Sich zu irren und Fehler zu machen, ist absolut menschlich. Missgeschicke können, dürfen und sollen sogar passieren, denn sie stärken uns kognitiv und schützen uns davor, denselben Fehler zu wiederholen - wenn wir bereit sind, daraus zu lernen.

Sich für begangene Fehler aufrichtig zu entschuldigen, zeugt von menschlicher Größe. Es ist ein wichtiges Ritual, um Respekt und Empathie gegenüber jemanden zu zeigen, dem Unrecht zuteil wurde. Mit einer Entschuldigung können wir auf eine Handlung hinweisen, die, wenn sie unbemerkt bliebe, eine bestehende Beziehung negativ beeinträchtigen könnte. Entschuldigungen haben die Macht, anderen Ärger zu nehmen und weiteren Missverständnissen vorzubeugen. Eine Entschuldigung kann zwar niemals eine frühere Handlungen rückgängig machen, aber sie kann die negativen Auswirkungen dieser Handlungen reduzieren - wenn sie ehrlich gemeint ist.

Ständiges, unnötiges Entschuldigen hat dagegen negative Effekte: Schnell entsteht der Anschein von Inkompetenz, bis hin, dass sich andere nicht ernst genommen fühlen. Die schädlichste und nachhaltigste Nebenwirkung von übermäßigen Entschuldigungen ist aber die Sabotage unseres eigenen Selbstverständnisses.

Warum entschuldigen wir uns so oft?

Die Wurzel von Entschuldigungsimpulsen liegen oft in der Kindheit versteckt. Als Kinder wurde uns beigebracht, dass es wichtig ist, stets höflich zu sein und sich gesittet zu verhalten. Alte Gewohnheiten sterben nur langsam und so können sich die zumeist gutgemeinten Ratschläge, sich mittels Entschuldigungen respektvoll und höflich zu zeigen, Jahre später rächen.

Die Tendenz, sich übermäßig zu entschuldigen, kann aber auch daher kommen, dass wir uns nach Harmonie sehnen und/oder Konflikte scheuen. Dadurch mutieren Entschuldigungen zu einem fehlgeleiteten Mittel, Verantwortung zu übernehmen und Probleme verschwinden zu lassen.

Entschuldigungen können niemals präventiv den Frieden sichern - unabhängig davon, ob Sie überhaupt Schuld an etwas tragen oder nicht.

3 Beispiele wozu ständiges Entschuldigen führt

1. Unsicherheit und Selbstzweifel: Entschuldigungen, die unnötig sind, lassen uns unsicher erscheinen und schüren oft sogar Misstrauen in anderen. Das ist vor allem dann der Fall, wenn wir so eigentlich die Zustimmung anderer erhoffen (Beispiel: "Es tut mir leid, dass ich so viel geredet habe." "Aber nein, Ihre Präsentation war großartig und genau richtig!").

2. Unaufrichtigkeit: Wenn wir wiederholt von anderen belogen werden, hören wir irgendwann auf, ihm oder ihr zu glauben. Sich ständig zu entschuldigen, hat die gleiche Wirkung: Ohne eine klare Absicht verwässern Aussagen und werden so nichtssagend.

3. Machtverschiebung: Wenn Sie der einzige sind, der sich ständig entschuldigt, führt es zu einer Verschiebung der Wahrnehmung innerhalb bestehender Beziehungen. So zeigen Studien, dass Führungskräfte, die sich oft entschuldigen, als zu schüchtern eingeschätzt und ihnen mangelnde Führungsqualitäten vorgeworfen werden.

So hören Sie auf sich ständig zu entschuldigen

1. Überlegen Sie, warum Sie sich ständig entschuldigen: Je besser Sie Ihre frühe Programmierung verstehen, desto eher können Sie diese Gewohnheit ändern. Folgende Fragen helfen dabei:

  • Wie hat Ihre Familie auf Ihre Wünsche oder Interessen reagiert? Wurden Sie ermutigt oder ausgelacht?
  • Welche Erfahrungen haben Sie bezogen auf Ihre Durchsetzungskraft und Respektbekundungen bis dato generell gemacht?
  • Was ist Ihre erste Reaktion, wenn jemand "Nein" zu einem Vorschlag von Ihnen sagt?

2. Identifizieren Sie die Situationen, in denen Ihr Entschuldigungsimpuls auftritt: Lernen Sie die Trigger zu verstehen, die eine Entschuldigung auslösen. Ist es das Verhalten einer Person oder eine spezielle Gestik oder Mimik? Ist es eine bestimmte Stimmung, die den Impuls verstärkt? Passiert es bei manchen Menschen eher als bei anderen?

3. Ersetzen Sie unangebrachte Entschuldigungen durch die eigentliche Aussage: Wenn Sie beispielsweise Ihrem Kollegen eine Bitte ausschlagen wollen, sagen Sie genau „Ich stecke gerade in einem wichtigen Projekt, das meine ganze Aufmerksamkeit erfordert. Es ist eine verrückte Woche mit vielen Terminen. Ich helfe dir gerne weiter, aber dieses Mal geht es leider wirklich nicht." Punkt. Mehr braucht es nicht.

Generell

Es gibt zwei wichtige Aspekte einer Entschuldigung, die immer beachtet werden sollten: Absicht und innere Haltung. Wenn Ihre Entschuldigung nicht aufrichtig gemeint ist, wird sie sich spätestens nonverbal verraten. Entschuldigen Sie sich niemals, nur weil jemand anderes Ihnen sagt, es sei das Richtige. Oder weil die andere Person eine Entschuldigung erwartet. Oder damit Sie bekommen, was Sie wollen. Entschuldigungen, die als Manipulation oder als soziale Geste eingesetzt werden, sind bedeutungsleer. Auf lange Sicht wirkt sich ständiges Entschuldigen nicht nur negativ auf das Selbstwertgefühl, sondern auch auf Ihre Beziehung zu anderen aus.


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