Mit „It’s the economy, stupid“ (dt. „Es ist die Wirtschaft, Idiot”) eroberte Bill Clinton 1992 das Weiße Haus für die Demokraten, nachdem sie von Reagan und dem älteren Bush insgesamt dreimal an der Wahlurne vermöbelt wurden.

Mit diesem Slogan traf die Kampagne einen Nerv, der für viele offensichtlich erscheint. Selbstverständlich sollte es so sein, dass man die Wirtschaft führen muss, um den Menschen ein gerechtes, freies Leben zu ermöglichen. Die Präsidentschaft des Mannes aus Arkansas läutete die aktuell dunkle Ära für das linke Spektrum ein. Zum Vorbild nahm man sich den Saxophon spielenden „Popstar“, der mit persönlichem Charme mehr als nur Journalisten für sich gewann. Ob Tony Blair oder Gerhard Schröder – Anführer eigentlich linksorientierter Parteien setzten das Thema nach oben auf die Speisekarte. Dreißig Jahre später stehen viele sozialdemokratische Strukturen vor dem Ruin: Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Österreich und auch in den USA – statt humanistischer, solidarischer Politik regieren Banker, Manager, Faschisten und Erzkonservative, die ganzen Bevölkerungsgruppen die Rechte aberkennen. Le Pen, Höcke, Salvini, Kurz und Trump erleben Hochkonjunktur.

Wie konnte also ein Wahlsieg der Demokraten in den Zerstrittenen Staaten jenseits des Atlantiks unzählige Niederlagen der Linken beginnen? Der auf die Wirtschaft bezogene Slogan wurde nicht zum Mantra, dass man gerechte Regulierungen und den Sozialstaat einführte, sondern vielmehr bediente man den vorhandenen Durst nach Gerechtigkeit mit minderwertigen und neoliberalen Ergebnissen. Der „Genosse der Bosse“ hier wurde zum Feind der hart arbeitenden Bevölkerung und weitere soziale Bewegungen fischten am rechten Rand nach Wähler*innen.

Während der Ursprung lächerlich ist, empfanden viele „Wer hat uns verraten? Sozialdemokraten“ mal wieder als äußerst passend. Nicht 1918 verriet man das Land, sondern man verkaufte die eigene Identität in der Gegenwart, um auch nur den kleinsten Machtbezug zu behalten. Jedes Mittel war plötzlich recht, jede Koalition denkbar und auf einmal schauen alle betreten zu Boden, wenn die EU in einer Nationalisten-Krise versinkt. Statt aufrechter, selbstbewusster linker Programmatik in Schrift und Wort zu praktizieren, kopieren wir derzeit die populäre Kanzlerin mit einem klaren „Weiter so“, ohne scharfe Abgrenzungen zu ziehen. Statt der eintönigen CDU ihre Unfähigkeit und Korruption tagtäglich wie eine Torte ins Gesicht zu pfeffern, zerstreiten wir uns mit progressiven Parteien, die unser Bündnis stärken würden. Die Schlacht um die Deutungshoheit stellt „the left“ vor einer Zerreißprobe, während bei den Ministern eine Null die nächste jagt – und ich beziehe mich nicht auf die Finanzen.

Die politische Speisekarte
Appetit auf neue Politik.

Das Image meiner Partei ist kaum in Zahlen auszudrücken, aber vor allem traut man der SPD weder Themenkompetenz zu (bei Civey kommt die sozialdemokratische Partei auf gerade einmal 25 %, wenn es um Soziale Gerechtigkeit geht), noch gelingt es junge Wähler*innen zu mobilisieren (7 % in Sachsen-Anhalt), selbst wenn es haufenweise engagierte & junge Kandidat*innen gibt, die ihr Blut für die Sache geben.

Der kurzfristige Erfolg von vor drei Dekaden hat den Linken Kopf und Kragen gekostet, die Menschen vertrauen uns nicht und es bedarf tiefgreifender Reformen, die endlich mal nicht einen Kanzlerkandidaten mit „Sch“ beginnen lassen sollten.

Ich bin es leid, dass wir ununterbrochen als Punching Ball der Konservativen verwendet werden, während wir brav nach mehr betteln und versuchen, uns seriös und ordentlich selbst die Suppe zu versalzen. Mein Lösungsansatz ist einfach:

Die ganze Regie muss abtreten, alte und eingesessene Berufspolitiker*innen braucht keine Partei beim Wandel. Und die Neuen müssen Transparenz schaffen, Machtvolumen aufteilen und ihre Amtszeiten verringern. Wähler*innen wollen ehrliche, authentische Menschen, die glauben, was sie sagen und fordern, was das Land weiterbringt. Es muss Schluss sein mit Anzugträger*innen, Phrasen und zerknirschtem Lächeln, welches jeder Person suggeriert, dass hier was ganz gehörig an die Wand gefahren wird.

Münzen wir den neoliberalen Slogan also um: „It’s the system, fuckers“ und entwerfen ein linkes Utopia, das sich um Menschen, Bedürfnisse und Gerechtigkeit kümmert, ohne darauf zu achten, was der rechte Pöbel für Lügen, Dummheiten und Quark fabriziert.

Dir gefällt, was Florian S. Goesche schreibt?

Dann unterstütze Florian S. Goesche jetzt direkt: