Vier der fünf buddhistischen Weisheiten lauten:

  • wir werden alt werden
  • wir werden krank werden
  • wir werden sterben
  • wir werden alles verlieren, woran wir hängen

Da wir Homöopathen und auch die Skeptiker selten hingebungsvolle Buddhisten sind, bestimmt die Furcht vor Krankheit und Tod unser aller Handeln als zentraler Impuls. Sind unsere Ängste und die daraus resultierenden Abwehrreflexe also wirklich so unterschiedlich?

Es geht um Ohnmacht und Macht. Es geht um Hilflosigkeit, die wir alle – Skeptiker wie Homöopathen – nicht fühlen wollen. Es geht um lebenslanges Davonlaufen vor falsch und unbedeutend sein, vor Ablehnung und Unsicherheit.

Es geht um unsere inneren Zweifel, die wir externalisieren und (auf die Gegner) projizieren.

Skeptiker wie Homöopathen erleben und fühlen Ohnmacht, wenn sich die Medizin von ihrer kalten, kompromisslosen Seite zeigt, insbesondere dann, wenn wir krank sind.

Dogmen geben hier – wiederum für beide Seiten – das Gefühl, auf der sicheren und gerechten Seite zu stehen. Wir besitzen die richtige Ideologie!

Die Frage ist nur: Wollt ihr Recht haben oder frei sein? Und Skeptiker ebenso wie Homöopathen brüllen: Recht haben!

Homöopathische Ärzte haben in ihrer Ausbildung neben den lebensrettenden Fähigkeiten der Hochschulmedizin vielfach auch die Hilflosigkeit der sog. wissenschaftlichen Medizin erlebt. Sie begeben sich also auf die Suche nach Unterstützung für die Bereiche, wo die konventionelle Medizin kapituliert oder Beschwerden nicht einordnen kann.

Gerade die - hinter den Ohren noch "Grünen" - Skeptiker erleben in der ihnen eigenen Lebensangst das Bedürfnis nach absoluter therapeutischer Machbarkeit bei etwaiger Erkrankung. Kein Wagnis eingehen, die Erkrankung ist schon irrational genug;  eine irrationale Therapieform mit "materiellem Nichts" darf dem absoluten Heilungsanspruch nicht im Wege stehen.

Die Homöopathen haben die Angst, dass ihnen ein wertvolles Werkzeug genommen wird, das sie gerade dort einsetzen, wo die Hochschulmedizin versagt oder die Segel streicht bzw. Hilflosigkeit eingestehen muss und bieten an: „Ich hab da noch was, was Ihnen nicht schaden wird, ihnen aber möglicherweise doch noch hilft“! Patient und Homöopath müssen also nicht mehr die  bedrohliche Ohnmacht fühlen.

Der Skeptiker: In seiner Angst vor Krankheit braucht er die vermeintliche Allmacht der Hochschulmedizin, die Homöopathie ist aber mit Unwägbarkeit assoziiert, mit Placebo-Wirkung und damit Voodoo und Schamanismus. Sie kann bisweilen auch einen unsteuerbaren Eingriff in die Privat- und Geistessphäre bedeuten. Eine das Unbewusste angreifende Übermacht, eine feindliche Übernahme der Kontrolle. Es droht Kontroll-Verlust!

Homöopathen und Skeptiker holen sich nun gleichermaßen - und wieder fällt das ähnliche Handlungsmuster auf - Hilfe von außen: Studien, Metastudien, Evidence based medicine, placebokontrolliert, doppelblind, randomisiert wird sich gegenseitig um die Ohren gehauen. Die Interpretation der Ergebnisse wird zur Geheimwaffe…

Zwischenzeitlich ziehen sich die Homöopathen schmollend auf das „ich hab´s doch ohne (?) Zweifel gesehen und es kann (darf) keine Placebo-Wirkung gewesen sein“ zurück. Worauf die Skeptiker bestenfalls amüsiert lächeln, und abschätzig von anektotischen Einzelfällen sprechen. Die Skeptiker ziehen sich derweil auf den Standpunkt des allgegenwärtigen Placebo-Effekts zurück, gerade angesichts der (beneidenswert?) zeitlich und emotional intensiven Einlassung auf die Patienten durch homöopathischer Ärzte. Worauf das Lager der Homöopathen geschickt kontert: "Heilung geschieht doch oft auch bei begrenzter Einlassung oder bei vierter oder fünfter Gabe nach vorherigen Fehlansätzen!"

Beim ungeordneten Rückzug der Homöopathen in den elfenbeinernen Turm Hahnemannscher Dogmen hören sie von draußen das höhnische Gelächter der Skeptiker, die  „Bibelgläubige“ skandieren und lauthals das „Globulum im Ohr“ als Symbol der Lächerlichkeit homöopathischer Therapie geiseln.

Beide Lager versuchen nun Medien–Söldner-Tuppen zu rekrutieren, holen fremde Mächte mit ins Boot und versuchen so des Volkes Meinung auf die eigene Seite zu ziehen. Es geht um nicht weniger als die absolute Wahrheit, die Deutungshoheit, das Heil, die ultimative Religion, die Erleuchtung, die Erlösung (wahlweise vom Übel der Schulmedizin bzw. der Pharmaindustrie oder von den schwurbelnden, betrügerischen Kurpfuschern).

Der Kampf wird mit harten Bandagen geführt, polemisch, fanatisch und unerbittlich: Es scheint viel auf dem Spiel zu stehen! Nicht weniger als das angstfreie Überleben! Wer steht auf der Seite der Gerechten, der Wahrheitssuchenden? Wer macht sich durch fahrlässige ("Nichts")- Therapie oder durch die Nähe zur Pharmaindustrie schuldig?

Und dann gibt es noch die von den Homöopathen verachtete Verräterin der Homöopathie, welche die Fronten gewechselt hat, tief enttäuscht von den Widersprüchen ihres Gurus, an den sie so fest geglaubt hatte und der ihr einst soviel Halt und Erfolg gegeben hatte. Sie wird mit Freudentänzen ins Lager der Skeptizisten aufgenommen und nolens volens als Monstranz durch die Medienlandschaft getragen:" Seht her, sie ist aus der Sekte entflohen!" [Und jetzt in einer anderen gelandet!]. Aber was hat sie da einst in ihrem „Buch der Läuterung“ verlauten lassen:„ Ab der emotionalen Ebene haben wir es nicht mehr mit rein materiellen, messbaren biologisch-physikalischen Tatsachen zu tun“.[??]. "Können wir sie ob dieser Aussage überführen, ist sie gar eine Doppelagentin? Ist das nicht genau das, was unser Lager für sich reklamiert?", schmettern die Homöopathen. "Diese Erkenntnis gehört uns!"

Doch trotz aller vermeintlichen Gewißheiten landen Skeptiker wie Homöopathen am Ende an der gleichen Pforte, auf der einfach nur die fünf buddhistischen Weisheiten stehen!

Da müssen wir alle hindurch!

Bitte in Stille anstellen, bis ihr an der Reihe seid!

Dr. Heinrich Hümmer