Neulich entdeckte ich die Gnade des Hemdes.

Ich bin schlank, mache schon immer Sport, bewege mich auch sonst viel im Alltag, aber ich bin 50. Und habe fünf Kinder und einen Bauch, der ab und zu aufgeht wie ein Hefeteig und ein völliges Paradox zu den ganzen Sit-ups und Planks darstellt, die ich regelmässig mache. Jahrelang regte ich mich darüber auf, mal mehr, mal weniger.

Wie ich vor einiger Zeit erfreut feststellte: Ein Hemd oder eine Bluse, in die Hose gesteckt, locker über den Gürtel mit schmucker Schnalle gezogen, kaschiert gnädig, egal wie weit der zyklusbedingte Hefeteig aufgegangen ist.

Warum bin ich nicht schon früher darauf gekommen? Hemden in Hosen zu stecken war uncool in der Zeit und in dem Mikrokosmos, aus dem ich komme: ein Anzeichen von Ordentlichkeit und Spießigkeit. Ich presste mich lieber in engere Oberteile.

Jetzt kommen die 80-er Jahre wieder. In meinem Empfinden ein modisches Desaster in vielerei Hinsicht, aber wie ich jetzt aus älterer Perspektive feststelle, menschenfreundlicher. Besonders für die Frauen, die nicht stockdürr sind.

Heute wie damals stehe ich auf Second-Hand-Klamotten, kombiniere immer wieder altes mit neuem – das Schöne daran: Ich muss nicht mal mehr unbedingt in einen Secondhandladen, ich kann einfach in meinen Schrank gucken.

Und bin froh, mir nicht mehr sooooviele Gedanken um meine Klamottenwahl zu machen. Ein Stressfaktor weniger und damit ein großer Vorteil des Älterwerdens.

writeandrun.de