"Verläuft hier eine Bahnlinie?", erkundigte ich mich verwundert diesen Sommer auf einer Gartenparty und deutete aufs Nachbargrundstück.

"Äh nein, das ist der Garten unseres neuen Nachbarn. Ganz neu gebaut, also das Haus."

"Dass das noch grüner wird, sieht eher nicht so aus, oder?" Ich sah ihn anteilnahmsvoll an.

Er zuckte nur resigniert mit den Achseln und wendete sich wieder seinem grünen, buntblühendem Garten und seinen Gästen zu. Ich drückte nochmal die Zweige auseinander. Es sah orginal aus wie ein Bahndamm: grobe, kantige graue Steine sind zu einem Wall aufgeschichtet, dahinter der besagte Neubau. Rechts und links erahne ich diese unsäglichen Käfige, befüllt mit denselben Bahndammsteinen. Warum bitte macht man das, fragte ich mich?

Die Tochter des Hauses, 23, begrüßte mich und erkundigte sich nach meiner Tochter, 22. Dabei drückte sie mir freudestrahlend einen Becher entgegen: "Ich geh ja nicht normalerweise zu Mc Donalds, aber der Cold Brew muss schon sein bei der Hitze."

Auch meine Tochter mag Cold Brew gerne. Sie weiß, ich bin ein Kaffeejunkie, deshalb nahm ich ihn ihr dankend ab. Mh ja, kalter Kaffee mit Eiswürfeln drin mag ja noch angehen - wobei mein Kaffee an sich heiß sein soll - egal bei welcher Außentemperatur. Aber dieser lappige, sich nach ein paar Minuten auflösender Papphalm darin, machte die Sache nicht besser.

Mein Sohn kam und streckte mir seinen Milkshake Becher aus dem eben besagten Lokal entgegen. "Den hat mir Miri mitgebracht, voll nett. Magst du? Du kannst den Rest auch haben", sagte er großzügig und verschwand wieder zu den andern Kindern. Jetzt stand ich also mit zwei großen Bechern mit umgebogenen Halmen da, stellte sie ab und machte zumindest beim kalten Kaffee einfach den Deckel nebst Halm weg und trank ihn so.

"Der hat alles auch mit Folie abgedeckt, die Erde und alles, bevor die Steine drauf kamen." Der Gastgeber stand wieder vor mir und reichte mir einen Cocktail - den Halm zog ich sofort raus und deponierte ihn auf dem Tisch.

"Das macht halt weniger Arbeit", erklärte mir seine Frau, beide standen nebeneinander und sahen etwas betroffen aus. "Aber so richtig schön sieht's nicht aus. Mit Natur hat das ja auch nichts zu tun."

"Sieht aus wie 'ne Grabstätte, wenn ihr mich fragt." Sieht zwar auch da Scheiße aus, aber derjenige muss es ja zumindest nicht mehr ansehen. Das dachte ich aber immerhin nur.

"Die sind halt beide viel arbeiten. Und immerhin stört kein Rasenmäher am Samstag."

Ich nickte. Das zumindest ist ein klarer Vorteil. In vielerlei Hinsicht.  Auch wenn ich oft dachte, dass ich meinen Garten vernachlässige und es mir nicht immer gelingt das wilde Wuchern positiv zu sehen, an diesem Tag fiel es mir leicht: Ich tue was für die Artenvielfalt, indem ich wenig bis nichts tue. Da da Gras nicht gemäht wird -ich bräuchte einen Hangmäher dazu - trocknet es nicht zu stark aus bei Hitze und hat die Chance zu blühen und sich wieder auszusäen. Die Brombeerranken aus dem brachliegenden Grundstück nebenan muss ich ab und zu zurückschneiden, das nervt und schmerzt. Ich wende meinen Kopf zum Nachbargarten und stelle fest: Das ist mir aber immer noch lieber als eine Bahntrasse, die keine ist.

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