Mein Rat an Streeck und andere.

Ich habe gerade Herrn Professor Hendrick Streeck gesehen, wie er erklärte, dass in der Vergangenheit er keineswegs häufig Mist geredet habe, sondern „komplett überfordert“ und „total naiv“ gewesen sei angesichts der Flut von Media Interesse an seinen Pandemie-Prognosen. Der Grund ist, so Streeck, dass er zu Begin des enormen Presserummels keine Media-Beratung gehabt hatte. Er fühlt sich daher heute missverstanden. ER ist das Opfer, und nicht diejenigen, die aufgrund seiner Fehleinschätzungen leiden oder vielleicht sogar sterben mussten.

Als ich mich dann von meinem Lachanfall erholt hatte, erinnerte ich mich an meine Zeit im Rampenlicht der Journalisten. Damals hatte mich meine Uni gebeten, mich einer Media-Beratung zu unterziehen.

Und was habe ich da gelernt?

So gut wie Garnichts!

Wissenschaftler meinen oft, dass Journalisten nur mit aller größter Vorsicht zu genießen sind. Ich habe dagegen immer vermutet, dass das wohl nicht ganz stimmt, und dass der ‚gesunde Menschenverstand‘ da meist schon weiter hilft.

Hier also meine Ratschläge bezüglich des Umgangs mit Journalisten, die auf wenig mehr beruhen als auf dem ‚gesunden Menschenverstand‘ (und etwa 30 Jahre Erfahrung):

  • Das Wichtigste vorweg: Ein Interview ist kein Ego-Trip! Es kommt also nicht darauf an, dass der Wissenschaftler dabei gut weg kommt – was zählt, ist eine klare und verständliche Mitteilung an das Publikum.
  • Um dies zu bewerkstelligen, sollte der Experte gut informiert sein. Das kann erfordern, dass man sich ausreichend vorbereitet.
  • Falls Fragen kommen, bei denen die eigene Kompetenz an seine Grenzen stößt, sollte man das eindeutig kund tun. Niemand ist allwissend, und Experten, die ihre eigenen Grenzen nicht kennen, sind wohl eher Pseudo-Experten.
  • Als Wissenschaftler sieht man oft zwei Seiten einer Medaille und sagt dann gerne so etwas wie „einerseits … aber andererseits…“ Damit kann das Publikum meist wenig anfangen. Besser ist es, falls möglich, zu erklären, dass die Meinungen hier noch auseinander gehen, dass der Konsensus jedoch meint, dass… etc., etc.
  • Und falls derzeit noch kein Konsensus existiert, dann sollte das auch eindeutig festgestellt werden.
  • Es ist keine Schande, zu bekennen, dass selbst Experten viele Dinge (noch) nicht wissen können. Das zu bekennen, ist unendlich viel besser als den Allwissenden zu spielen.
  • Bei alle dem sollte man stets bedenken, zu wem man spricht. Wenn ein Wissenschaftler ein Interview für die Zeitschrift ‚Nature‘ gibt, muss er sich anders ausdrücken, als wenn es für die Bild-Zeitung ist.
  • Gute Journalisten haben die Fähigkeit, einen zum ‚Plappern‘ zu verführen. Da sagt man dann schnell mal etwas, das nicht geplant war. Dieser Versuchung sollte man widerstehen.
  • Wenn es einfach mal zu viel wird und wenn hunderte von Journalisten ein Interview wollen, dann muss man auch Prioritäten setzen können. ‚Hans Dampf in allen Gassen‘ ist da sicher keine ideale Lösung. „In der Beschränkung zeigt sich erst der Meister“ meinte bereits Goethe.
  • In solchen Fällen wär natürlich auch zu erwägen, eine Pressekonferenz zu halten. Das erscheint mir besser, als 50 Einzelinterviews zu geben, wo dann immer die Möglichkeit besteht, dass man sich in Widersprüche verwickeln lässt.
  • Und zum Schluss noch etwas, das mir insbesondere bei Hendrick Streeck aufgefallen ist: Es ist der Glaubwürdigkeit eines Experten abtrünnig, sich ‚überbelichten‘ zu lassen. Wenn der Wissenschaftler nahezu täglich erscheint, dann fragt sich mein viel-strapazierter ‚gesunde Menschenverstand‘: Wann macht dieser Wissenschaftler eigentlich Wissenschaft?“

So, und jetzt können Sie sich Ihre ‚Media-Beratung‘ sparen und das Geld stattdessen auf mein Konto überweisen. Ich danke im Voraus.

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