Irgendwie sind wir durchs erste Babyjahr gekommen.
Als ich schwanger war, haben wir uns immer vorgestellt, wie wir irgendwann mit einem Baby an der Hand die Klinik verlassen werden und plötzlich Eltern sind. Wir standen zu diesem Zeitpunkt schon sehr fest im Leben, dennoch war die Vorstellung, uns gibt jemand tatsächlich ein echtes Baby mit und wir sind vollumfänglich dafür verantwortlich, ziemlich irre und auch ein Stück weit beängstigend.
Genauso war es aber. Nicht an der Hand, aber in der Babyschale verließen wir vor gut einem Jahr die Klinik und hatten plötzlich einen Säugling zuhause. Unser Kind.
Theoretisch haben wir uns wunderbar darauf vorbereitet.
Praktisch aber haut es uns seit einem Jahr ziemlich oft um. Es war mir nicht klar, wie emotional „Eltern sein“ sein kann. Ich war zuvor schon ein sehr emotionaler Mensch, aber dass ich irgendwann einmal in Tränen ausbrechen werde, nur weil ich die ersten Klamotten aussortiere oder den Kinderwagen verkaufe, das habe ich nicht geahnt. Und wenn ich ehrlich bin, reicht es manchmal schon aus, einfach nur unser Kind anzustarren.
Ich war nicht darauf vorbereitet, wie viele kleine Entscheidungen man an nur einem Tag mit einem Baby treffen muss. Was ziehe ich ihm heute an? Ist es zu kalt – zu warm – zu unbequem? Mützchen ja oder nein? Socken? Jäckchen? Was nehme ich mit in den Wickelrucksack, wie viele Wechselklamotten zum Beispiel? (Ich habe mittlerweile gelernt: es ist entweder zu viel oder zu wenig, selten passend). Fläschchen – Breichen – BLW: egal wie entspannt man ist als Eltern, plötzlich ist man nicht nur für die eigene Ernährung verantwortlich. Was rede ich da: Plötzlich ist man in so gut wie keinem Bereich mehr nur für sich verantwortlich. Und das für die nächsten viele Jahre.
Die Liste lässt sich endlos fortsetzen, am Abend kann man es mit jedem Manager aufnehmen.
Ich wusste nicht, wie sehr ich eine Spieluhr lieben kann, wenn das Kind dabei selig einschläft. Aber auch nicht, wie sehr ich eine Spieluhr hassen kann, wenn das Kind es plötzlich raushat, diese selbst anzuschalten. Morgens um 5.00 Uhr. In Dauerschleife.
Ich wusste nicht, wie entspannt man plötzlich sein kann, wenn man Kinderkotze im Haar hat. Man kann. Es bleibt einem eh nichts anders übrig.
Ich habe nie darüber nachgedacht, wie es wohl schmeckt, eine angelutschte Brezel zu essen. Oder übrig gebliebene Nudeln, die unter Umständen mindestens schon ein paar Mal von kleinen verschmierten Händchen angetatscht wurden.
Ich sage Sätze wie „bitte nicht die Toilette ablecken“ und wundere mich nicht mehr darüber.
Ich lerne jeden Tag unglaublich viel von meiner Tochter. Ich bin beeindruckt, mit welcher Neugier sie die Welt entdeckt, wie unglaublich wissbegierig sie ist und mit welchem Ehrgeiz sie Dinge selbst tun möchte. Ich staune, welch Choreografie hinter all ihren Entwicklungsschritten steckt und wie sie scheinbar einem Plan folgt, der keiner ist.
Wie sehr kann man mit seinem Kind mitleiden, wenn die ersten Zähne kommen? Wie schnell überlegt man sich, ob das Kind nicht am Verhungern ist oder zu wenig Nährstoffe bekommt, nur weil es einmal weniger gegessen hat? Und wie sehr kann man eigentlich zur Löwenmutter werden?
Es war uns nicht klar, wie viele Stunden man damit verbringen kann, eine geeignete Brotdose für die Kita auszuwählen. Kita ist überhaupt ein gutes Stichwort. Wir stehen vor der Eingewöhnung und mein Baby, das nun kein Baby mehr ist, sondern ein Kleinkind, macht bald ihren ersten Schritt in Richtung Selbständigkeit. Unglaublich.
Beim Schlafen hatten wir immer Glück, wohl wissend, dass es sich jeden Tag ändern kann.
Insgesamt sind wir also sehr entspannt durch das erste Babyjahr gekommen. Wir können die ersten Kinderlieder fehlerfrei mitsingen und sogar mein Mann weiß nun, dass Regenwürmer husten können. Unser Wohnzimmer, von dem wir immer gedacht haben, es bleibt auch mit Kind spielzeugfrei, gleicht mittlerweile einem gut sortiertem Spielzeugladen. Und es stört uns weniger, als wir je für möglich gehalten hätten.
Unsere Tochter hatte keine nennenswerten Krankheiten, sie ist ein kleines Sonnenscheinchen und hat es uns als Eltern-Azubis sehr leicht gemacht.
Wir halten manchmal inne und sind sehr dankbar, dass sie sich uns als Eltern ausgesucht hat.
Am meisten staunen wir aber darüber, dass wir sie in diesem ersten Babyjahr nicht kaputt gemacht haben. Diesen Umstand werten wir jetzt einfach mal als Erfolg und weiter gehts.
Wir stehen nun am Anfang der Kleinkindzeit. Die Trotzphase – ich nenne sie lieber Autonomiephase – steht in den Startlöchern und in wenigen Tagen haben wir ein Kita-Kind.
Elternsein ist voller Herausforderungen. Es ist nicht immer einfach, es ist nicht immer Glitzer und Konfetti. Elternsein bedeutet auch Tränen, Selbstreflektion, über eigene Grenzen gehen, diese Grenzen erst kennenlernen und teilweise maximale Improvisation. Die Tatsache, dass ich Pädagogin bin, hilft manchmal. Und genauso oft ist es völlig irrelevant.
Elternsein bedeutet aber auch ein unglaubliches Glücksgefühl, ein Leben voller magischer Momente und unvergessener Erlebnisse.
Und Liebe pur. Liebe, die wir jeden Tag durch und mit unserem Kind spüren dürfen. Und an sie weitergeben. An sie, unsere Tochter, unser kleines Wunder.
Es ist auf jeden Fall das Krasseste, was ich je erlebt habe.
Und ich finde das zauberschön.
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