Nach der negativen Empfehlung der französischen "Haute Autorité de Santé" (HAS) im Jahr 2019 wurde die Erstattung der Homöopathie in Frankreich gestrichen. Das war ein schwerer Schlag für Firmen wie Boiron und Weleda.

Gehen diese Unternehmen nun in Konkurs?

Vermissen die Franzosen ihre Homöopathie?

Die Einstellung der Erstattung erfolgte in zwei Schritten: 2020 wurde der Erstattungssatz auf 15 % gesenkt und 2021 lief er ganz aus. Der neue Direktor von Weleda Frankreich, Ludovic Rassat, erklärt, dass die Senkung des Erstattungssatzes auf 15 % im Jahr 2020 nur einen Umsatzrückgang von 20 % zur Folge hatte. Der Rückgang hielt sich in Grenzen, weil die Zusatzkrankenversicherung, die 80 % der Franzosen haben, die Erstattung immer noch bis zu 100 % übernahm. Aber 2021 fiel die Erstattung für die französischen Verbraucher von 100 % auf 0 %. Dies führte zu einem drastischen Umsatzrückgang in der Branche. Bei Weleda Frankreich betrug er ganze 60 % und brachte Verluste von 13 Millionen Euro.

Laut einer von Boiron Laboratories in Auftrag gegebenen Ipsos-Umfrage vom Oktober 2018 nutzten 70 % aller Franzosen Homöopathie, um Symptome zu lindern, und 74 % hielten homöopathische Mittel für wirksam. Man hätte also annehmen können, dass die französischen Verbraucher diese Arzneimittel trotz der Einstellung der Erstattung weiterhin verwenden würden. Dies war jedoch nicht der Fall. Die naheliegendste Erklärung für dieses Phänomen ist, dass die Boiron Umfrage zu falsch-positiven Ergebnissen geführt hat und dass die Franzosen homöopathische Mittel in Wirklichkeit als überflüssig einstufen.

Angesichts der enormen Verluste sehen sich die französischen Hersteller homöopathischer Produkte nun gezwungen, zu reagieren. In einer Pressemitteilung von Weleda Frankreich vom 4. Juli 2022 ist sogar von der Schließung der Weleda-Abteilung die Rede. Insgesamt könnten bei Weleda Frankreich 127 Stellen abgebaut werden. Wenn dieser Schritt wie geplant vollzogen wird, so wird sich Weleda Frankreich in Zukunft auf seine kosmetischen und anthroposophischen Produkte konzentrieren.

Im Jahr 2019 besaß ‚Laboratoires Boiron‘ 4 Produktionsstätte und 28 Vertriebseinrichtungen in Frankreich. Im März 2020 gab das Unternehmen bekannt, dass es beschlossen habe, 646 Arbeitsplätze in Frankreich zu streichen und 13 der 31 Standorte der Gruppe zu schließen. Nach der Entscheidung der Gesundheitsministerin Agnès Buzyn, die Erstattung homöopathischer Präparate durch die Sozialversicherung einzustellen, teilte die Boiron mit, dass für den Standort Montrichard in der Region Loir-et-Cher kein Käufer gefunden werden konnte. Infolgedessen wurde der Standort, an dem rund 80 Personen beschäftigt waren, am 31. Dezember 2021 geschlossen. Dass es Boiron trotz allem nicht schlecht geht, liegt daran, dass die Firma zu Beginn der Pandemie auf COVID-Tests gesetzt hat.

Und die französischen Verbraucher?

Vermissen sie die Homöopathie?

Leiden sie unter Homöopathie-Mangel?

Werden sie ohne Homöopathie vielleicht sogar häufiger krank?

Wechseln sie zu teureren konventionellen Medikamenten?

Ich verbringe derzeit einen Großteil meiner Tage in Frankreich und kann nicht behaupten, dass ich irgendetwas davon bemerkt hätte. Im Gegenteil: Die meisten Menschen, mit denen ich spreche, sind froh, dass die Homöopathie nicht mehr erstattet wird. Aber das ist natürlich keine Evidenz.

Leider habe ich zu oben gestellten Fragen keine zuverlässigen Daten gefunden. Als sich die Gesundheitsministerin vor zwei Jahren gegen die Homöopathie entschied, sagte sie: "Es ist möglich, die Arztpraxis ohne Rezept zu verlassen! Wir sollten diese Debatte über die Homöopathie nutzen, um unseren Umgang mit Medikamenten zu überdenken. Das Endziel ist es, weniger zu konsumieren." Mir scheint, hatte sie recht.

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