In Hanau hat ein offensichtlich Rechtsextremer neun Menschen mit Migrationshintergrund in Shisha-Bars ermordet, danach hat er dann seine Mutter und sich selbst umgebracht. Der Abschiedsbrief dieses Rechtsterroristen sowie von ihm in sozialen Medien getätigte Aussagen strotzen nur so vor Rassismus, sodass der Generalbundesanwalt die Ermittlungen an sich gezogen hat. Und natürlich ist auch wieder das zu beobachten, was nach solchen Taten, die ja leider mittlerweile eine gewisse und entsetzliche Regelmäßigkeit haben (s. dazu hier), immer zu beobachten ist: Es wird von einem Einzeltäter gesprochen (s. dazu hier), und die politischen Führungsfiguren schauen betroffen in die Kameras und murmeln Beileidsbekundungen, gekoppelt mit der Forderung, nun müsse aber dieser Entwicklung mal endlich richtig entgegengetreten werden. Was für Heuchler!

Da stehen sie, Lindner von der FDP und Merkel von der CDU, also von den Parteien, die letzte Woche noch in Thüringen mit der AfD paktiert haben, deren Landeschef wie kaum ein anderer das rassistische Gift in die Köpfe der Menschen bringt und diese aufwiegelt. Auf verbale Gewalt folgt dann eben irgendwann, zumal wenn psychische Labilität vorliegt, auch physische Gewalt. Oder glaubt irgendjemand ernsthaft, dass es ein Zufall ist, dass der Rechtsterrorismus in Deutschland boomt, seitdem es die AfD gibt?

Und da stellt sich auch ein Lars Klingbeil, seines Zeichens Generalsekretär der Bundes-SPD, die mit ebenjener CDU in einer GroKo steckt, und fordert auf Twitter: „Wir müssen ein Zeichen setzen. Gegen den rechten Terror, gegen den rechten Hass, gegen Faschismus“ (s. hier). Ich wüsste da ein sehr deutliches Zeichen, nämlich dem Koalitionspartner zu sagen, dass man für eine Zusammenarbeit mit AfD-Freunden nicht mehr zur Verfügung steht. Aber da sind die Pfründe dann doch wichtiger als eine entschiedene Deutlichkeit.

All diese Betroffenen haben ja auch leicht reden, denn sie werden nicht in die Verlegenheit kommen, das Ziel eines Mordanschlags zu werden, nur weil sie nicht deutsch genug aussehen. Und so werden auch gleich schon wieder die Forderungen nach mehr Sicherheit, mehr Überwachung laut. Als ob das bisher irgendwas gebracht hätte! Zumal dem Rechtsterrorismus mit seiner Einsamen-Wolf-Struktur mit solchen Maßnahmen auch nur schwer beizukommen ist, also ein erschreckendes Nichtwissen oder Nicht-wissen-Wollen bezüglich rechtsextremer Strukturen vorliegt. Mal davon abgesehen, dass die Verstrickungen des Sicherheitsapparates in die gewaltbereite rechtsextreme Szene ja immer wieder offenkundig werden: NSU, Uniter, Nordkreuz und wie sie alle heißen.

Anstatt also wohlfeile Betroffenheit zu heucheln, wäre eine Selbstreflexion vielleicht mal ganz angebracht, oder? Gerade CDU und FDP sollten sich überlegen, inwieweit vor allem von ihnen praktizierte und repräsentierte Politik dazu beigetragen hat, dass rechtes Gedankengut wieder salonfähig wird in Deutschland und mit der AfD einen parlamentarischen Arm bekommen hat. Und die SPD sollte sich fragen, wieso denn mit Sarrazin einer aus ihren Reihen zur Ikone und zum entscheidenden Stichwortgeber („Das wird man ja wohl noch sagen dürfen!“) dieser neuen rechten Wutbürgerbewegung, der immer offensichtlicheren Verrohung der Gesellschaft werden konnte. Ich habe diese Zusammenhänge vor gut drei Jahren bereits ausführlich in einem Artikel dargestellt – und ich hätte mich nur allzu gern geirrt in meiner Analyse.

Und auch die Medien sollten sich hinterfragen, was denn ihr Anteil daran ist, dass ein gesellschaftliches Klima herrscht, welches schließlich immer häufiger rechtsterroristische Gewaltakte hervorbringt. Was wurde die AfD doch immer wieder hofiert, ihre Repräsentanten ständig eingeladen in prominente Sendungen, wo sie dann ihr Gift verspritzen konnten (s. dazu beispielsweise hier, hier und hier), nachdem ihnen auch noch das Themensetting auf den Leib geschrieben wurde. Was wurde Panik geschürt vor islamistischem Terror, dabei dann allerdings der Rechtsterrorismus sträflich vernachlässigt.

Und am Tag der Hanauer Terrormorde darf dann gleich abends der Rechtsaußen-„Journalist“ Fleischhauer bei Maischberger in der ARD hocken und die grausige Bluttat relativieren. Wer wissen will, warum Rechtsterrorismus aufblüht in den letzten Jahren, der muss sich nur diese Tatsache vor Augen halten.

Was für Heuchler allesamt!

Sind die nun alle etwas beschränkt, blind oder unwissend? Ich glaube kaum, ich denke, dass sie schon ganz genau die Zusammenhänge erkennen, solche Terrorakte sogar wissentlich einkalkuliert haben. Und dann stellen sie sich hin und beklagen die Opfer, die letztlich ein Resultat ihres eigenen Wirkens sind. Und bezeichnen so eine Tat als „fremdenfeindlich“, womit sie die Opfer dann auch gleich als Fremde ausgrenzen und damit die Denkweise des Täters quasi übernehmen: die Fremden, dass sind die, die nicht zu uns gehören (s. ausführlicher dazu hier).

Und so werden wir das gleiche unwürdige Heucheln von Betroffenheit und die gleichen hohlen Phrasen, dass nun aber wirklich mal was geschehen müsste, um so etwas zukünftig zu verhindern, beim nächsten rechtsterroristischen Anschlag wieder zu hören bekommen. Und da sich trotz der vollmundigen Bekundungen nichts ändern wird, wird dieser leider wohl auch nicht lange auf sich warten lassen.

Und die Heuchler haben weiterhin Hochkonjunktur!

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