Eine königliche Liebesaffäre

Es ist ein tolles Gefühl, wenn die Post einem das erste Exemplar eines neuen, selbstverfassten Buches zustellt. Genau das ist mir am Samstag passiert. Da kommt Freude auf!

Nur schade, dass Sie mit dem Buch (‚Charles, der alternative Prinz. Eine nicht-autorisierte Biographie‘) wenig anfangen können, wenn Sie kein Englisch beherrschen. Lassen Sie mich daher doch zumindest das erste Kapitel für Sie übersetzen:

In den vergangenen zwei Jahrzehnten habe ich die Bemühungen unterstützt, die Gesundheitsversorgung auf die besonderen Bedürfnisse des einzelnen Patienten auszurichten und dabei die besten und geeignetsten Behandlungsformen sowohl der Schul- als auch der Komplementärmedizin in einer stärker integrierten Weise einzusetzen .

Der Prinz von Wales 1997

Dies ist in der Tat ein charmantes britisches Understatement! Charles ist der hartnäckigste Verfechter der Alternativmedizin im Vereinigten Königreich und vielleicht sogar weltweit. Seit den frühen 1980er Jahren hat er alles in seiner Macht Stehende getan

• um das Image der Alternativmedizin zu verbessern
• um den Status von alternative Heilern zu erhöhen,
• alternative Therapien für die breite Öffentlichkeit zugänglicher zu machen,
• sich dafür einzusetzen, dass sie vom Nationalen Gesundheitsdienst (NHS) bezahlt werden,
• dafür zu sorgen, dass die Presse positiv über das Thema berichtet,
• Politiker zu beeinflussen, damit sie die alternative Medizin stärker unterstützen.

Er hat für diese Ziele auf persönlicher, emotionaler, politischer und gesellschaftlicher Ebene gekämpft. Er hat seine Zeit, seine Intuition, seinen Einfluss und gelegentlich auch sein Geld eingesetzt, um diese Ziele zu erreichen. Im Jahr 2010 schrieb er sogar ein Buch mit dem Titel "Harmony", in dem er seine Ideen ausführlich erläutert.  Charles ist damit zum unbestrittenen Meister der Alternativmedizin geworden. Dafür wird er von Fans der Alternativmedizin auf der ganzen Welt bewundert.

Dennoch wird sein unermüdlicher Einsatz nicht von allen geschätzt (eine weitere britische Untertreibung!). Es gibt diejenigen, die seine Interventionen als kontraproduktive Ablenkung von der wichtigen und nie endenden Aufgabe betrachten, die moderne Gesundheitsversorgung zu verbessern. Manche warnen davor, dass die Integration von dubiosen Behandlungsmethoden in unsere medizinische Routine die Effizienz der Gesundheitsversorgung beeinträchtigen wird. Es gibt diejenigen, die behaupten, dass die Beschäftigung des Prinzen mit Themen, für die er nicht qualifiziert ist, der öffentlichen Gesundheit einen Bärendienst erweist. Und es gibt diejenigen, die darauf bestehen, dass es nicht zu den Aufgaben des Thronfolgers gehört, sich in die Gesundheitspolitik einzumischen.

• Sind die Ideen von Charles also neu und spannend?
• Oder sind sie obsolet und irrational?
• Ist Charles der Retter des britischen Gesundheitswesens?
• Oder behindert er den Fortschritt?
• Ist er ein Vorbild für medizinische Innovatoren?
• Oder das Gespött der Fachwelt?
• Ist er ein erfolgreicher Reformer der Medizin?
• Oder sind seine Konzepte zum Scheitern verurteilt?

Charles weicht kritischen Fragen dieser Art stets aus. Sich auf seine Intuition verlassend, verfolgt und fördert er unbeirrt seine persönlichen Überzeugungen, ungeachtet der Evidenz. Er glaubt fest an seine Mission und ist, wie die meisten Beobachter bestätigen, voller guter Absichten. Wenn er überhaupt Kritik wahrnimmt, dann nur, um seine Entschlossenheit zu bekräftigen und seine Anstrengungen zu verdoppeln. Es wird berichtet, dass er unermüdlich arbeitet, und man könnte leicht den Eindruck gewinnen, dass er von seiner Idee besessen ist, die alternative Medizin in das konventionelle Gesundheitswesen zu integrieren.

Ich habe Charles' Bemühungen um die Alternativmedizin in den letzten 30 Jahren beobachtet. Gelegentlich war ich daran beteiligt. 19 Jahre lang habe ich das weltweit produktivste Forscherteam im Bereich der Alternativmedizin geleitet. Dieser Hintergrund versetzt mich in die einzigartige Lage, diesen Bericht über Charles' "Liebesaffäre" mit der Alternativmedizin zu verfassen. Es handelt sich dabei nicht nur um eine einfache Darstellung von Charles' Ansichten und Handlungen, sondern auch um eine kritische Analyse der Evidenz, die diese unterstützen oder nicht unterstützen. Mit meinem Buch verfolge ich mehrere Ziele:

• Ich möchte diesen Teil der Medizingeschichte zusammenfassen, da er einen wichtigen Beitrag zur jüngsten Entwicklung der Alternativmedizin im Vereinigten Königreich und darüber hinaus darstellt.
• Ich möchte erklären, wie Charles und andere Anhänger der Alternativmedizin denken, was sie motiviert und welcher Logik sie folgen.
• Ich werde Charles' Überzeugungen mit der publizierten Evidenz für jede der von ihm unterstützten alternativen Modalitäten (Behandlungen und diagnostische Methoden) vergleichen.
• Ich möchte die Fähigkeit meiner Leser anregen, kritisch über Gesundheit im Allgemeinen und alternative Medizin im Besonderen nachzudenken.

Mein Buch ist also auch eine Möglichkeit, die Argumente für und gegen die Alternativmedizin abzuwägen. Auf diese Weise bietet es Charles vielleicht sogar einen Ersatz für eine Diskussion über seine Gedanken zur Alternativmedizin, die er fast ein halbes Jahrhundert lang so eifrig zu vermeiden wusste.

Bei der Verfolgung dieser Ziele gibt es auch Themen, die ich zu vermeiden hoffe. Gleich zu Beginn sollte ich einen Interessenskonflikt anmelden. Charles und ich teilten einst eine ähnliche Begeisterung für die Alternativmedizin. Als jedoch belastbare Evidenz auftauchten, änderte ich meine Meinung und er nicht. Dies führte zu viel publizierten Spannungen und Konflikten. Es wäre jedoch zu einfach, dieses Buch als einen Racheakt abzutun. Das ist es sicher nicht. Ich habe mich bemüht, objektiv und leidenschaftslos zu sein, die Behauptungen von Charles so fair wie möglich darzustellen und sie mit der zuverlässigsten Evidenz zu vergleichen. So weit wie möglich möchte ich vermeiden, dass:

• meine persönlichen Meinungsverschiedenheiten mit Charles der Objektivität im Wege stehen,
• Charles und seine Ambitionen unfair dargestellt werden,
• ich respektlos gegenüber den tief empfundenen Überzeugungen von irgendjemandem bin,
• ich das Ansehen unserer königlichen Familie schwäche.

Mein Buch folgt Charles' Aktivitäten in etwa chronologischer Reihenfolge. Jedes Mal, wenn wir auf eine neue Art von alternativer Medizin stoßen, werde ich versuchen, Charles' Wahrnehmungen mit den seinerzeit verfügbaren wissenschaftlichen Erkenntnissen zu kontrastieren. Die meisten Kapitel dieses Buches sind daher in vier Teile gegliedert:

1. Eine kurze Einführung
2. Charles' Ansichten
3. Ein Überblick über die Evidenz
4. Ein Kommentar zu den Konsequenzen

Während ich dieses Buch schrieb, habe mir immer wieder eine Frage gestellt: Warum hat bisher noch niemand eine ausführliche Geschichte von Charles' Aktivitäten bez. Alternativmedizin geschrieben? Sicherlich ist die Darstellung von seiner "Liebesaffäre" mit der Alternativmedizin faszinierend, vielfältig, aufschlussreich und wichtig!

Ich hoffe, Sie stimmen mir zu.