Sich selbst als intelligent zu bezeichnen ist in unserer Kultur für gewöhnlich verpönt – es gilt als Eigenlob, und Eigenlob stinkt (hier hat übrigens die spanische Sprache auch ein interessanteres Sprichwort: «Preise dich, Esel, wer preist dich sonst.») Die Folgerung ist, dass es als etwas positives zu verstehen ist, intelligent zu sein. Intelligenz ist auch traditionell eine Tugend gewesen. Aber man muss sich fragen, warum eigentlich, denn denkt man darüber nach, ist Intelligenz vielmehr eine Benachteiligung als ein Vorteil.

Ein hohes Mass an Intelligenz führt dazu, dass man sich der vielen Gegensätze, Heucheleien und Betrüge bewusst wird, die in unserer Gesellschaft vorgehen. Und was hat man schliesslich davon, dass man bei so viel Unsinn nicht mitmachen wolle, etwa die Hochachtung anderer dafür, nicht ein weiterer Gimpel zu sein, der sich an der Nase herumführen lässt? Nein, stattdessen wird dieser als Einfältig ausgemacht, weil die leichtgläubige Masse ebenfalls glaubt, dass jemand aus Leichtgläubigkeit Narrative, die einen konstant umgeben, sei es durch die Medien oder durch die Mitmenschen, wider diesem konstanten Druck mitzulaufen ausklammern würde. Auch für die professionelle Karriere ist Intelligenz kaum förderlich: Viele Leute sehen ja selbst, dass Vorgesetzte und Kader selten die hellsten Leuchten sind. In vielen Arbeitsplätzen wird es wenig geschätzt, Vorgänge zu optimieren und effizienter zu machen, da die anderen Mitarbeiter sehr bald dazu neigen werden, ihren Arbeitsrhythmus und sogar ihre Stelle gefährdet zu sehen, denn die Überlegung liegt nahe, dass die eben nicht besonders hellen Vorgesetzten meinen werden, dass von jedem Mitarbeiter mehr geleistet werden könnte, bzw. das gleiche von weniger Leuten geleistet werden könnte. Tatsächlich ist es für den Aufstieg von grösserer Notwendigkeit, gute Beziehungen zu haben, den Leuten sympathisch zu erscheinen und die richtigen Zeugnisse zu besitzen. Und apropos von Zeugnissen, beim Studieren ist es ja zumeist der Fall, dass grundsätzlich die Erwartung darauf liegt, Inhalte auswendig zu lernen und, allenfalls in leicht abgeänderter Form, wiederzugeben, wie nicht tatsächlich abstraktes, konstruktives denken. Die vermassten Akademikerfabriken, einstmals bekannt als Hochschulen, sind nur noch daran, ihre Studenten an gewisse Schablonen anzupassen, welche leicht messbare Studienresultate liefern, als nicht der aufwendigen Aufgabe nachzugehen, einzuordnen ob der Student wirklich gelernt hat, selbständig und innovativ zu denken.

Die besten Voraussetzungen für ein erfülltes und erfolgreiches Leben hat ohne Zweifel der mittelmässige Intellekt. Er wird nicht die Ansichten anzweifeln, die von der grossen Masse gehegt werden, er passt sich damit gut an die gesellschaftlichen Erwartungen an, die für beruflichen Erfolg notwendig sind, und er erfüllt seine Aufgaben, ohne diese auf ihre Sinnhaftigkeit zu analysieren. Wir haben eine Gesellschaft aufgebaut, die anstatt die Exzellenz zu belohnen diese straft, weil sich das Mittelmass von ihr bedroht fühlt. Bekanntlich ist ja heute «sich unwohl fühlen» Grund genug, dass anderen ein schlechtes Verhalten vorgeworfen wird.

Folglich soll man nur noch mit Enttäuschung sagen, dass man mit hoher Intelligenz gestraft ist, während die Mittelmässigen sich davor hüten müssen, sich in Eigenlob als mittelmässig zu bezeichnen, denn die Mittelmässigen sind jetzt die Herausragenden.