Als Folge des Attentats von Solingen hat die Bundesregierung nun beschlossen, umfassendere Grenzkontrollen einzuführen (s. hier). Das ist nun wahrlich nichts anderes als eine Bankrotterklärung gegenüber den rechtspopulistischen Schreihälsen von Union bis AfD – und zeigt, dass die Ampel noch mieser ist, als man es bisher schon gedacht hat.
Das soll nun keinesfalls in dieses primitive Ampel-Bashing, was man ja auch mittlerweile zu genügend vom rechten Rand kennt, einstimmen, aber hier hat die Bundesregierung m. E. einen richtig dicken Bock geschossen, der allerdings symptomatisch für den Rechtsrutsch in unserem Land ist. Denn man darf ja nicht vergessen: Bis auf die FDP sind zurzeit keine explizit rechten Parteien mit in der Bundesregierung. Aber es reicht, die CDU und die AfD mit ihrem Dauergekeife in der Opposition zu haben, damit auch SPD und Grüne offen rechte Politik machen.
Vor allem ist das, was nun an den Grenzen geschehen soll, nichts weiter als populistische Symbolpolitik – was ja in der Regel auch immer ein Kennzeichen von rechter Politik ist. Die Ursachen von islamistischem Terrorismus werden so nicht angegangen, wie ich ja vor ein paar Wochen schon mal in einem Artikel beschrieb. Wer ernsthaft einen terroristischen Anschlag plant, wird schließlich nicht einfach so mit ein paar Waffen oder Sprengstoff im Gepäck und ohne gültige Papier über die Grenze einreisen – und der 18-Jährige, der wohl gerade in München ein Attentat verüben wollte, war österreichischer Staatsbürger (s. hier), hatte also gültige Papiere aus einem EU-Staat und wäre somit von solchen Grenzkontrollen vermutlich auch nicht erfasst worden. Solche Maßnahmen stellen also vor allem viele Unschuldige unter Generalverdacht, sind menschenrechtlich höchst problematisch und sorgen für schlechte Stimmung in den Nachbarstaaten. Ziemlich hohe Kosten dafür, dass man dem eher minderreflektierten Teil der Bevölkerung suggerieren möchte: „Schau mal, wir tun ja was!“
Davon abgesehen übernimmt man so auch die dumme AfD-Erzählung der „merkelschen Grenzöffnung“ im Jahr 2015, denn solche Grenzkontrollen sind ja genau das, was von Rechtsaußen schon seit Jahren als Reaktion darauf gefordert wird. Die Blaubraunen werden sich sagen: „Siehste, geht doch“, deren rassistischer und xenophober Anhang wird davon überzeugt sein (und das nicht zu Unrecht), dass es eben doch was bringt, die AfD zu wählen, und Bundespolizisten verplempern ihre Zeit mit einer unsinnigen Maßnahme, anstatt sich um wirklich Kriminelle zu kümmern. Wow, tolle Leistung …
Nun hat ja Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) schon beim versuchten Verbot des rechten Hetzblattes Compact bewiesen, dass sie nicht eben die hellste Kerze auf der Torte ist. Natürlich wäre es mir auch lieb, wenn so ein Schundblatt aus den Zeitschriftenregalen verschwinden würde, aber dann sollte man das doch bitte auch so handhaben, dass es juristisch wasserfest ist – was es beim Versuch, das Ganze via Vereinsverbot hinzubekommen, eben nicht war. Da hätte man sich vorher vielleicht mal ein bisschen besser beraten lassen sollen, denn nun war der Vorgang vor allem ein Triumph für alle Rechtsextremen im Land: „Seht her, die wollten unsere Meinung verbieten, hatten dazu aber überhaupt kein Recht!“
Und nun werden federführend von Faeser schon wieder die AfD und ihre Jünger gestärkt. Bleibt die Frage: Ist die echt so dämlich, hat sie auch nur komplett dusselige Berater – oder ist es vielleicht sogar Absicht, der AfD so immer wieder in die Karten zu spielen?
Oder will man vielleicht einfach nur mit so einer blödsinnigen und untauglichen Maßnahme die BILD-Schmierfinken ein bisschen besänftigen? Wobei ich gar nicht weiß, ob das nicht vielleicht die schlimmste aller Optionen wäre, denn damit würde man Springers Hetzblatt eine sehr große politische Macht zugestehen.
Immerhin gibt es für dieses Vorgehen nun schon mal Lob vom ungarischen Despoten Victor Orbán, dem niederländischen Rechtsaußen Geert Wilders und sogar dem Rechtsradikalen Martin Sellner von der Identitären Bewegung (s. hier). Und spätestens jetzt sollte sich die selbsternannte „Fortschrittskoalition“ mal fragen, was sie da denn eigentlich so treibt – nämlich einen Keil in ein integratives Europa. Hey, super, das freut dann ja auch wieder die AfD, die für die EU ja ohnehin nicht so viel übrig hat.
Wenn es der Bundesregierung nämlich tatsächlich darum ginge, die Gefahr von terroristischen Anschlägen zu minimieren, dann würden beispielsweise ja nicht gerade die Gelder für Integrationskurse um mehr als die Hälfte gekürzt werden (s. hier). Menschen, die hierher fliehen, das Gefühl zu geben, willkommen zu sein, und ihnen demokratische und rechtsstaatliche Werte und Ideen zu vermitteln, dürfte nämlich um ein Vielfaches effektiver sein als solche Grenzkontrollen.
Aber so kann man nur feststellen, dass die Ampel (rechts-)populistische Politik auf BILD-Niveau macht, um der AfD damit in den Hintern zu kriechen, was die Blaubraunen allerdings nur weiter stärkt – so zumindest die einschlägige Erfahrung, wenn man die politische Linie von Rechtsextremen übernimmt.
Und so sehe ich jetzt schon Pendler und Reisende vor mir, die an der Grenze warten müssen und sich dann, wenn sie an den aufgrund von Racial Profiling rausgewunkenen nicht deutsch aussehenden Menschen vorbeifahren, auf „die Scheiß-Ausländer“ schimpfen, deretwegen sie nun Verzögerungen in Kauf nehmen mussten. Auch das freut dann wieder die AfD.
Anfang des Jahres waren SPD-, Grünen-, FDP- und CDU-Mitglieder noch sehr präsent auf den zahlreichen Demonstrationen gegen Rechtsextremismus. Das habe ich damals schon in einem Artikel als Heuchelei bezeichnet. Und spätestens jetzt – nachdem ja schon die Bezahlkarte für Asylbewerber eingeführt wurde (s. hier) oder Menschen nach Afghanistan abgeschoben wurden (s. hier) – wird sehr deutlich, dass es tatsächlich nichts anderes war. Populistisch wird das Fähnchen in jeden Wind gehalten, der gerade Zustimmung zu bringen scheint, ohne dass eine inhaltliche Haltung oder gar Prinzipien wie die Achtung der Menschenrechte dahinterstehen.
Mit solchen Politikern wird man den Rechtsextremen mit Sicherheit nicht den Wind aus den Segeln nehmen, vielmehr sind sie ein Teil des Problems und nicht der Lösung.
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