Vor ein paar Tagen las ich einen Artikel im Tagesspiegel, der sich mit den Beraterverträgen, die das Bundesgesundheitsministerium von Jens Spahn (CDU) im Zuge der Corona-Krise geschlossen hat, befasst. Und das ist schon sehr bezeichnend: von wegen tolles Krisenmanagement der Bundesregierung, was ja gern und immer wieder überall behauptet wird. Wenn man das so liest (auch ohne da komplett durchzusteigen, denn das ist schon reichlich verwirrend), dann wird einem klar, dass da vor allem Chaos regiert hat.
Und den Steuerzahler dürfte das wieder einiges zusätzlich kosten …
Ach ja: Man sieht dann auch noch hieran, wie richtig toll „der Markt“ darin ist, solche krisenhaften Ereignisse zu regeln.
Ich fasse den Artikel mal zusammen: Chaos, Durcheinander, vieles klappt nicht, und einige wenige stopfen sich mit öffentlichen Geldern die Taschen voll.
Und dennoch wird immer wieder betont, dass man Jens Spahn ja doch Respekt entgegenbringen müsse für sein Agieren im Zuge der Corona-Pandemie. Da frage ich mich dann doch, wofür dieser Respekt denn gezollt werden soll.
Respekt dafür, erst vollmündig getönt zu haben, dass das mit Corona alles kein Problem wäre, und Karneval feiern zu lassen, nur um dann am Aschermittwoch in den aktionistischen Panikmodus zu verfallen (s. hier)? Respekt dafür, Warnungen von einem Schutzmaskenhersteller wegen Engpässen im Januar komplett ignoriert zu haben (s. hier)? Respekt dafür, dass seine Ministeriumsmitarbeiter Däumchen drehen und viel Geld konzeptlos für Berater rausgehauen wurde? Respekt dafür, das Krankenhauspersonal jetzt im Regen stehen zu lassen, so von wegen Corona-Bonuszahlung (s. hier)? Respekt für eine Corona-Warn-App, die nicht funktioniert (s. hier)?
Jens Spahn hat alles Mögliche verdient, und das meiste davon dürfte ihm nicht gefallen, aber bestimmt keinen Respekt!
Zu seiner Entschuldigung wird dann oft vorgebracht, dass er ja Banker wäre und kein Gesundheitsprofi. Mal abgesehen davon, dass ich von einem Bundesminister schon erwarte, ein bisschen Kompetenz in seinem Fach zu haben (wobei, wenn ich mir da so einige andere aus der Riege anschaue …), so hat Spahn neben seiner Tätigkeit als Pharmalobbyist doch auch in seiner politischen Laufbahn schon einiges in seinem aktuelle Ressort vorzuweisen. So steht in seinem Wikipedia-Eintag zumindest:
Hier war er seit November 2005 stellvertretender Vorsitzender der Arbeitsgruppe Gesundheit der CDU/CSU-Bundestagsfraktion und Obmann der CDU/CSU-Fraktion im Ausschuss für Gesundheit. Er war Mitglied in der Koalitionsarbeitsgruppe von CDU/CSU und SPD, die die Gesundheitsreform 2007 vorbereitete. Von 2009 bis 2015 war er Vorsitzender der Arbeitsgruppe Gesundheit und zugleich gesundheitspolitischer Sprecher der CDU/CSU-Fraktion.
Spahn ist als schon lange im Bereich Gesundheitswesen unterwegs als Politiker. Und als solcher hätte er auch das Ergebnis einer Pandemie-Übung von 2007 kennen müssen, das lautete: zu wenig Schutzmaterialien. Genauso wie er auch die Risikoanalyse für den Bundestag von 2013 hätte kennen müssen, die sich mit einer aus China kommenden SARS-Virus-Pandemie befasste und erstaunliche Parallelen zum aktuellen Geschehen aufweist.
Also: Entweder hat er das alles nicht gekannt, dann ist er ein Vollversager als Gesundheitsminister, der nicht mal im Ansatz seine Hausaufgaben gemacht hat. Oder aber ihm war das alles bekannt – dann hat er wohl wider besseres Wissen agiert und dabei alles Mögliche, aber nicht die Gesundheit der Bevölkerung als Ziel seines Handelns gehabt – was ich hier, hier, hier, hier und hier ja schon mal gemutmaßt habe und was sich dann erneut bestätigen würde.
Kann man sich nun aussuchen, was schlimmer wäre …
Ich halte es zudem auch noch für möglich, dass die Triebfeder für Spahns populistisches Handeln, was ja zwischendurch auch mal zu einem Zustimmungshoch für ihn geführt hat, war, ein gutes Bild in der Öffentlichkeit abgeben zu wollen im Hinblick auf eine mögliche Kanzlerschaft. Spahn ist ein Karrierist (was ich vor gut zwei Jahren schon mal in einem Artikel feststellte), wie er im Buche steht, das würde also zumindest dazu sehr gut passen.
In jedem Fall wäre diese Motivation auch nicht gerade eine besonders gute Voraussetzung für einen Bundesministerposten.
Wie man es dreht und wendet: Spahn offenbart, dass Typen wie er, nämlich Hardcore-Neoliberale mit Hang zur Lobbyistenhörigkeit und Interesse vor allem am eigenen Vorankommen, denkbar schlecht geeignet sind, in Krisen im Sinne der Bevölkerung zu agieren. Und dass weitere Krisen, vermutlich sogar deutlich größeren Ausmaßes, anstehen, wenn die Corona-Pandemie erst mal durchgestanden sein sollte, daran besteht wohl kaum ein Zweifel. Der Klimawandel ist schließlich nach wie vor aktuell, um nur mal ein Beispiel von globalem und epochalem Ausmaß zu nennen.
Keine guten Aussichten, denn Spahn ist ja eher typisch für das, was zurzeit an Politikern in verantwortungsvolle Ämter gespült wird, als dass er eine Ausnahme darstellen würde …
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