Im Frühjahr 2019 erschienen die Lebenserinnerungen des Donauschwaben Anton Teppert mit dem Titel 'Geflohen, Ausgewandert, Heimgekehrt – Mein Leben in Jugoslawien, Brasilien und Deutschland'.
Der Titel ist bereits eine präzise Zusammenfassung der wichtigsten Stationen im bewegten Leben des Flüchtlings, Auswanderers und Heimkehrers. Doch der Titel lässt ein paar weitere Stationen aus, die im Buch wunderbar beschrieben werden.
Anton Teppert war der Vater des ehemaligen Kulturreferenten der donauschwäbischen Landsmannschaft Stefan Teppert. Es ist seinem Sohn Stefan zu verdanken, dass dieses Buch, die Autobiographie seines Vaters, mehr als eine Nacherzählung der Lebensereignisse geworden ist. Vielmehr ist es Stefan Teppert zu verdanken, neben den Erinnerungen ebenso historische Zuordnungen sowie sachliche Orientierungen für Einsteiger ins „Thema Donauschwaben“ eingefügt zu haben. So wird die komplizierte Geschichte der vielen unterschiedlichen Donauschwaben auf 134 Seiten kompakt und verständlich erzählt. Bisweilen spannend, manchmal lustig und immer unterhaltsam. Ein Kompliment ist angebracht: Dieses Buch legt niemand zur Seite, bis er oder sie es bis zum Schluss gelesen hat. Eine Empfehlung für die heutige Generation der Urenkel oder wie es auf Facebook heißt, der Donauschwaben-Kindeskinder.
Es sind die Nachgeborenen der Erlebensgeneration, die heute in die Heimat der Urgroßeltern reisen, teils Gedenktafeln aufstellen und in ihren jungen Jahren unverhofft auf eine Ansammlung von Fragen stoßen, die ihnen nur selten in der eigenen Familie umfassend beantwortet werden kann. Denn die Urgroßeltern haben sie nicht erlebt, die Großeltern waren oft schweigsam und erzählten meist nur von befremdlich wirkenden Ereignissen – den selbst als Kind erlebten Grausamkeiten. Hier zuzuhören und tatsächlich etwas über die eigenen Wurzeln zu erfahren, was über das Trauma „der Alten“ hinausgeht, ist mühsam.
Mit 'Geflohen, Ausgewandert, Heimgekehrt – Mein Leben in Jugoslawien, Brasilien und Deutschland' gelang Anton Teppert und seinem Sohn durchaus ein beeindruckendes, berührendes, fundiertes und informatives Standardwerk für Einsteiger ins Thema 'Donauschwaben'.
Wer darüber hinaus noch nie von Donauschwaben in Übersee gehört hat, begegnet hier einer detaillierten Beschreibung der Geschichte von Entre Rios. Stefan Teppert liefert dazu den politisch-historischen Rahmen. Dies kurzweilig und auf hohem sprachlich-literarischen Niveau. Vor diesem Hintergrund ist es bedauerlich, dass dieses Buch bislang lediglich im Eigenverlag erschienen ist. Der Tod Anton Tepperts 2017 liegt leider vor dem Erscheinen seines Buches, das er lange nicht schreiben wollte. Seinem Sohn Stefan ist es dennoch gelungen, ihn zu überzeugen, die eigenen Erinnerungen niederzuschreiben. Der Dank Anton Tepperts in seinem Vorwort an seinen Sohn ist in diesem Zusammenhang natürlich berührend.
Als Sohn eines Vaters, der selbst viele spannende und aufregende Geschichten erzählte, diese aber nie aufschrieb oder diktierte, freue ich mich besonders über die Bereitschaft, das Durchhaltevermögen, die sprachlichen Fähigkeiten und den wohl einzigartigen donauschwäbischen Biss der beiden Tepperts, die Arbeit an diesem Buch beendet zu haben.
Anton Teppert wurde als Spross eines Hanfindustriellen geboren und wäre sicherlich als Erbe in die Fußstapfen seines Vaters und seines Großvaters getreten, hätten sich weder Hitler noch Tito und Stalin mit ihren Schergen dagegen gestellt. Wobei die Hanfindustrie auch dank der Einführung von Perlon und Nylon Mitte der 1950er Jahre zusammenbrach. Kunststoffe belasten heute die Weltmeere, von Hanffasern ist dies unbekannt.
Anton Teppert bedauert in seinen Lebenserinnerungen den eigenen Vater, den stolzen Kaufmann Martin Teppert mit Verbindungen aus der Batschka bis nach Straßburg, München und Hamburg, der nach dem Krieg zu stolz war, in der neugegründeten Bundesrepublik Deutschland – dem Rechtsnachfolger des Dritten Reichs – um 'Almosen zu bitten'. Die zwangsverordnete Mutation vom fleißigen Donauschwaben zum 'Heimatvertriebenen' fiel allen Deutschen aus Jugoslawien schwer. Mit der Besonderheit, dass aus der Batschka mehr Donauschwaben fliehen konnten als aus dem Banat. Gemeinsam ist beiden dennoch die 'Einlagerung' wie der selbst ernannte Humanist Josip Broz 'Tito' die Vernichtung in Lagern mittels Krankheiten, winterlicher Kälte und verordnetem Hunger beschönigend nannte.
Für Anton Teppert war das Lager Gakowa vorgesehen. Dort wurde er zur Zwangsarbeit angehalten: Er musste in die Grube des Massengrabes steigen und dort die heruntergeworfenen ausgemergelten Körper der Toten platzsparend nebeneinander legen und in Reihen übereinander stapeln. (Anmerkung des Verfassers dieser Zeilen: Auch meine Oma war zu dieser Tätigkeit im Lager Rudolfsgnad gezwungen und musste dort im Winter zu Beginn des Frühjahrshochwassers den aus dem Erdboden wieder nach oben gedrückten und nicht verwesten Leichnamen Arme, Beine und Köpfe abschlagen. Die Partisanen gruselten sich vor dem Anblick der wiederkehrenden Toten).
Anton Teppert hatte für sich, im Gegensatz und im Widerspruch zu den Partisanen, sein eigenes Überleben vorgesehen und suchte umgehend nach einem Fluchtweg. Mit zwei Gleichaltrigen vereinbarte er die nächtliche Flucht und verlor beide bald aus den Augen. Der Fluchtweg führte Anton Teppert über die Grenze nach Ungarn ins Dorf Kunbaja im Bezirk Bács-Kiskun. Begleitet von bedrohlichen Gerüchten und dadurch ausgelösten Ängsten bei seinen Quartiergebern auf beiden Seiten der Grenze, wurden Legenden vereinbart und familiäre Bande vorgetäuscht. Einem Gerücht zufolge würden Flüchtlinge aus Ungarn an die jugoslawischen Partisanen ausgeliefert. So ging es auf direktem Weg zurück ins Vernichtungslager. Zudem wartete in diesen Fällen nicht nur der Hunger, die Kälte und Krankheiten auf die Flüchtlinge, sondern auch harte Körperstrafen, Folter und Erschießungen.
Für Anton Teppert war klar, dass er frühestens in Österreich sicher wäre, wobei auf dem Weg Richtung Grenze erneut Gerüchte aufkamen. Mit dem Unterschied, dass nun die Alliierten Flüchtlinge nach Jugoslawien 'zurück' brächten und sich so zu Komplizen der sich humanistisch nennenden titoistischen Mörder machten.
Anton Tepperts Flucht endete in Bayern. Nach und nach trafen dort seine Angehörigen ein. Er begann seine Lehre als Elektriker in München. Er konnte dort aufgrund des durch die Familienzusammenführung entstandenen Zeitdrucks nur die praktische Prüfung erfolgreich ablegen. In São Paulo beendete er dann 1953 endlich mit der theoretischen Prüfung seine Lehre und wurde direkt als Elektriker tätig.
Von Michael Moor, einem alten donauschwäbischen Bekannten, hatte Teppert senior von einem Siedlungsprojekt in Brasilien erfahren. Für Donauschwaben, die gerne unter sich bleiben und weiterhin Ackerbau betreiben wollten wurde in Entre Rios, also im brasilianischen Bundesstaat Paraná zwischen den Flüssen Rio Jordão und Pinhão ein Siedlungsgebiet erworben.
Der Aufbau dort wurde von der Hilfsorganisation 'Schweizer Europahilfe' initiiert und vorfinanziert. Freunde und Familien durften sich einen ihrer Nachbarn in fünf Dörfern aussuchen. So war gewährleistet, dass freundschaftliche Bande und Familien beieinander leben konnten.
Die Beschreibung von Freundschaften mit Einheimischen aus der Umgebung sowie von Problemen mit ihnen gehören sicherlich zu jeder Siedlergeschichte in einem fernen Land das vielleicht erst in Zukunft zu einer neuen Heimat werden kann.
Zurecht beschreibt Sohn Teppert in den Erinnerungen des Vaters auch erste Misserfolge in der Landwirtschaft, die dem ersten Kolonieleiter des Siedlungsprojektes Entre Rios Michael Moor Widerstand und den Rücktritt am 25. Oktober 1954 einbrachte.
Eins ist Anton Teppert in Entre Rios in Brasilien allerdings gelungen: Er fand seine Liebe, Maria, die zur Ehefrau und Mutter seiner Kinder wurde. Das Hochzeitsfoto zeigt Anton und Maria Teppert in Wildwestpose zu zweit auf einem Rappen mit einer Flinte in seiner Hand. Dieses spektakuläre Hochzeitsfoto findet sich auf dem Einband des Buches.
So gewährt Anton Teppert einen wirklich sehr besonderen Einblick in ein Leben voller Energie, Esprit, Bewusstsein, beständiger Liebe trotz Heimatverlust. Seine Generation konnte sich nicht mit Unzulänglichkeiten zufrieden geben. So suchten neben Anton Teppert noch viele andere Donauschwaben den erneuten Aufbruch – nun von Brasilien nach Deutschland. Diesmal wollten die Tepperts mit Sohn Stefan ein letztes Mal siedeln.
Baden-Württemberg als Motor des Wirtschaftswunders prosperierte, die Unternehmen suchten fleißige Mitarbeiter. Für Elektriker gab es genug zu tun. Die anpackenden, gut ausgebildeten Donauschwaben galten als noch fleißigere Schwaben als die Einheimischen. Anton Teppert kehrte als Nachkomme seiner ausgewanderten Ahnen in die unmittelbare Nachbarschaft der uralten Heimat des mütterlichen Zweigs seiner Familie zurück. Selbst das Haus des einstigen Auswanderers steht heute noch, allerdings reichlich baufällig aber bewohnt.
Der Zusammenhalt der so genannten Erlebensgeneration war lebendig und stark, wurde aber nur an einen Teil der Nachkommen vererbt.
Anton Teppert war seinem Sohn Stefan offenkundig sehr dankbar, dass er ihn zur Arbeit an seinen Lebenserinnerungen überredet hatte. Die Trauer um Anton Teppert führt im Buch am Ende zu dessen Traueranzeige. Anton Teppert blickte im Moment des Übergangs sicherlich auf ein wahrhaft reichlich erfülltes Menschenleben zurück, das er als attraktive Beschreibung im Diesseits zur anregenden Lektüre zurückließ.
Lesen wir es.
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