Die Frage, ob Märkte funktionieren, lässt sich ganz einfach beantworten. Ja, tun sie. Immer. Sehr zuverlässig sogar.

Meist aber wird die Frage falsch bzw. die falsche Frage gestellt. Die eigentlich dahinter stehende Frage ist, ob Märkte in dem Sinne funktionieren, der ihnen oft zugeschrieben wird: Die allgemeine  Wohlfahrt besser zu befördern als jedes andere System nämlich. Diese  Frage muss man mit einem klaren Nein beantworten.

Märkte tun exakt eines: Sie sortieren diejenigen, die an ihnen teilnehmen, ob freiwillig oder nicht, in Gewinner und Verlierer. Alles weitere sind entweder Nebeneffekte oder Propaganda.

Und das mit den Gewinnern  und Verlierern tun sie sehr gut. Wenn es Verlierer gibt, dann also nicht, weil die Märkte versagen oder so was, sondern weil das exakt das ist, was sie tun. Das Problem sind nicht die Märkte, sondern dass ihnen  seit Jahrzehnten Eigenschaften zugesprochen werden, die sie gar nicht  haben. Sich darüber zu beklagen, dass ungeregelte Märkte Verlierer hervorbringen, unfair oder unsozial sind, ist daher in etwa so, als würde man einem Wolf vorwerfen, ein armes unschuldiges weißes Lämmlein gerissen zu haben. Was Märkte definitiv nicht können: Möglichst viele Menschen  einigermaßen gleichmäßig an dem beteiligen, was die Volkswirtschaft so hervorbringt.

(Das wusste man in der Gründungsphase der Republik  natürlich. Daher hielt man zentrale Bereiche der Daseinsvor- und  -fürsorge auch von den Märkten fern und betrieb sie teils oder gleich komplett staatlich. Bahn, Post, Telefon, Energie, Wärme, Sozialwohnungen etc. Ein Glück, dass wir heute schlauer sind als die Erzkommunisten von  damals.)

Ja aberaberaber man muss sich doch bloß mal unsere Supermärkte ansehen! Ein derart breites Warenangebot zu größtenteils erschwinglichen Preisen hat es noch nie gegeben. Das ist doch der Beweis, dass Märkte funktionieren. Da profitieren doch quasi alle von. Das erstere stimmt im Wesentlichen, das letztere nicht. Die Verlierer dieses Marktes sind nicht immer auf den ersten Blick sichtbar. Das sind vor allem die, die dafür sorgen, dass das Warenangebot vorhanden ist. Meist osteuropäische Erntehelfer auf unseren Feldern, von Sub-Sub-Subunternehmern ausgebeutete Arbeiter in der Fleischindustrie, afrikanische Hilfsarbeiter auf den span0ischen  Gemüseplantagen, Bauern, die ihre Höfe aufgeben müssen, weil sie dem Preisdruck der Handelsketten nicht mehr standhalten. Marktverlierer sind aber auch unmotorisierte Menschen im ländlichen Raum, wo der Dorfladen dicht ist und der nächste Supermarkt 20 Kilometer entfernt.

Und weil der Mensch nicht nur essen muss, sondern auch ein Dach über dem Kopf braucht, funktioniert auch der Wohnungsmarkt ganz hervorragend. Will heißen: Wer über das nötige Kleingeld verfügt, hat eine nie zuvor dagewesene Auswahl an Domizilen mit allem Komfort und zurück. Vom Penthouse-Loft in Citylage mit Tiefgarage und eigenem Aufzug über die topsanierte Altbauwohnung mit Stuckdecken bis zur Villa im Grünen - alles da. Wer die nötigen Penunzen nicht hat? Tja, der muss, so er nicht auf einem bezahlbaren, sicheren Altvertrag sitzt, hoffen, irgendwo was Bezahlbares zu finden und notfalls zum Amt. Das ist, wie  gesagt, kein Marktversagen, sondern schlicht: Markt. Und für die, die nichts Bezahlbares finden und zum Amt müssen, haben wir schließlich immer noch eine - Buff-ta-ta, Tusch! - Soziale Marktwirtschaft(TM).

Da wären wir dann beim nächsten Missverständnis. Das 'sozial' in 'Soziale Marktwirtschaft(TM)' steht nämlich nicht für sozial im Sinne von irgendwie nett oder human, sondern für sozial im Sinne von 'sozialisieren'. Und zwar die Schäden, die die Märkte anrichten. Die bürgerlich-ordoliberalen Ökonomen, die sich das nach dem Krieg ausgekaspert haben, hatten noch die Weimarer Jahre miterlebt und wussten aus eigenem Ansehen, wie wenig förderlich fortwährende soziale Unruhen sind für den Gang der Geschäfte. Und natürlich wussten sie als Ökonomen auch, was sogar ich weiß: Dass Märkte Gewinner und Verlierer hervorbringen. Wäre es da nicht eine grandiose, die Kosten für alles, was nicht so dolle ist an der Marktwirtschaft, der Allgemeinheit  aufzubürden? Und dem ganzen dann einen Namen zu geben, der dem 'Kleinen Mann' suggeriert, es ginge um ihn? Bingo!

"Die Grünen sind die FDP für Leute, die für Dosenpfand sind." (Volker Pispers, 2002)

Und weil Märkte so irresuperduper funktionieren, plädieren Grüne und FDP nunmehr dafür, die Deutsche Bahn AG komplett zu zerschlagen und den gesamten Bahnverkehr zu privatisieren. Menschen, die in  Gegenden leben, in denen die Bahnverbindungen schon jetzt ein schlechter  Witz sind, werden es beglückt zur Kenntnis nehmen und sogleich ihre Autos gegen subventionierte Lastenfahrräder eintauschen. So geht Klimaschutz. Haaallo! Die Neunziger haben angerufen, sie hätten gern ihre Patentrezepte zurück.

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