Erinnert Ihr Euch noch an die sogenannten Tauzeugen-Affäre rund um Staatssekretär Patrick Graichen aus dem Wirtschaftsministerium? Da war was los – ganz Deutschland regte sich (durchaus zu Recht) darüber auf, und die Medien waren voll mit Berichten zu dem Thema.
Und natürlich hat die da ans Licht gekommene Kungelei auch den Ruf von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) beschädigt, der zunächst mal noch an Graichen festhalten wollte und ihn dann doch entlassen musste (s. hier).
Wenn Ihr hier öfter Artikel von mir lest, dann wisst Ihr ja, dass ich für Korruption, Ämterpatronage, Pöstchengeschacher und Vorteilsnahme von politischen Mandatsträgern nicht gerade viel übrig habe. Insofern finde ich es schon wichtig, wenn solche Vorfälle wie der mit Graichen auch öffentlich thematisiert werden. Und da gab es gerade jetzt noch so einen Vorfall „wie der mit Graichen“ – über den leider so gut wie gar nichts und schon erst recht nicht so prominent in den Medien zu finden war.
Oder habt Ihr in den letzten Wochen etwas über Klaus Bonhoff gelesen oder gehört? Der hat nämlich seine Position als Abteilungsleiter im Bundesverkehrsministerium sowohl unter Andreas Scheuer (CSU) als auch unter Volker Wissing (FDP) genutzt, um Freunden Fördergelder in Millionenhöhe zuzuschanzen – und das für Wasserstofftechnologie, die von den meisten Fachleuten als überhaupt nicht relevant und untauglich für den Verkehrssektor klassifiziert wird (s. hier). Nachdem das Netzwerk und die Machenschaften von Bonhoff bekannt wurden, hielt Bundesverkehrsminister Volker Wissing jedoch erst mal weiter an seinem Abteilungsleiter fest – und lenkte erst ein, als dann doch die eine oder andere kritische Stimme zu dem Fall zu vernehmen war.
Da finden sich also zahlreiche Parallelen zum Fall Graichen – allerdings ist es bezeichnend, wie unterschiedlich das Medienecho bei beiden Affären ist.
Bei Graichen wurde aus der Nummer nämlich ein großer Skandal, die Opposition (und auch die FDP als Quasi-Opposition in der Regierung) bekam reichlich Platz in den Medien, um sich dazu zu äußern und das zögerliche Vorgehen Habecks zu kritisieren, und wochenlang was das Ganze ein Topthema in den Schlagzeilen. Vom rechten Rand war sogar immer wieder Geblöke zu hören, dass Habeck nun deswegen zurücktreten müsse.
Ganz anders nun bei Bonhoff. Obwohl beide Geschehnisse reichlich Parallelen aufweisen, unterscheidet sich die Berichterstattung doch erheblich.
Dass die BILD natürlich bei einem grünen Minister anders draufhaut als bei einem FDPler, sollte einen nicht wundern, aber selbst wenn wir Springers Hetzorgan rausnehmen, so wird da doch reichlich mit zweierlei Maß gemessen in der deutschen Presselandschaft.
Und das passt leider mal wieder zu dem Bild, was die hiesigen Medien seit einiger Zeit abgeben: Gemeinsam mit der Politik rutscht man immer weiter nach rechts. Darüber habe ich ja schon vor ein paar Monaten einen Artikel geschrieben, und auch dass die Grünen irgendwie seit einiger Zeit ständig der Hauptfeind zu sein scheinen, auf den man hemmungslos eindrischt (s. hier), passt da ins Bild.
Anders ist es ja nicht zu erklären, dass bei Graichen komplett medial auf dem Teller gedreht und bei Bonhoff überwiegend geschwiegen wird, oder? Und auch ohne Habeck und seine Arbeit sonderlich zu mögen, kann man ihm doch mit Sicherheit kein ein schlechteres Zeugnis als Bundesminister ausstellen als der Vollblinze Wissing, sodass auch der mögliche Grund einer weiteren von vielen Verfehlungen, über die dann prominenter berichtet werden muss, nicht infrage kommt.
Gerade Konservative und Rechte (wobei die Schnittmenge da ja auch immer größer wird) quaken gern, dass „die Medien“ ja generell so linksgrün (gern auch mit dem Zusatz „versifft“) wären. Wie man nun an diesem Fall hier mal wieder deutlich sieht, ist das nicht so – ganz im Gegenteil. Die meisten Medien sind mittlerweile Stichwortgeber für die AfD, berichten immer wieder im großen Stil über alles Mögliche, was vor allem die Blaubraunen trefflich ausschlachten können: Geflüchtete, Identitätspolitik, Migration – und eben die vermaledeiten Grünen.
Das führt dann nicht nur zu einem Erstarken der AfD, sondern (vor allem im Zuge der Bauernproteste) eben auch zu übergriffigen Aktionen gegen grüne Politiker, wie beispielsweise am Fähranleger von Schüttsiel, bei der Verhinderung des grünen Politischen Aschermittwochs in Biberach oder bei der zeitweiligen Festsetzung von Ricarda Lang bei einer Veranstaltung in Magdeburg.
Was die Ursache für dieses Verhalten vieler sogenannter Qualitätsmedien ist, darüber kann man nur spekulieren. Soll so dem Vorwurf der Linksgrünlastigkeit entgegengetreten werden? Liegt hier Einflussnahme von denjenigen, denen diese Medien gehören vor, da diese ihre eigenen großen Vermögen nicht angetastet wissen wollen? Klammern sich Chefredakteure und Alphajournalisten als Besserverdiener an den immer offensichtlicher scheiternden Neoliberalismus und machen somit den damit zusammenhängenden Rechtsschwenk mehr oder weniger automatisch mit? Geht es vor allem darum, den Zeitgeist aufzugreifen und mit Stimmungsmache gegen die Grünen Klicks abzugreifen? Ich weiß es beim besten Willen nicht …
In jedem Fall sollte doch jedem, der im Bereich Journalismus tätig ist, klar sein, dass der Weg nach rechts auch bedeutet, der eigenen Profession dann irgendwann nicht mehr nachgehen zu können, es sei denn als PR-Schreiber der Herrschenden.
Diese Krise der sogenannten vierten Säule der Demokratie muss dringend mehr thematisiert werden, da sie eben die Meinungsbildung vieler Menschen betrifft. Nur wer soll das machen, wenn nicht die Medien?
Ich glaube, so was nennt man dann Zwickmühle …
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