Vor 25 Jahren lag ich mit Freunden auf einer grünen Wiese. Juni. Ein Sommertag, wie er zu sein hatte mit jugendlicher Unbeschwertheit und dem Gefühl der Unsterblichkeit im Blut. Wir hatten eine Decke mit. Alkohol. Drehten uns Zigaretten und kamen uns wahnsinnig erwachsen vor. Bald war die Schule vorbei und einige würden nach den Sommerferien eine Ausbildung beginnen, andere würden weiter zur Schule gehen. Unsere Wege würden sich bald trennen, aber das wussten wir noch nicht.
Als die Sonne am Horizont unterging, lagen wir lachend und schweigend auf der Wiese. Zu betrunken, um uns jetzt auf den Weg zu machen. Zuhause wartete ja doch nichts, außer ein Bett, nach dem man keine Sehnsucht hatte.
Unser Platz war ein großer Hügel. Im Hintergrund sah man die riesigen Schornsteine der Autofabrik. Lichter von Straßenlaternen und oben am Himmel standen irgendwann die Sterne.
Blaue Stunde. Dann Dunkelheit. Und dann sagte jemand: „Hey! Schaut mal! Glühwürmchen!“ Plötzlich waren überall leuchtende Punkte in der Luft. Wir lagen staunend auf der Decke und keiner sprach mehr. Hunderte leuchtende Käfer, die über uns und neben uns und einfach überall waren. Als Kind hatte ich im Wald oft Glühwürmchen gesehen. Aber diese Wiese... mit dieser Menge an leuchtenden Flecken, die sich bewegten und diesen Sommerabend so besonders machten, hat sich in meinen Kopf gebrannt.
Vor 25 Jahren lag ich mit Freunden auf einer Wiese. Unsere Wege haben sich danach verloren.
Vor 25 Jahren habe ich das letzte Mal Glühwürmchen gesehen. Sie haben den Sprung in eine andere Zeit eingeläutet, ohne, dass ich es an diesem Abend wusste. Ab diesem Sommer wurde alles anders, die normale Schulzeit war vorbei. Ich war auf dem Weg ins Erwachsenenleben. Entfernte mich von meinen Eltern. Verlor Interessen und fand neue. Jedes Jahr denke ich an diesen Abend. Immer zur Johannisnacht. Nacht der Glühwürmchen. Und trotzdem habe ich mich seitdem nie wieder auf den Weg gemacht, um nachts auf einer Decke ihr Erscheinen abzuwarten. Dabei sehne ich mich danach. Nach einer Nacht voller Magie, in der ich staunend und mit dem Gefühl der Unsterblichkeit im Blut in den Himmel schaue. Und nicht an morgen denke, sondern mich einfach noch mal so magisch berührt fühle:
wie vor 25 Jahren.
Dir gefällt, was Kerstin schreibt?
Dann unterstütze Kerstin jetzt direkt: