine andere Qualität auf aufgrund ihrer offensichtlichen Organisiertheit. Auch wenn Justiz, Polizei und Medien in großen Teilen natürlich immer wieder bemüht sind, hier von Einzeltätern zu sprechen.

Dazu habe ich ein sehr passendes Zitat von Klaus Theweleit in einem Artikel in den Blättern für deutsche und internationale Politik (leider nur gegen Bezahlung lesbar) gefunden:

Natürlich hat man lieber ein paar Verrückte, die morden, als Mörder, die ähnliches Zeug reden wie (nicht nur) der Ministerpräsident aus Bayern.

Auf internationalem Parkett ist vor allem in Südamerika gerade einiges am Rumoren. In Bolivien und Venezuela gab es Staatsstreiche von konservativen bis reaktionären Kräften, in Chile protestieren immer mehr Menschen gegen das neoliberale System und seine Verwerfungen (und werden dabei teilweise sehr brutal angegangen), und in Brasilien fährt der rechtsextreme Präsident Bolsonaro seinen destruktiven Kurs ungehindert fort, während die EU ihn dafür dann noch mit einer Einigung im sogenannten Mercosur-Abkommen belohnte. Tritt dieses in Kraft, entstünde die größte Freihandelszone der Welt, sodass beispielsweise noch mehr Fleisch aus Südamerika in der EU auf den Markt kommen könnte. Also genau das, was wir im Angesicht des Klimawandels echt noch brauchen …

Ein bisschen Hoffnung gibt es allerdings in Argentinien, wo die neoliberale Macri-Regierung abgewählt wurde, nachdem sie das Land in vier Jahren reichlich zugrunde gewirtschaftet hat. Und nachdem nun auch Großbritannien mit dem populistische Großmaul Boris Johnson einen neuen Premierminister hat, der mit Sicherheit keinen bürger-, klima- oder umweltfreundlichen Kurs einschlagen wird in seiner Regierungspolitik, kann doch im kommenden Jahr zumindest mit ein bisschen mit Hoffnung in die USA geschaut werden. Sollten sich die Demokraten dort nämlich auf einen wirklich mal progressiven Kandidaten einigen können (z. B. auf Bernie Sanders oder Elisabeth Warren) und das Parteiestablishment keine Intrigen und Schiebereien wie bei der Clinton-Kandidatur inszenieren, dann dürfte Trump vielleicht schon bald Geschichte sein. Natürlich kann auch eine mächtige Person wie der US-Präsident (oder natürlich die US-Präsidentin) die Welt nicht im Alleingang retten, es wäre jedoch schon mal ein sehr deutliches Signal in eine richtige Richtung.

Trotz einiger kleiner Hoffnungsschimmer kann ich diesen Rückblick auf das Jahr 2019 somit leider auch nur mit den genau gleichen Worten wie im Jahr 2018 beenden:

Insgesamt also alles andere als gute Aussichten – ich würde mich freuen, wenn der Jahresrückblick in zwölf Monaten ein bisschen positiver ausfallen könnte. Allein mir fehlt der Glaube daran …

Dir gefällt, was Karl Haas schreibt?

Dann unterstütze Karl Haas jetzt direkt: