Am letzten Wochenende gab es in Berlin einen Volksentscheid, der zum Thema hatte, ob die Stadt schon bis 2030 statt wie bisher geplant erst bis 2045 klimaneutral werden soll (s. hier). Das Ergebnis war dann eine wahrlich herbe Enttäuschung.

Zwar war die knappe Mehrheit der abgegebenen Stimmen (423.000 zu 405.000 Stimmen) dafür, allerdings wurde das erforderliche Quorum von 608.000 Ja-Stimmen, was 25 % aller Wahlberechtigten entspricht, dann doch deutlich verfehlt.

Das ist insofern ein fatales Signal, dass nicht nur etwa die Hälfte der Menschen, wenn man die abgegebenen Stimmen mal als repräsentativ ansieht, keinen stärkeren Klimaschutz möchte, sondern dass zudem weit mehr als die Hälfte der Wahlberechtigten es nicht mal für notwendig hielten, ihren Hintern vom Sofa hochzubekommen, um an so einer Abstimmung teilzunehmen.

Insofern steht das immer wieder vorgebrachte Pro-Klimaschutz-Argument, dass ein Großteil der Bevölkerung mehr Klimaschutz haben möchte, nun auf sehr tönernen Füßen. Denn offensichtlich will die Mehrheit das nicht – oder vielmehr: ist es der Mehrheit schlichtweg egal. Hauptsache, man kann schön weiter SUV fahren, durch die Gegend fliegen, Kreuzfahrten machen, viel und billig Fleisch essen, sich jedes Jahr ein neues Smartphone kaufen und muss auch sonst keinerlei Abstriche in seinem Konsumverhalten machen, auch wenn das in anderen planetaren Regionen schon jetzt für reichlich Not, Elend und Verwüstungen sorgt. Und bei uns eben auch in absehbarer Zeit sorgen wird.

Sozusagen der desinteressierte Konsumdepp, dem existenzielle politische und gesellschaftlich Fragen komplett wurscht sind, als Gegenentwurf zum mündigen Bürger, den eine Demokratie ja eigentlich benötigt, um zu funktionieren.

Das zeigt dann aber auch, dass der gern vorgebrachte Vorwurf, dass ja Politik und Wirtschaft vor allem in der Schuld stehen (s. dazu hier), Klimaschutz voranzubringen, nicht so richtig zieht. Klar, die richtig dicken Bretter können nur auf politischer Ebene gebohrt werden, aber offensichtlich ist ja die Mehrheit der Bevölkerung nicht mal ansatzweise dazu bereit, sich auch nur mit dem Thema Klimaschutz zu beschäftigen. Denn wenn dann mal die Möglichkeit der direkten Einflussnahme besteht, wird sie von einem Großteil der Menschen einfach links liegen gelassen.

Warum sollen nun also Politik und Wirtschaft irgendwas ändern am Weiter-so-Kurs, der uns direkt ungebremst in die Klimakatastrophe führt? Moralisches und verantwortungsvolles Handeln darf man da nicht erwarten, es geht doch letztlich immer nur um Profit, der in psychopathisch anmutendem Starrsinn über alles andere gestellt wird. Wenn das weder an den Wahlurnen noch in From von Volksentscheiden irgendwelche Konsequenzen hat und man sich dann auch noch sagen kann, dass man ja im Sinne der Mehrheit der Bürger handelt, wird da eben auch nichts passieren.

Der Einzelne ist also in der großen Mehrheit nicht mal bereit, sein kleines Quantum an Verantwortung zu tragen, um unseren Planten als lebenswerte Biosphäre zu erhalten. Aber dafür kann man dann schön wieder auf „die da oben“ und „die Politik“ schimpfen – klar, das ist ja auch viel bequemer, als zumindest mal zu einem Volksentscheid zu gehen, geschweige denn persönlich etwas an seiner Konsumgeilheit zu ändern und vielleicht sogar mal – welch schreckliches Wort für solche Menschen – zu verzichten!

Und das zeitigt dann auch gleich die entsprechenden Resultate, wie man gerade am aktuellen Koalitionsausschuss zum Thema Klimaschutz beobachten konnte (s. dazu hier, hier, hier). Da wird das ohnehin schon vom Verfassungsgericht als deutlich zu seicht beurteilte Klimaschutzgesetz noch weiter demontiert, damit die FDP weiter Autobahnen bauen kann und die Klimaziele in ihren Ressorts nicht einhalten muss. Ich mag es nicht mehr hören, dass nun zum einen die FDP mal wieder die Richtung mit ihrer destruktiven und asozialen Politik vorgibt, aber auch dass die Grünen und die SPD dem mal wieder nichts entgegenzusetzen haben. Weil sie’s nicht können? Ich tippe mal eher, weil sie es als Neoliberale auch gar nicht wollen.

Natürlich gibt es Kritik hieran, vor allem von in den Bereichen Umwelt- und Klimaschutz aktiven NGOs (s. beispielsweise hier). Auf der anderen Seite wird das dann auch gleich schon von Presseberichten flankiert, die genau das Thema aufgreifen: Klimaschutz ist den Menschen eben nicht wichtig.

So titelt Spiegel Online beispielsweise: „Hälfte der Deutschen findet Klimaschutzpolitik eher unwichtig“. Das ist natürlich insofern eine manipulative Überschrift, als dass in einer vom Spiegel selbst beauftragten Umfrage der Klimaschutz im Vergleich mit anderen Politikressorts eingeordnet werden sollte. Und wenn dann mitten in einer Wirtschaftskrise, die bei vielen Menschen zu existenziellen Problemen führt, hier als Beispiele Wirtschaftspolitik und Sozialpolitik genannt werden, dann finde ich es nicht verwunderlich, dass ein entsprechendes Ergebnis dabei rauskommt.

Aber auch das liefert natürlich der Regierung Argumente, um den Klimaschutz weiter zurückzuschrauben. Dass die Ampel unter Olaf Scholz (SPD) als vollmundig selbst ernanntem „Klimakanzler“ vor anderthalb Jahren angetreten ist, scheint dabei so richtig keinen mehr von denen zu interessieren. Na ja, war ja so leider auch schon absehbar (s. dazu meine Artikel vom Oktober 2021 und Juni 2022), denn Neoliberalismus und Klimaschutz funktionieren eben nicht zusammen.

Tragisch, dass laut oben verlinktem Spiegel Online-Artikel 92 % der Grünen-Anhänger ausgesagt haben, dass Klimapolitik für sie eine hohe Relevanz hat. Ob diese Menschen wirklich irgendwann mal in der Realität ankommen? Oder sind die gerade mit Kriegseuphorie hinreichend abgespeist, sodass denen gar nicht auffällt, dass die Grünen mal wieder keine Klimaschutzpolitik betreiben?

Ganz so nebenbei stellt sich dann auch noch heraus, dass Volksentscheide, die ja immer wieder als probates Mittel für eine andere Möglichkeit der politischen Entscheidungsfindung angeführt werden, leider in unserer neoliberal indoktrinierten – oder besser gesagt: verblödeten – Gesellschaft nicht funktionieren. Ich will nun mit Sicherheit nicht dem Privatfernsehen die alleinige Verantwortung dafür zuschustern, aber in jedem Fall wird nun deutlich, warum dessen Einführung unter dem Kanzler der neoliberalen Wende Helmut Kohl so eine hohe Priorität genossen hat.

Keine guten Aussichten – aber es war eben auch keine Idee, in einer zunehmend komplexeren Welt mit enormen globalen Problemen und Krisen die Menschen zunehmend zu verblöden. Und so werden nicht mal nur die Bösartigen schuld sein an den Katastrophen, die da nun immer schneller und zahlreicher auf uns zukommen werden, sondern auch die Ignoranten.

Zumindest kann keiner sagen, er hätte es nicht gewusst …

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