„Irgendwann tanzt sie euch noch auf der Nase herum“.

„Mein Kind ist gerade mal 7 Monate alt und noch könnte sie dies ohne Probleme tun. Wenn auch noch nicht ohne meine Hilfe, aber Hauptsache, sie tanzt, oder? Später würde es natürlich problematischer, denn wer möchte schon ein 15 Kilo Kind auf seiner Nase tanzen haben? Vielleicht sollten wir unser Konzept der Begleitung unserer Tochter doch nochmal überlegen. Meine Nase würde es ihr danken“.

So oder so ähnlich könnte eine adäquate Antwort auf so einen Kommentar lauten.

Kommentare und Bemerkungen wie diese gibt es ja viele, für uns, für fast alle Eltern, die wir kennen. Schreibe ich einen entsprechenden Tweet auf Twitter, lese ich viele entsprechend erlebte Beispiele in den Kommentaren.

Diese Bemerkungen sind nie böse gemeint. Nur gut und scheinbar wohlwollend. Und doch steckt immer eine Warnung, eine Angst, eine Belehrung dahinter. Oft aus Gewohnheit, aus alten Mustern und Zöpfen, aufgrund der eigenen Sozialisation.

Schneiden wir diese alten Zöpfe bitte endlich ab? Danke.

„Ihr verwöhnt sie zu sehr!“

Babys und Kleinkinder kann man gar nicht verwöhnen. Man kann maximal ihre Bedürfnisse befriedigen. Ist es nicht unsere Aufgabe als Eltern, unsere Babys zu versorgen und ihnen so viel Liebe und Geborgenheit zu geben, dass sie keine Angst haben und keine „Not“ leiden müssen? Verwöhnen ist hier gleich Fürsorge. Und die sollte für ein Baby obligatorisch sein.

Und selbst wenn es möglich wäre, ein Baby zu verwöhnen – was spricht denn dagegen? Wer von uns möchte denn nicht gerne verwöhnt werden? Von unserem Partner / Partnerin, von unseren Lieben, von einer völlig fremden Person an einem Wellnesswochenende. Ich kann nichts Verwerfliches am Verwöhnen erkennen, ich verwöhne selbst gerne die Menschen, die ich liebe und werde gerne verwöhnt. Und das soll ich ausgerechnet meinem Kind vorenthalten? Absurd.

Wir lieben unsere Kinder. Wir möchten, dass es ihnen gut geht. Ihre Bedürfnisse sind in erster Linie noch Hunger, Pipi, kalt. Liebe, Geborgenheit, Sicherheit und Schutz. Verwehre ich ihnen die Erfüllung dieser Bedürfnisse, handle ich fahrlässig und teilweise sogar kindswohlgefährdend.

Ein Baby braucht unsere Nähe, unsere Liebe, unsere Fürsorge. All das braucht es, um Urvertrauen aufzubauen und sich sicher gebunden zu fühlen. Also ja,  „verwöhnt" bitte eure Kinder, macht das zu jeder Zeit und unbedingt.

„Ihr werdet schon noch sehen, was da noch auf euch zukommt. Sie / er hat euch ja jetzt schon im Griff!“

Weil – ich die Bedürfnisse meines Kindes befriedige? Es nicht alleine lasse in seiner Angst, in seinem Kummer, in seiner Not? Reagiere, wenn es mich braucht? Da bin, wenn es sich unsicher fühlt und ihm somit Sicherheit gebe?

Ich hoffe doch sehr, dass ich irgendwann mal sehen werde, was da passiert. Nämlich dass ein sicher gebunden heranwachsendes Kind mit sehr viel Urvertrauen und sehr viel Stärke in sich selbst heranwächst.

Und wenn „im Griff haben“ bedeutet, dass sich mein Kind immer darauf verlassen kann, dass ich

o da bin, wenn es mich braucht, sprich auf seine Bedürfnisse oder auch aktuelle Not reagiere

o es durch jede Situation, die dies erfordert, begleite

o auf die Zeichen meines Kindes achte, mit seinen Gefühlen achtsam umgehe und diese wertschätze.

ja, dann „hat es mich im Griff“, denn es kann sich sicher sein, dass ich es in diesen Momenten nicht alleine lasse. Insofern haben mich im Übrigen sehr viele Menschen „im Griff“. Ich reagiere nämlich auch bei meinem Partner oder bei meinen sonstigen Herzensmenschen, wenn sie mir signalisieren, dass sie mich brauchen.

Manchmal hilft ein Perspektivwechsel.

„Du trägst sie viel zu viel. Wie soll sie denn da laufen lernen?“

Babys sind Traglinge. Wenn ein Kind gerne getragen werden möchte, in der Trage oder im Tuch, warum sollte man es dem Kind denn verwehren? Tragen bedeutet maximale Nähe und Geborgenheit. Tragen in der Trage oder im Tuch unterstützt die M –Beinstellung, die gerade für Neugeborene noch sehr wichtig ist. Tragen kann weder zu viel noch zu wenig sein, tragen ist ganz individuell vom jeweiligen Kind abhängig.

Wie ein Kind trotzdem laufen lernt? Indem es, wenn es nicht in der Trage ist, die Entwicklungsschritte vollzieht, die dafür notwendig sind. Ich kenne kein Kind, dass 24/7 in einem Tragesystem verbringt. Ich kenne kein Kind, das oft und viel getragen wurde und aus diesem Grunde das Laufen nicht lernte.

„Ihr müsst sie auch mal weinen lassen!“

Nein. Nein nein und nochmal nein!

Es gibt keinen Grund, einen Säugling, ein Baby, ein Kind weinen zu lassen. Es gibt Situationen, da begleite ich mein Kind durch einen Weinanfall. Als Baby, als Kleinkind, als größeres Kind. Weinen und Tränen sind wichtig, Das Erleben und Durchlaufen der Prozesse von Trauer oder Wut oder sonstigen Gefühle, die dafür Auslöser waren, sind wichtig und müssen gut begleitet werden, ebenso aber zugelassen und ausgehalten werden dürfen. Das Kind ist damit aber nicht alleine.

Weint mein Kind, egal wie alt es ist, bin ich an seiner Seite und helfe ihm durch die Situation. Weinen ist gerade am Anfang die einzige Möglichkeit für ein Baby, sich verbal auszudrücken. Es ist darauf angewiesen, dass wir Erwachsene reagieren.

 Weint es, wenn es nicht schlafen kann, begleite ich es. Ich lasse es nicht alleine.

(Anmerkung: Das Buch „Jedes Kind kann schlafen lernen“ bedient sich der Ferber – Methode, einem Schlafprogramm, das besagt, dass man das Kind zur Selbstregulierung nach einem bestimmten Schema weinen lassen soll. Das ist nicht nur grausam, es ist bindungsgefährlich und bewirkt nur eines: das Kind schläft völlig erschöpft und resigniert ein, nachdem es erfahren hat, dass Mama oder Papa in dieser großen Not nicht kommen werden.)

Kinder werden nachts regelmäßig wach. Dies ist völlig normal, da sie in den ersten Lebensjahren die Rückversicherung der Eltern suchen. Manche Kinder haben noch keine Strategien, dann wieder einzuschlafen. Sie fordern die Hilfe der Eltern – indem sie schreien. Lässt man sie in ihrem Schreien alleine, signalisiert man ihnen in diesem Moment, dass Mama oder Papa diese Hilfe verwehren. Das können wir nicht ernsthaft wollen.

 Weint es, weil es nicht mehr im Kinderwagen liegen möchte, nehme ich es heraus und trage es (so es die Situation zulässt). Ein weinendes Kind im Kinderwagen ist sowohl für das Kind als auch für das Elternteil eine große Belastung. Welche Gründe also sollten dafür sprechen, meinem Kind diese offensichtliche Not nicht zu lindern und die Situation für das Kind und die Eltern erträglicher zu machen?

Es gäbe noch sehr viele Beispiele, das würde hier den Rahmen sprengen.

Oft hilft ein Perspektivwechsel als Antwort auf entsprechende Kommentare.

Du bist bei mir zu Gast und

o hast Hunger? Ich richte dir eine Mahlzeit.

o hast Durst? Ich bringe dir ein Glas Wasser.

o bist traurig? Ich tröste dich, nehme dich in den Arm, höre dir zu

o hattest einen schlechten Tag und schlechte Laune? Ich ignoriere dich deshalb nicht.

Aber ausgerechnet bei meinem Kind soll ich all nicht tun?

Absurd. Völlig absurd.

Ich werde jetzt meine Tochter umarmen, mir weiterhin auf der Nase herumtanzen lassen in der Hoffnung, sie tanzt irgendwann nicht nur auf meiner Nase, sondern durchs Leben, freue mich, wenn sie mich „im Griff“ hat und somit weiß, dass sie jederzeit auf mich vertrauen kann und weiß, dass ich sie nicht weinen lasse, wenn ich ihre Not lindern kann oder sie in ihrem Weinen nicht alleine lasse, wenn weinen gerade wichtig ist.

Und ich kann es kaum erwarten,  irgendwann zu beobachten, was aus all dem geworden ist. Ich freu mich drauf.

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