Elektroautos boomen in Deutschland, auch dank starker finanzieller Förderung, die den klimaschützenden Effekt der Fahrzeuge stärken soll. Im Jahr 2020 wurden rund 194200 Autos mit Elektroantrieb zugelassen, dreimal so viel wie im Vorjahr. Allerdings kommt nach einer Umfrage des Instituts Civey im Auftrag des Verbands kommunaler Unternehmen immer noch für fast 40 Prozent aller deutschen Autofahrer der Kauf eines Elektroautos nicht infrage. Hauptgründe sind die Reichweite, der Beschaffungspreis und die nicht ausreichende Zahl an Ladesäulen.
Zwar nimmt die Menge der Steckdosen für Autos zu, weil ihre Einrichtung gefördert wird. Fast 22000 öffentlich zugängliche Ladepunkte soll es mittlerweile in Deutschland geben. Etwa zwei Drittel verfügen über eine beschleunigte Ladegeschwindigkeit. Dennoch fragen sich Ingenieure und Wissenschaftler: Kann nicht die Straße selber künftig das Auto mit Energie versorgen?
Wie funktioniert Stromübertragung durch Induktion?
Grundlage solcher Überlegungen ist das Prinzip der elektromagnetischen Induktionstechnik. Das ist keine neue Erfindung: Der Brite Michael Faraday entdeckte 1831, dass jede Stromleitung ein Magnetfeld erzeugt. Und fast jeder von uns hat schon mal im Physikunterricht das Experiment nachgebaut. Dabei muss man in diesem Feld weitere Leitungen oder ein Spule nur richtig platzieren, dann fließt auch in ihr Strom – Energie wird so durch die Luft übertragen, ohne Kabel und Steckdose. Bei Mobiltelefonen, Elektrorasierern und sogar Batterien von Herzschrittmachern ist diese Ladetechnik heute üblich, weshalb nicht auch beim E-Auto?
So hat zum Beispiel das Fraunhofer-Institut für Integrierte Systeme und Bauelementetechnologie in München ein induktives Ladesystem für Batterie-Elektrofahrzeuge entwickelt, das einen autonomen Ladevorgang ermöglicht, mit einem Systemwirkungsgrad von 94 Prozent. Während diese Technik also ein stehendes Fahrzeug verlustarm auflädt, sehen andere Überlegungen die kontinuierliche Energieübertragung zwischen Fahrzeug und Fahrbahn während des Fahrens vor. Elektrofahrzeuge mit quasi unbegrenzter Reichweite, moderater Batteriegröße und geringem Batteriegewicht würden so möglich.
Lassen sich Elektroautos während der Fahrt aufladen?
An der RWTH Aachen wollen deshalb jetzt Experten im Projekt „InductInfra – Induktive dynamische Energieversorgung von Fahrzeugen über die Straßenverkehrsinfrastruktur“ Konzepte und Werkstoffsysteme für die Energieübertragung zwischen Fahrzeug und Straße entwickeln. In die Straße eingelassene Induktionsmodule erzeugen demnach die Energie für die Autos. Ziel ist es, dass Autos während des Fahrens die zum Betrieb oder zur Schnellladung erforderliche Energie aus einem Induktionsfeld beziehen.
Forscher des Fraunhofer-Instituts für Fertigungstechnik und angewandte Materialforschung in Bremen haben das Aufladen eines E-Autos während der Fahrt schon 2015 erfolgreich demonstriert. Im Straßenasphalt waren dazu auf einer 25 Meter langen Fahrbahn spezielle Spulen eingelassen. Fuhr das E-Auto darüber, bildete sich für wenige Millisekunden ein Magnetfeld. Dieses sorgte dafür, dass über eine weitere Spule an der Unterseite des Autos berührungslos Strom angenommen wird.
Die Bremer Tüftler gestanden aber auch ein, dass es teuer würde, wenn alle deutschen Straßen eine Spule bekämen. In dem RWTH-Projekt InductInfra will man deshalb auch die Integration in die Infrastruktur erforschen. Ein nicht unwichtiges Detail, denn in Deutschland hat allein schon das überörtliche Straßennetz eine Gesamtlänge von rund 230000 Kilometern. Interessant: Das israelische Unternehmen ElectRoad, heute ElectReon, hat vor ein paar Jahren eine induktive Technologie für den Massenmarkt entwickelt. Die Umrüstungszeit von einem Kilometer Straße soll angeblich nur einen Tag dauern. Kupferleitungen werden dabei wenige Zentimeter unter den Asphalt gelegt.
Neue Ladestrategie: Statt nachts an der Dose induktiv vor der Ampel
Könnte nicht eine geänderte Ladestrategie helfen? Denn während heute E-Auto fahren bedeutet, eine große Batterie meist zu Hause über Nacht für möglichst hohe Reichweite aufzuladen, überlegt man sich für die Zukunft eine andere Strategie: Regelmäßiges induktives Laden kleiner Batterien an Punkten, wo das Auto zum Stehen kommt – etwa an der Ampel oder auf dem Parkplatz während des Einkaufs.
Im Kleinen will das jetzt die INTIS Integrated Infrastructure Solutions GmbH in Hamburg vormachen. Das Unternehmen hat die induktive Ladetechnik des vor Jahren tragisch gescheiterten Magnetbahnfahrzeugs Transrapid für unterschiedlichste Fahrzeuggattungen weiterentwickelt. INTIS-Geschäftsführer Ralf Effenberger erwartet nicht, dass Autobahnen in den kommenden Jahren mit Induktionstechnik ausgestattet werden. Wasserstoffbasierte Fahrzeuge seien hier besser geeignet. Er ist überzeugt, dass zum Beispiel Taxis auf der Taxispur an Flughäfen oder Hauptbahnhöfen während des Rollens und Haltens Strom induktiv nachladen können. Sein nächstes Projekt setzt er mit E-Bikes, E-Lastenrädern und E-Tretrollern um. Für sie bietet INTIS kleine induktive Ladeplattformen, die das nächtliche Einsammeln und Aufladen der Zweiräder erübrigen könnten.
Foto: Mabel Amber auf Pixabay
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