Bereits vor Wochen wurde publik, dass Annalena Baerbock ihren Lebenslauf in unzähligen Fällen manipulierte. Nun werden der grünen Kanzlerkandidatin auch schwerwiegende Plagiatsvorwürfe hinsichtlich ihres jüngst erschienenen Buches „Jetzt. Wie wir unser Land erneuern“ gemacht. Grüne reagierten auf diese Debatte zunehmend aggressiv und bedienten sich eines gefährlichen Wahlkampf-Populismus. Die Partei hat sich letztlich aus ideologischen Gründen für Baerbock entschieden – und fällt damit gehörig auf die Nase.

Alles für die Quote
Robert Habeck ließ seiner weiblichen Kollegin nur den Vortritt, weil sie eine Frau ist. Es widerspräche der grünen Auffassung von „Gleichstellung“, einen Mann zum Spitzenkandidaten zu küren. Dass für die Grünen bei der Auswahl des ersten Kanzlerkandidaten ihrer Geschichte nicht fachliche Eignung oder Charisma eine Rolle spielten, sondern das Geschlecht der möglichen Kandidaten, spricht Bände. Und genau das wird der Partei gerade zum Verhängnis. Der grinsende Pferdeflüsterer aus dem „echten Norden“ tat nicht nur unmittelbar nach der öffentlichen Bekanntgabe der Kandidatur seiner Co-Vorsitzenden seinen Unmut darüber kund, sondern wäre offenkundig die bessere Wahl gewesen. Ob man ihn tatsächlich für kompetent oder authentisch hält, ist dabei eine völlig andere Frage. Der ehemalige Umweltminister Schleswig-Holsteins hat im Gegensatz zu seinem Konterpart jedenfalls Regierungserfahrung und ist in der Bevölkerung beliebter. Er wäre damit zweifelsohne der härtere Gegner für die Union gewesen.
Vor allem, weil er bereits seit längerer Zeit versucht, die Grünen für die bürgerliche Mitte zu öffnen. So inszeniert Habeck sich vor dem Hermannsdenkmal und adaptiert für seine Öffentlichkeitsarbeit Teile der Nationalhymne – beides undenkbar für das linke Parteimilieu. Für die Beurteilung seiner Erfolgschancen ist es unerheblich, mit welcher Ernsthaftigkeit er diese Annäherungsversuche verfolgt. Dass er damit aber im Milieu der Mitte gute Chancen gehabt hätte, steht außer Zweifel. Baerbock hingegen verfolgt keine klare Linie, sie will nicht einmal eine Koalition mit der Linkspartei ausschließen. Ein erster Fehler in der Wahlkampfstrategie der Grünen, und es ist nicht der letzte geblieben. Hochmut kommt bekanntermaßen vor dem Fall und die grüne Kanzlerkandidatin ist bereits tief gefallen. Sie verhöhnte ihren Co-Vorsitzenden, der sich anders als sie sogar „Doktor der Philosophie“ nennen darf, in einem Interview regelrecht als „Schweinebauern“ und unterstellte ihm damit fehlende Bildung und einen einfachen Geist. Diese Attitüde rächt sich nun gnadenlos.

Amateure im Wahlkampf
Ohnehin bekommt man angesichts des unprofessionellen Wahlkampfes der Umweltpartei den Eindruck, es sei ihre erste Bundestagswahl. Ironischerweise war es ein Tweet der ARD, der Baerbocks Qualifikation und Erfahrung pries und das Augenmerk auf ihren Lebenslauf lenkte. Auf die daraus entstandene Debatte reagierte man abweisend und bisweilen sogar gereizt. Man spielte die Vorwürfe herunter und tat sie als Lappalien ab. Das sind die dutzenden Ungereimtheiten jedenfalls mitnichten – Wie soll man ein Land führen, wenn man nicht in der Lage ist, einen einwandfreien und wahrheitsgetreuen Lebenslauf zu verfassen?
Doch das war nur der Anfang. Baerbock hat „vergessen“, Nebeneinkünfte zu melden, den „Corona-Bonus“ trotz ihres üppigen Einkommens als Bundestagsabgeordnete und Parteivorsitzende kassiert und zu ihrer Zeit als Landesvorsitzende in Brandenburg kam es zur Veruntreuung eines sechsstelligen Betrages. Die Kanzlerkandidatin stolpert von einem Skandal in den nächsten. Jüngst verursachte die Diskussion um Plagiate in ihrem Buch die größte Welle der Empörung. Zunächst wurde sie abgewälzt und die Aufmerksamkeit auf die angeblich nicht vorhandene juristische Dimension der Vorwürfe gelenkt. Als „Derailing“ eine bewährte Methode der Öffentlichkeitsarbeit. Mittlerweile steht jedoch fest, dass sogar Urheberrechtsverletzungen im Raum stehen.
Einige Grüne versuchten, die Berichterstattung über ihre Kanzlerkandidatin als „Springer-Kampagne“ zu diskreditieren. Angesichts dieses ohnehin wenig gehaltvollen Vorwurfs ist anzumerken, dass es nicht die BILD-Zeitung war, die zuerst berichtete, sondern der Focus. Als immer mehr Plagiate entdeckt wurden und sich die Presseberichte intensivierten und ausweiteten, wurden die Medien von einem Tsunami aus hysterischer Gehirndiarrhoe erfasst. Der Tagesschau sollten ihre Schlagzeilen vorgeschrieben werden und selbst die linke Taz, die mit einem überraschend kritischen Beitrag zur Plagiatsaffäre auffiel, wurde mitunter als „Springer-Medium“ bezeichnet. Dabei blieb es aber nicht. Selbst Bundestagsmitglieder und hochrangige Parteifunktionäre beteiligten sich an der Verbreitung von Verschwörungstheorien von vermeintlichen „dunklen Kräften“, die Baerbock verhindern wollten und einem „rechten Propagandakrieg“. Die Medien wurden als gesteuert, manipuliert und „gekauft“ bezeichnet. In Zweifelsfall hat dann noch Putin seine Finger im Spiel und das unappetitliche Süppchen aus Spinnereien ist servierbereit. Verschwörungsideologische Narrative, wie man sie sonst nur von QAnon kennt.
Es wurde nicht einmal der Versuch unternommen, sich ernsthaft mit den Vorwürfen auseinanderzusetzen und eine reflektierte und souveräne Reaktion in die Öffentlichkeit zu tragen. Stattdessen zogen Grüne ihre Aluhüte etwas zu fest und gaben ein Bild ab, das weniger an eine selbstbewusste Partei mit Kanzlerambitionen, sondern mehr an eine schizophrene Polit-Sekte erinnert. Die jahrelang medial verhätschelte Ökopartei scheint mit kritischer Berichterstattung nicht umgehen zu können und verhält sich wie ein Kleinkind, das den wohlbehüteten elterlichen Elfenbeinturm zum ersten Mal verlässt und mit der Realität konfrontiert wird. Eine so radikale Infantilisierung der Debatte bekommt einer starken Demokratie im Wahlkampf nicht gut. Die grünen Angriffe auf die Pressefreiheit sind auf Metaebene ebenso demokratieschädlich, steht sie doch bereits von Teilen des politischen Spektrums hierzulande mit pressefeindlicher Rhetorik seit Jahren unter Beschuss. Der unprofessionelle Umgang mit den Medien lässt insoweit tief in die autoritäre Gedankenwelt vieler Parteimitglieder blicken. Selbst der sonst bewährte Verteidigungsmechanismus aus Sexismus-Vorwürfen scheint nicht mehr die gewünschte Wirkung zu entfalten, dafür sind die Verfehlungen der Kandidatin zu offensichtlich und schwerwiegend.

Schlammschlacht an der Saar
Zusätzlich bereitet die Unruhe im saarländischen Landesverband der Bundespartei Kopfschmerzen. Bei den Saar-Grünen brodelt es bereits seit längerer Zeit und der Konflikt eskalierte zuletzt, als sie nicht die dafür vorgesehene Landesvorsitzende zur Spitzenkandidatin kürten, sondern sich demonstrativ über das undemokratische „Frauenstatut“ der Partei hinwegsetzten und den ehemaligen Landeschef Hubert Ulrich auf den Spitzenplatz wählten. Das sorgte an der Parteispitze für Unmut und Baerbock forderte sogar eine Revision der Entscheidung und Neuwahlen. Listenplatz 2 wurde schließlich mit Iryna Gaydukova besetzt, die vor ihrer Nominierung auf inhaltliche Fragen ihrer Parteifreunde keine Antworten geben konnte und einen ungeeigneten Eindruck erweckte. Als der Auftritt der Kandidatin öffentlich wurde, verließ sie kurzerhand die Partei.
Solche Vorkommnisse sind für den Wahlkampf unvorteilhaft, weil sie fehlende Geschlossenheit und parteiinterne Querelen unter Beweis stellen. Beides wird von den Wählern stets rasch quittiert. Die Parteispitze hat jedenfalls die Unterstützung Baerbocks bekräftigt. Ein Austausch des Kanzlerkandidaten ist wenige Wochen vor der Bundestagswahl ohnehin alles andere als ratsam. Allein, weil die Grünen dafür Abstand von ihrer Quotendoktrin nehmen müssten – innerparteilicher Zwist wäre vorprogrammiert. In der Öffentlichkeit gäbe das ein noch schlechteres Bild ab, als die Partei bisher schon produziert.

Hyperventilation im Geiste der Moral
Einige Anhänger arbeiten offenbar bereits an Baerbocks Heiligsprechung. Grüne Parteimilitärs erwecken den Eindruck, als wäre der Klimawandel aufgehalten, der Weltfrieden erreicht und ein Heilmittel für Krebs entdeckt, würde die nächste Bundesregierung nur von der selbsternannten „Völkerrechtlerin“ aus Hannover angeführt. Viele von ihnen sind eingeschnappt, weil ihrer Kandidatin kein roter Teppich ins Kanzleramt ausgerollt wird. Befeuert durch die Liebeserklärungen der Medien sind sie offenbar so überzeugt von den eigenen Ideen als handfeste Repräsentation des „Guten“, dass sie gegenwärtig geradezu einer Schocktherapie unterzogen werden. Wer sich für moralisch überlegen hält, entwickelt keine Fehlerkultur. Genau das wird der Partei gerade zum Verhängnis. Viele Parteimitglieder haben ihr Sendungsbewusstsein so stark verinnerlicht, dass sie der Überzeugung sind, das Amt des Bundeskanzlers stünde ihnen ohnehin zu. Wahlkampf wird dann eher als störend empfunden. Normales Wahlkampfgeschehen wird daher in eine „Gefahr für die Demokratie“ umgedeutet, wenn es für die eigene Partei nicht rund läuft. Das sind Einblicke in ein zutiefst autoritäres Staatsverständnis.
Gleichzeitig wird aus demselben Milieu Armin Laschet vorgeworfen, er sei quasi alleine am Klimawandel schuld oder für die löchrige Gaspipeline eines mexikanischen Staatsunternehmens im Golf von Mexiko verantwortlich. Auch die von Oliver Krischer, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der Grünen im Bundestag, aufgestellte absurde Behauptung, der CDU-Kanzlerkandidat habe eine weder qualitativ oder quantitativ noch per Todesursache näher definierte Zahl von Menschenleben auf dem Gewissen, stellte sich als Rückzug auf die letzte Verteidigungslinie des grünen Moralismus als fehlgeschlagene Kampfoperation heraus. Perfider Vulgärpopulismus mischt sich mit psychotischen Visionen der Klima-Apokalypse und Corona-Autoritarismus. Immerhin demaskieren solche Ausfälle die Partei, die sich gerne zum Anwalt von Gerechtigkeit und Fairness und Protektor der liberalen Demokratie stilisiert. Das Wahlkampfverhalten der Grünen pendelt zwischen planloser Defensive und wirrer Schein-Offensive in Gestalt haltloser Anwürfe an die politischen Mitbewerber. Eine erbärmliche Kloake aus Unsinn und Wahnsinn – für den spitzfindigen Beobachter aber eher olfaktorisches Erlebniskino als Anlass zur ehrlichen Sorge um den ungesunden Gestank, den der grüne Kadaver emittiert.

Spektakuläres Scheitern
Bis zur Bundestagswahl sind es noch über zwei Monate. Die Historie um Baerbocks Kanzlerkandidatur erinnert aber schon jetzt an den Niedergang von Martin Schulz vier Jahre zuvor. Die anfänglich zur „Hoffnungsträgerin“ idealisierte Kandidatin ist eine tragische Figur der Geschichte, ein Produkt von Medienhype, Selbstüberschätzung und eigener Unfähigkeit. Anders als der Schulz-Zug ist der „Baerbock-Zug“ jedoch nicht nur entgleist, sondern gegen eine Wand gefahren und in Flammen aufgegangen. Die erste grüne Kanzlerkandidatur war vorbei, bevor sie überhaupt richtig begonnen hat. Noch vor zwei Monaten lieferten sich nahezu alle Medien einen Überbietungswettbewerb in Baerbock-Lobhudelei, die Grünen lagen nach der Aufstellung von Armin Laschet als Kanzlerkandidat der Unionsparteien zeitweise bis zu 7 Prozentpunkte vor der Union und es galt fast als sicher, dass sie mit Baerbock die erste grüne Kanzlerin in der Geschichte der Bundesrepublik stellen würden.
Heute ist von dieser Stimmung nichts mehr zu spüren. Die Grünen haben innerhalb kurzer Zeit mitunter zweistellig an Zustimmung eingebüßt und die Union liegt deutlich vorn. Die Kandidatur der erst 40-Jährigen ist ein Geschenk an die politische Konkurrenz. Der gerne als „Trottel“ diffamierte Laschet hat seinen Vorsprung weit ausgebaut und selbst der oftmals längst abgeschriebene Sozialdemokrat Olaf Scholz scheint langsam vom schwachen Auftreten der Grünen zu profitieren. Auch mit Blick auf die persönliche Zustimmung ist die Grünen-Politikerin massiv eingebrochen, während die beiden Gegenkandidaten ihre Beliebtheitswerte ausbauen konnten. Baerbock verzweifelt nur zwei Monate nach ihrer glamourösen Nominierung als stolpernder Dompteur im grünen Wahlkampfzirkus. Für die anderen Parteien ein Festmahl, für die Grünen aber katastrophal. Die Träume vom Kanzleramt sind in einem Potpourri aus entlarvender Selbstdemontage, miserablem Krisenmanagement und Fettnäpfchentreterei implodiert. Auch unabhängig von der öffentlichen Schicksalsfolklore ist die diesjährige Bundestagswahl nach 16 Merkel-Jahren in der Tat eine Richtungsentscheidung. Sie wird aber nicht zugunsten der Grünen ausfallen.

Bild: © Instagram-Seite von Annalena Baerbock; https://www.instagram.com/p/CP-zrqHCUfk/

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