Japan hat nach langem Zögern seine Klimaziele auf internationalen Standard gebracht. Doch das hat etwas von einem Luftschloss. Die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen ist so gross, dass noch nicht einmal an einen Kohleausstieg in nützlicher Frist zu denken ist.

Das Kohlekraftwerk Hekinan, mit einer installierten Leistung von 4,1 Gigawatt, das grösste seiner Art in Japan. 10 Millionen Tonnen Kohle werden jährlich verfeuert.(Biild: Jihara19)

Japans Stromversorgung hängt seit dem Super-GAU von Fukushima 2011 stärker denn je an fossilen Brennstoffen. Trotz eines beeindruckenden Ausbaus vor allem der Photovoltaik, die ausgehend von praktisch Null heute auf einen Anteil von knapp neun Prozent kommt und damit Atomstrom deutlich hinter sich lässt, werden 69 Prozent der Elektrizität mit Kohle, Öl oder Gas produziert. Bei der gesamten Energieversorgung sieht es noch schlechter aus: 87 Prozent stammen aus importierten fossilen Quellen. Damit ist Japan der fünftgrösste Emittent von Klimagasen weltweit. Das ist keine gute Ausgangslage, um das im vergangenen April formulierte und am Klimagipfel in Glasgow im November bekräftige Ziel, bis 2050 die Emissionen auf Null zu senken, zu erreichen. Das Zwischenziel bis 2030: eine knappe Halbierung gegenüber dem Referenzjahr 2013.

In Japan gibt es praktisch keine fossilen Rohstoffe. Die nach den USA und China drittgrösste Volkswirtschaft der Welt mit 126 Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern ist auf Gedeih und Verderb auf Energieimporte angewiesen. Auch deshalb investieren japanische Unternehmen, ermuntert von der Regierung, in Kraftwerke und Minen im Ausland. Die nukleare Katastrophe von Fukushima 2011 hatte diese Abhängigkeit zusätzlich verschärft. Sämtliche 54 Atomkraftwerke wurden abgeschaltet und verschärften Sicherheitsprüfungen unterzogen. 33 AKW haben diese bis heute bestanden. Doch nur zehn sind ans Netz gegangen. Das liegt vor allem am lokalen Widerstand. Die japanische Bevölkerung will mehrheitlich nichts mehr davon wissen. Die regelmässig erhobenen Umfragen des Industrieverbandes der Atomwirtschaft zeigen eine solide Mehrheit, die den sofortigen oder graduellen Ausstieg befürwortet. Drei Viertel sprechen sich für Photovoltaik, fast zwei Drittel für Windkraft als Energieträger der Zukunft aus. Für Nuklearenergie votieren gerade noch 16 Prozent. Tatsächlich spielt Atomkraft im Strommix Japans mit einem Anteil von 4,5 Prozent nur noch eine marginale Rolle. 2010 war es noch ein Viertel gewesen. Kompensiert wurde der Ausfall mit Gas, Kohle und Öl, die 2014 für fast 85 Prozent der Stromproduktion verantwortlich waren. Seither ist dieser zwar auf aktuell 69 Prozent zurückgegangen, liegt damit aber immer noch zehn Prozent über dem Wert von 2010 – ein für die Energiewende verlorenes Jahrzehnt.

Japan ist vom Regen in die Traufe geraten – und will nun mit einem neuen nationalen Klimaplan durchstarten. Doch wie soll das gelingen? Mit dem weiteren Ausbau der erneuerbaren Energien auf 36 bis 38 Prozent des Strommixes (2020: knapp 27 %) und mit einer Erhöhung des Atomstromanteils an der Stromproduktion auf 20 Prozent, verspricht die Regierung. Ersteres lässt sich mit einem Ausbau der Subventionen um 50 Prozent wohl realisieren, letzteres erscheint geradezu utopisch angesichts des grossen Widerstandes in der Bevölkerung, der von manchen Befürwortern der Atomenergie reichlich herablassend als «Nuklearphobie»disqualifiziert wird.

Doch das Dilemma bleibt. Und mit dem nun ausformulierten Klimaziel für 2030 ist auch klar, dass es wohl zu einer Reduktion, aber sicher nicht zu einem Ausstieg aus der Kohle kommen wird, die rund 30 Prozent zur Stromproduktion beiträgt. Beim am Klimagipfel in Glasgow von 40 Staaten unterzeichneten Aufruf zum Kohleausstieg ab den 2030er-Jahren blieb Japan denn auch aussen vor. Stattdessen hat die Regierung ein Programm zur Modernisierung der Kohlemeilerin Gang gebracht, das keine kohlefreie, aber eine «kohlenstoffarme» Umwelt verspricht. Erreicht werden soll dies durch neue Kohlekraftwerke mit einem erhöhten Wirkungsgrad von 43 Prozent, um wenigstens die Energieeffizienz zu steigern. Dazu sollen 100 der aktuell 162 Kraftwerke bis 2030 abgeschaltet werden. Die Zukunft wären «Null-Emissions-Wärmekraftwerke», die mit Ammoniak oder Wasserstoff befeuert werden. Die neuen Kohlekraftwerke sollen technisch dazu in der Lage sein. Mehr als eine Beimischung ist allerdings mit der derzeitigen Technologie gar nicht drin. Hinter den Kulissen drängt die japanische Regierung Energieunternehmen, weiter in fossile Kraftwerke im In- und Ausland zu investieren. Denn im strategischen Energieplan der japanischen Regierung gibt es ein weiteres Ziel, das jenen zum Umbau der Energiewirtschaft fast diametral widerspricht: «Es gibt keine Kompromisse, wenn es um die Sicherung der japanischen Energieversorgung geht, denn jede Nation ist verpflichtet, die dafür notwendigen Ressourcen zu sichern.

Wie Japan mit einer solch inkonsistenten Energiepolitik das Netto-Null-Ziel für 2050 erreichen soll, bleibt nicht nur schleierhaft, sondern ist auch nur ungenügend mit konkreten Plänen unterfüttert. Die Denkfabrik «Carbon Action Tracker» stellt Japan ein denkbar schlechtes Zeugnis aus: «Poor».Ungenügend.