Der Titel der Publikation könnte kaum trockener sein: „Aktualisierte wissenschaftsweite Autorendatenbanken mit standardisierten Zitationsindikatoren“ (Updated science-wide author databases of standardized citation indicators).1 Ihr Inhalt ist jedoch für viele spannender als jeder Krimi.
Es handelt sich um nichts weniger als um eine Rangordnung aller 160 000 Wissenschaftler aller Disziplinen aller Länder. Solche Listen sind oft mitentscheidend, wenn es darum geht, wer eine ausgeschriebene Professorenstelle bekommt und wer leer ausgeht. Zudem laden sie auch dazu ein, Vergleiche anzustellen. Und diese Vergleiche ergeben viele Ergebnisse, die alles andere als trocken sind und auch außerhalb der universitären Elfenbeintürme Aufsehen erregen sollten.
Zum Beispiel: Wie viele der 100 meist-zitierten Wissenschaftler aller Länder sind Frauen? Was schätzen Sie? 40? 20? Nein, falls ich das richtig gezählt habe, ist da nur eine einzige Frau dabei. Stimmt, das ist schockierend! Wir wissen schon lange, dass Wissenschaft weitgehend eine Männersache ist. Und wir wissen ebenso, dass Männer schneller die Erfolgsleiter hoch klettern. Aber dass der Effekt dermaßen krass ist, verwundert dann doch. Das sollte zum Nachdenken anregen, oder besser noch, es sollte Reformen in Gang setzen.
Und wie steht es mit der Anzahl der Deutschen unter den Top 100? Nicht so toll, fürchte ich. Was meinen Sie, wie viele deutsche Wissenschaftler sind unter den ersten 100? 20? 10? Nein, tatsächlich sind es nur 2. Sheldrick George von der Uni Göttingen2 (eigentlich ein Engländer) und Grimme Stefan von der Uni Bonn3. Dominieren tun hier ganz eindeutig die Wissenschaftler aus den USA, die sage und schreibe 50 der 100 Spitzenplätze belegen.
Welche wissenschaftlichen Disziplinen sind am häufigsten unter den Top 100 vertreten? Das sind die Medizin und Medizin-relevante Fächer. Sie besetzen etwa 70 der 100 Spitzenpositionen. Mein Fachgebiet, die Alternativmedizin ist leider nur sehr schüchtern vertreten. Unter den ~160 000 gelisteten Wissenschaftlern besetzen wir insgesamt nur etwa 50 Plätze.4 Wenn man bedenkt, dass die Medizin die Liste insgesamt deutlich dominiert, ist das beschämend wenig.
Und wo ist der Ernst in dieser Liste? Danke, ich hatte gehofft, Sie würden diese Frage stellen! Ich bin auf Rang 107 (Nr. 11 aller Wissenschaftler aus Großbritannien, Nr. 1 aller aus Exeter) und nicht wenig stolz darauf.
Der absolute Spitzenplatz in der Liste der 160 000 meist zitierten Wissenschaftler verdient natuerlich eine besondere Erwähnung. Er wird von einem Chemiker der Universität Lausanne besetzt, Michael Grätzel.5 Professor Grätzel ist Schweizer, aber gebürtiger Deutscher. Hier also doch noch ein kleines Trostpflaster für den verletzten deutschen Stolz!
1 Ioannidis JPA, Boyack KW, Baas J. Updated science-wide author databases of standardized citation indicators. PLoS Biol. 2020 Oct 16;18(10):e3000918. doi: 10.1371/journal.pbio.3000918. PMID: 33064726; PMCID: PMC7567353.
2 George M. Sheldrick - Wikipedia
3 Stefan Grimme - Wikipedia
4 Who are the most ‘influential’ researchers of so-called alternative medicine (SCAM)? (edzardernst.com)
5 Michael Grätzel - Wikipedia
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