Deutschland steckt in einer Wirtschaftskrise!  Doch betrifft das tatsächlich alle gleich? Und ist es wirklich eine Krise der Wirtschaft? Ich hab ja den Eindruck, dass ein Treiber der wirtschaftlichen Verwerfungen vor allem die immer mehr zunehmende Umverteilung von „unten nach oben“ ist.

Bezeichnendes Beispiel: VW. Der Konzern redet von einer Krise, Werke sollen geschlossen und Mitarbeiter entlassen werden, dabei macht der Wolfsburger Autobauer noch nicht mal Miese, sondern hat 1,58 Milliarden Euro an Gewinn im letzten Quartal gemacht (s. hier). Mein Verständnis von einem funktionierenden Unternehmen ist, dass es gut läuft, wenn da alle Angestellten, Lieferanten, Mieten usw. bezahlt wurden – und dann am Ende noch was als Gewinn übrig bleibt. Bei VW sieht man das offensichtlich anders, da der Gewinn eben um 64 Prozent niedriger ausgefallen ist als im gleichen Zeitraum des Vorjahres. Da bleibt dann ja nicht mehr so viel übrig, um es den „armen“ Aktionären auszuzahlen, also muss eben bei Otto Normalangestellter gespart werden.

Bezeichnend fand ich auch eine Meldung vom ZDF-Teletext, die ich auf der Facebook-Wall von Uwe Woelk entdeckt habe:

Na, da scheint die Krise ja zumindest in den Vorstandsetagen nicht so richtig angekommen zu sein, wenn man sich dort nach wie vor üppige Erhöhungen des Salärs gönnt. Oder könnte es vielleicht sogar sein, dass diese immer übertriebeneren Gehälter und Boni Teil des Problems sind und die Wirtschaftskrise sogar noch verschärfen? Schließlich geben Menschen mit so viel Geld nur einen Bruchteil davon tatsächlich auch in der heimischen Wirtschaft aus, während diejenigen, denen das Einkommen gekürzt wird, oftmals nahezu 100 % dessen wieder in den regionalen Wirtschaftskreislauf einbringen.

Ein weiteres Indiz dafür, dass diese Wirtschaftskrise die Wohlhabenden nicht so richtig tangiert: Es sind immer mehr Privatjets unterwegs, sodass deren CO2-Ausstoß deutlich ansteigt (s. hier). Tja, mit den Dingern fliegt ja in der Regel auch nicht die Lidl-Kassiererin oder der Handwerksgeselle durch die Gegend, sondern eben auch ausschließlich eine sehr betuchte Klientel. Das ist nicht nur aus Sicht des Klimaschutzes eine fatale Entwicklung, es zeigt eben auch auf, dass bei Vermögenden das Geld zunehmend so locker sitzt, dass man selbst Kurzstrecken nicht mit dem Auto (oder gar der Bahn – wo käme man denn da hin?) zurücklegt,  sondern lieber den eigenen Jet nimmt. Und das, während kleine und mittlere Unternehmen sowie Normalverdienerhaushalte unter steigenden Energiekosten ächzen.

Aber das ist ja auch keine ganz neue Entwicklung. So hat sich die Zahl der Privatiers in Deutschland, also derjenigen, die nur von ihren leistungslosen Einkommen aus Aktien, Mieteinnahmen, Zinsen usw. leben können, in Deutschland seit 2010 mehr als verdoppelt: von circa 400.000 auf fast 900.000 (s. hier). Und das trotz Finanzkrise, die dann zur Eurokrise wurde, trotz Corona, trotz Energiekrise aufgrund des Ukraine-Krieges.

Vielmehr scheint es eher so, dass Krisen gerade dazu führen, dass einige wenige Menschen immer reicher werden, während die meisten anderen dann die Krisenfolgen auszubaden haben, natürlich auch mit finanziellen Einbußen. Das konnte man deutlich während der Corona-Pandemie sehen, als der DAX in Rekordhöhen kletterte und Dividenden ohne Ende ausgeschüttet wurden (s. hier) – während viele Freiberufler, Selbstständige und Kleinunternehmer um ihre Existenz bangen mussten – von den Angestellten in Kurzarbeit mal ganz abgesehen. Und auch die Zahl der Millionäre steig hierzulande (und auch anderswo) immer weiter während der Pandemie (s. hier). Ach ja: Die Allerreichsten konnten ihre Vermögen sogar verdoppeln in dieser Zeit (s. hier).

All dieses Geld wächst natürlich nicht so einfach auf Bäumen, und entgegen der volkstümliche Floskel „arbeitet“ Geld auch nicht. Solche wachsenden Vermögen bedeuten immer, dass anderen (arbeitenden) Menschen ein größerer Teil des ihnen zustehenden Einkommens vorenthalten werden muss. Und das schwächt dann eben, wie oben schon geschildert, die Binnennachfrage und damit die heimische Wirtschaft.

Der Kapitalismus schafft ständig Krise aufgrund seines Wachstumsdogmas, der rücksichtslosen Zerstörung von Umwelt und Klima sowie der Rentabilität von Kriegen, sodass der militärisch-industrielle Komplex seine enormen finanziellen Ressourcen immer wieder dafür einsetzt, Konflikte zu schüren, statt Frieden aufrechtzuerhalten oder gar zu stiften. Das ist in der neoliberal radikalisierten Variante des Kapitalismus noch mal extremer geworden – und all diese Krisen führen dann zu steigenden Vermögen von einigen wenigen. Woraus dann wieder wirtschaftliche Verwerfungen für den Rest der Bevölkerung folgen, die dann als eine Wirtschaftskrise wahrgenommen werden. Eigentlich wäre es aber zielführender, hier von einer Umverteilungskrise zu sprechen, denn die Wirtschaft würde viel besser laufen ohne diese ganzen Krisen und die daraus resultierenden Vorteilsnahmen von Wohlhabenden.

Doch würde eine solche Umdeutung der ökonomischen Verwerfungen dann dazu führen, die tatsächlich dafür Verantwortlichen auch klipp und klar zu benennen – und das werden diese schon zu verhindern wissen. Denn durch ihren immer obszöneren Vermögen wächst ja auch ihre politische Macht aufgrund von finanzieller Einflussnahme – gerade mehr als deutlich in den USA zu beobachten, wo sich nicht mal mehr die Mühe gegeben wird, das oligarchische Gebaren von Elon Musk nach dem Wahlsieg von Donald Trump auch nur ansatzweise zu kaschieren.

Also wird man uns wohl weiter erzählen, dass die Wirtschaft kriselt und deswegen alle, die nicht zur Kaste der Reichen gehören, die Gürtel enger schnallen müssen. Während die Vermögen gleichzeitig weiter immer mehr anwachsen …

Dir gefällt, was Karl Haas schreibt?

Dann unterstütze Karl Haas jetzt direkt: